Ein Riesenrad, das Boote hebt
Das Falkirk Wheel ist weltweit das erste und einzige Dreh-Schiffshebewerk – ein Blickfang und Hotspot für Touristen.
Falkirk, 35 Kilometer westlich von Edinburgh: 1298 wurden hier die schottischen Freiheitskämpfer um William Wallace von den Engländern geschlagen. Wenn überhaupt, dann ist das kleine Städtchen außerhalb Schottlands durch das Hollywood-Epos „Braveheart“bekannt geworden. Zu Unrecht, denn in Falkirk steht das modernste und wohl schönste Schiffshebewerk der Welt. Weltweit gibt es kein zweites Bauwerk, das seinem Aussehen gleichkommt.
Manche Besucher erinnert das Falkirk Wheel an eine zweischneidige keltische Axt. Andere sehen in dem kreisenden Schiffshebewerk das Gerippe eines Wals oder einen überdimensionalen Zigarrenabschneider. Unbestritten aber ist: Das Falkirk Wheel hebt Schiffe nicht – wie bei den weltweit 40 Anlagen üblich – horizontal wie in einem Fahrstuhl von oben nach unten und umgekehrt. Stattdessen bewegt sich die Stahlkonstruktion wie bei einem Riesenrad in einer Kreisbewegung.
Wie das Falkirk Wheel funktioniert, erfahren die Besucher im angeschlossenen Ausstellungspavillon: In dem futuristisch anmutenden Bau aus Glas und silbrig schimmernden Aluminium werden per Videofilm und Schautafeln die Geheimnisse des Hebewerkes erklärt. Dazu gehört ein auf Knopfdruck sich bewegendes Modell des weltweit ersten und einzigen Trommel- oder Rotationshebewerks.
Daneben befindet sich ein großer Speichersee. Hier warten Mitarbeiter, um den Hebevorgang in Echtzeit zu demonstrieren: Beim Hebevorgang geschieht oben wie unten jeweils das Gleiche: Die Schleusentore schließen sich, anschließend werden die Boote in einer Kreisbewegung von 180 Grad nach oben beziehungsweise nach unten gehoben. In der Mitte treffen sich die Gondeln. Oben oder unten angekommen, öffnen sich die
Schleusentore. Jeder der beiden Fahrkörbe enthält 250.000 Liter Wasser, aber pro Hebevorgang gehen nur fünf Liter verloren – verglichen mit anderen Hebewerken ist das gar nichts.
Die zwei Fahrstühle oder Gondeln befinden sich an den Enden eines riesigen Stahlarmes. Sie sind 27 Meter lang und tragen 300 Tonnen. Sind beide Gondeln oben und unten gefüllt, dreht sich das Riesenrad, während die Boote in den Kammern auf Grund der Trägheit des Wassers weiterhin parallel zum Grund bleiben. Für den gleichmäßigen Rundlauf sorgen zehn Hydraulikmotoren, die im Inneren der vier Meter dicken Drehachse stecken und ihre Kraft direkt an die beiden weit ausladenden Arme weitergeben. Der ganze Hebevorgang dauert nicht mehr als 15 Minuten, der Energieverbrauch dafür ist mit 1,5 Kilowattstunden außerordentlich gering und entspricht der Energie, die nötig ist, um acht gefüllte Wasserkocher zu erhitzen.
500.000 Besucher kamen vor der Covid-19-Pandemie jährlich. 30 Millionen Euro kostete das 2002 eingeweihte Schiffshebewerk, das ausschließlich der Freizeitschifffahrt dient. 1200 Tonnen Stahl wurden verbaut. Bis zu acht der für die britischen Kanäle typischen Langboote können in einem Rutsch gehoben und gesenkt werden. Diese sogenannten Narrowboats sind bis zu 22 Meter lang, aber nur 2,20 breit. Sie sind also sehr schmal und waren speziell für das britische Kanalsystem entwickelt worden. Hier liegt der Nachteil des Falkirk Wheel: Außer den Schmalbooten sowie kleineren Motor- und Segelschiffen passt nichts in die beiden Gondeln. Von wegen Super-Post-Panamax-Klasse!
Das Schiffshebewerk dreht sich auf halbem Weg zwischen Edinburgh und der Arbeitermetropole Glasgow: 1790 wurde der „Forth and Clyde Canal“fertiggestellt. Damit hatte man an der schmalsten Stelle in Schottland eine 60 Kilometer lange Verbindung zwischen der Irischen See im Westen und der Nordsee im Osten. Dazwischen liegen 48 Meter Höhenunterschied, was zahlreiche Schleusen erforderlich machte. Auf den künstlich angelegten Wasserstraßen wurden einst Kohle transportiert, Textilien und Produkte der metallverarbeitenden Industrie. Mit Beginn des Eisenbahnzeitalters verloren die Kanäle allmählich an Bedeutung und wurden stillgelegt. Im Zuge der britischen Millenniums-Projekte setzte ein Umdenken ein, das alte Kanalsystem wurde wieder instand gesetzt. Herzstück dieser Sanierung war das Falkirk Wheel, das insgesamt elf Schleusen ersetzt.
Höhepunkt eines jeden Besuchs ist eine sechzigminütige Bootsfahrt. Dabei wird man vom Speichersee, der vor der Hebeeinrichtung liegt, 35 Meter in die Höhe befördert. Danach fährt man ein Stück auf dem Union-Kanal. Anschließend geht es zurück zum Hebewerk. Dort bringt das Falkirk Wheel Boote und Besucher wieder auf Startniveau. Oben wird man mit einem grandiosen Blick über die idyllische Seen- und Tallandschaft der Lochs und Glens belohnt.