Doc Caro spricht über Leben und Tod
Auch beim zweiten Besuch der Notärztin Carola Holzner im Bestattungsinstitut von Torsten Heiss gab es viele Fragen.
WEGBERG Genau ein Jahr ist vergangen seit ihrem ersten Vortrag in Torsten Heiss‘ Bestattungsinstitut. Seitdem hat sich viel getan im Leben der Humanmedizinerin Doc Caro, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, soziale Medien zu nutzen, um teils komplexe wissenschaftliche Themen leicht verständlich zu erklären. Carola Holzner, wie die 41-Jährige mit bürgerlichem Namen heißt, hat geheiratet – ihre große Liebe, den Rettungshubschrauberpiloten Jens Richter. Bei der Arbeit lernte sich das Paar kennen. Dem Wegberger Publikum erzählt die zweifache Mutter von der romantischen Hochzeitszeremonie, ihrer „emotionalste Begegnung des Jahres“.
Die beliebte Ärztin, deren Markenzeichen ihre Tattoos und der blonde Undercut-Haarschnitt sind, blättert immer wieder die weißen Zettel durch, auf dem ihre Zuhörer die Fragen an sie notiert haben. Was ihr an Wegberg gefällt, will jemand aus den Besucherreihen von ihr wissen. Doc Caro muss gestehen, nicht viel von der Stadt gesehen zu haben: „Bisher bin ich immer im Dunkeln gekommen und im Dunkeln nach Hause gefahren“, räumt sie ein, um sich dann zu erkundigen: „Was hat Wegberg denn zu bieten?“Sabine Wilhelm erklärt ihr, dass Wegberg Mühlenstadt sei. Vierzehn Wassermühlen gibt es hier, und in einigen befinden sich sogar Restaurants. Wandern kann man auch sehr gut, erläutert die Mitarbeiterin aus dem städtischen Ordnungsamt dem prominenten Gast. „Das gefällt mir sehr gut. Ich muss wirklich mal tagsüber kommen“, sagt Doc Caro anerkennend.
Die gebürtige Mülheimerin, die nach dem Abitur zunächst Chemie und dann Medizin studierte, um sich ihren Kindheitstraum zu verwirklichen, hat zwei Bücher geschrieben, ein drittes ist in Arbeit. Aus einem davon liest die Fachärztin für Anästhesiologie mit der Zusatzweiterbildung in Intensivmedizin, Notfallmedizin und innerklinischer Akut- und Notfallmedizin ihrem Wegberger Publikum vor. „Während du schliefst“heißt ein Kapitel daraus, in dem Carola Holzner die traurige Geschichte eines betagten, unheilbar kranken Ehepaares erzählt, das beschlossen hat, gemeinsam seinem Leben in der eigenen Wohnung ein Ende zu setzen: Als Notfallärztin betritt Doc Caro die Wohnung, findet zunächst die von ihrem Ehemann mit einem Kissen erstickte Frau in ihrem Bett, während der Mann im Nebenraum mit dem Kopf in einer Blutlache liegt, nachdem er von seiner Schusswaffe Gebrauch gemacht hat. Plötzlich wird ihr bewusst, dass der herbeigesehnte Tod der Steiners nur durch eine gewaltsame, grausame Tat möglich
war. „Ich habe meine Frau und mich umgebracht“, hat Herr Steiner in einem erklärenden Brief an die Polizei geschrieben. Beide über 80, er an Prostatakrebs erkrankt, sie an Darmkrebs. Und weiter: „Nach reiflichen Überlegungen haben wir uns gegen eine Therapie, aber für eine Kreuzfahrt entschieden.“Nochmal die gemeinsamen Freunde in Frankreich besuchen, nochmal zusammen guten Whisky und edlen Wein trinken. „Herr Steiner hat mein Weltbild auf den Kopf gestellt“, gibt Doc Caro zu. Die Bilder, die sie sah, hat sie seitdem nicht mehr vergessen.
Wie einen „Barfußgang über eine schöne Wildblumenwiese“stellt sie sich das Sterben vor, den Tod so ähnlich wie „Champagner und Pommes rund um die Uhr“. Ob Sterben weh tut, wird sie in Wegberg gefragt. „Wir sterben alle, aber wir wissen nicht, ob am Ende was richtig Geiles auf uns wartet“, antwortet die zweifache Mutter. Sie rät, das Thema Tod nicht zu tabuisieren, sondern lieber „ganz normal“zu besprechen. Viele Menschen hätten überhaupt keine Berührungspunkte mit dem Sterben oder Tod. Während eines Einsatzes habe man oft nicht die Zeit, um sich Gedanken zu machen, gibt Doc Caro zu. Erst später komme man zu der Erkenntnis: „Das ist ein Mensch, was steckt dahinter?“. Deshalb sei Notfallseelsorge wichtig. Wer kritische Situationen miterlebt habe, könne anschließend unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden.
Torsten Heiss gibt der Referentin Recht. Auch der Wegberger Bestatter hat schon oft schlimme Situationen erlebt, die nicht spurlos an ihm vorbeigegangen sind. Heiss spricht kurz den Fall der von einem betrunkenen Raser getöteten Schwangeren an, der auch für ihn nicht alltäglich war. Carola Holzner, die in einer Duisburger Klinik tätig ist, hört ihm interessiert zu. An der mitgebrachten Reanimationspuppe darf zum Schluss die Herzdruckmassage geübt werden.