Rheinische Post Erkelenz

Doc Caro spricht über Leben und Tod

Auch beim zweiten Besuch der Notärztin Carola Holzner im Bestattung­sinstitut von Torsten Heiss gab es viele Fragen.

- VON DANIELA GIESS

WEGBERG Genau ein Jahr ist vergangen seit ihrem ersten Vortrag in Torsten Heiss‘ Bestattung­sinstitut. Seitdem hat sich viel getan im Leben der Humanmediz­inerin Doc Caro, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, soziale Medien zu nutzen, um teils komplexe wissenscha­ftliche Themen leicht verständli­ch zu erklären. Carola Holzner, wie die 41-Jährige mit bürgerlich­em Namen heißt, hat geheiratet – ihre große Liebe, den Rettungshu­bschrauber­piloten Jens Richter. Bei der Arbeit lernte sich das Paar kennen. Dem Wegberger Publikum erzählt die zweifache Mutter von der romantisch­en Hochzeitsz­eremonie, ihrer „emotionals­te Begegnung des Jahres“.

Die beliebte Ärztin, deren Markenzeic­hen ihre Tattoos und der blonde Undercut-Haarschnit­t sind, blättert immer wieder die weißen Zettel durch, auf dem ihre Zuhörer die Fragen an sie notiert haben. Was ihr an Wegberg gefällt, will jemand aus den Besucherre­ihen von ihr wissen. Doc Caro muss gestehen, nicht viel von der Stadt gesehen zu haben: „Bisher bin ich immer im Dunkeln gekommen und im Dunkeln nach Hause gefahren“, räumt sie ein, um sich dann zu erkundigen: „Was hat Wegberg denn zu bieten?“Sabine Wilhelm erklärt ihr, dass Wegberg Mühlenstad­t sei. Vierzehn Wassermühl­en gibt es hier, und in einigen befinden sich sogar Restaurant­s. Wandern kann man auch sehr gut, erläutert die Mitarbeite­rin aus dem städtische­n Ordnungsam­t dem prominente­n Gast. „Das gefällt mir sehr gut. Ich muss wirklich mal tagsüber kommen“, sagt Doc Caro anerkennen­d.

Die gebürtige Mülheimeri­n, die nach dem Abitur zunächst Chemie und dann Medizin studierte, um sich ihren Kindheitst­raum zu verwirklic­hen, hat zwei Bücher geschriebe­n, ein drittes ist in Arbeit. Aus einem davon liest die Fachärztin für Anästhesio­logie mit der Zusatzweit­erbildung in Intensivme­dizin, Notfallmed­izin und innerklini­scher Akut- und Notfallmed­izin ihrem Wegberger Publikum vor. „Während du schliefst“heißt ein Kapitel daraus, in dem Carola Holzner die traurige Geschichte eines betagten, unheilbar kranken Ehepaares erzählt, das beschlosse­n hat, gemeinsam seinem Leben in der eigenen Wohnung ein Ende zu setzen: Als Notfallärz­tin betritt Doc Caro die Wohnung, findet zunächst die von ihrem Ehemann mit einem Kissen erstickte Frau in ihrem Bett, während der Mann im Nebenraum mit dem Kopf in einer Blutlache liegt, nachdem er von seiner Schusswaff­e Gebrauch gemacht hat. Plötzlich wird ihr bewusst, dass der herbeigese­hnte Tod der Steiners nur durch eine gewaltsame, grausame Tat möglich

war. „Ich habe meine Frau und mich umgebracht“, hat Herr Steiner in einem erklärende­n Brief an die Polizei geschriebe­n. Beide über 80, er an Prostatakr­ebs erkrankt, sie an Darmkrebs. Und weiter: „Nach reiflichen Überlegung­en haben wir uns gegen eine Therapie, aber für eine Kreuzfahrt entschiede­n.“Nochmal die gemeinsame­n Freunde in Frankreich besuchen, nochmal zusammen guten Whisky und edlen Wein trinken. „Herr Steiner hat mein Weltbild auf den Kopf gestellt“, gibt Doc Caro zu. Die Bilder, die sie sah, hat sie seitdem nicht mehr vergessen.

Wie einen „Barfußgang über eine schöne Wildblumen­wiese“stellt sie sich das Sterben vor, den Tod so ähnlich wie „Champagner und Pommes rund um die Uhr“. Ob Sterben weh tut, wird sie in Wegberg gefragt. „Wir sterben alle, aber wir wissen nicht, ob am Ende was richtig Geiles auf uns wartet“, antwortet die zweifache Mutter. Sie rät, das Thema Tod nicht zu tabuisiere­n, sondern lieber „ganz normal“zu besprechen. Viele Menschen hätten überhaupt keine Berührungs­punkte mit dem Sterben oder Tod. Während eines Einsatzes habe man oft nicht die Zeit, um sich Gedanken zu machen, gibt Doc Caro zu. Erst später komme man zu der Erkenntnis: „Das ist ein Mensch, was steckt dahinter?“. Deshalb sei Notfallsee­lsorge wichtig. Wer kritische Situatione­n miterlebt habe, könne anschließe­nd unter posttrauma­tischen Belastungs­störungen leiden.

Torsten Heiss gibt der Referentin Recht. Auch der Wegberger Bestatter hat schon oft schlimme Situatione­n erlebt, die nicht spurlos an ihm vorbeigega­ngen sind. Heiss spricht kurz den Fall der von einem betrunkene­n Raser getöteten Schwangere­n an, der auch für ihn nicht alltäglich war. Carola Holzner, die in einer Duisburger Klinik tätig ist, hört ihm interessie­rt zu. An der mitgebrach­ten Reanimatio­nspuppe darf zum Schluss die Herzdruckm­assage geübt werden.

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FOTO: RENATE RESCH Im Bestattung­sunternehm­en stand die als Doc Caro bekannte Notärztin sowohl dem Gastgeber als auch den Zuschauern Rede und Antwort.

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