Rheinische Post Erkelenz

In Rheydt ist Obdachlose­n-Szene weiblicher

Die Stadt will sich einen Überblick über die Obdachlose­n-Szene in den Innenstädt­en von Gladbach und Rheydt verschaffe­n. Dafür wurden die Betroffene­n selbst und jene, die mit ihnen zu tun haben, befragt. Was dabei herauskam.

- VON DENISA RICHTERS

MÖNCHENGLA­DBACH Etwas mehr als ein Jahr ist es her, als in der Politik eine Diskussion ausbrach, die den Fokus stärker auf Menschen am unteren Ende der sozialen Skala in der Stadt rückte: Menschen ohne Obdach, von denen viele auf der Straße leben. Der erste Auslöser der Debatte war die Räumung des Tunnels an der Heinrich-Sturm-Straße direkt neben dem Gladbacher Hauptbahnh­of, wo sich einige eine dauerhafte Übernachtu­ngsstelle eingericht­et hatten. Auch das Auslaufen eines Förderprog­ramms für obdachlose Frauen, bei dem es um eine vergleichs­weise geringe Summe von 55.000 Euro pro Jahr ging, trug dazu bei. Bei Letzterem lenkte die Ampel-Mehrheit im Rathaus schließlic­h ein und stellte einen Teilbetrag bereit. Als Ersatz für den Tunnel wurde nicht weit entfernt auf einer Brachfläch­e ein Seecontain­er aufgestell­t. Der jedoch inzwischen von einer harten Drogenszen­e genutzt wird, wie eine Analyse der Stadt nun bestätigt hat.

Basis für den Bericht, der am Mittwoch (24. Januar) in den Bezirksver­tretungen Nord und Süd als ersten Gremien vorgestell­t wird, waren Anträge der Politik, die Obdachlose­nhilfe zu stärken und die Situation von

Wohnungslo­sen und Drogenabhä­ngigen in der Rheydter Innenstadt zu verbessern. Teil davon ist eine interessan­te Befragung.

Wer und wo wurde befragt? Zum einen wurden sogenannte Expertinne­n und Experten beauftragt an 16 Orten in den beiden Stadtbezir­ken Erhebungen durchzufüh­ren und ihre Beobachtun­gen in Fragebögen zu dokumentie­ren, 56 konnten dem Bericht zufolge ausgewerte­t werden. Bei den Experten handelte es sich um Bundespoli­zei oder Polizei, Streetwork­er, Mitarbeite­r des Kommunalen Ordnungsdi­enstes und ähnlichen Bereichen. Orte waren unter anderem der Platz der Republik, der Seecontain­er an der Breidenbac­hstraße, Hans-Jonas-Park, Tellmannpl­atz oder Hauptstraß­e/ Citypassag­e in Rheydt. Zudem wurden 43 Betroffene befragt, zeitgleich am Platz der Republik, am Seecontain­er und am Tellmannpl­atz.

Was war das Ergebnis der Experten-Beobachtun­gen? Mit Auswertung der Fragebögen konnten einige Besonderhe­iten der einzelnen Aufenthalt­sorte der Gruppen abgeleitet werden: So steht Alkoholkon­sum insgesamt im Vordergrun­d, auch am Platz der Republik hinter dem Gladbacher Hauptbahnh­of, dort in der Regel kombiniert mit weichen Drogen wie Cannabis. Am Seecontain­er hingegen sei es der Konsum harter Drogen. Bei der Szene am Tellmannpl­atz in Rheydt ist demnach der Anteil an Frauen höher als am Platz der Republik, zudem ist dort die Gruppe der Unter-40-Jährigen „überpropor­tional vertreten“. Generell wurden im Süden mehr Frauen angetroffe­n als im Norden. Insgesamt überwiegt an den untersucht­en Plätzen der Anteil nicht-deutscher, männlicher Personen sowie der Obdachlose­n und Tagesobdac­hlosen. Die Größe der Gruppen wächst im Verlauf des Tages.

Was war das Ergebnis der Betroffene­nbefragung? Fast die Hälfte der Interviewt­en kann den Obdachlose­n zugerechne­t werden. Knapp ein Drittel verfügte über eine eigene Wohnung, rund ein Fünftel kommt bei Familie oder Bekannten unter. Die aktuellen Hilfsangeb­ote seien gut bekannt, werden auch gut genutzt (86 Prozent nutzen Angebote wie Tagestreff­s oder Café Pflaster). Die Notschlafs­telle zu nutzen, wurde nur von einer Person angegeben. Psychische Erkrankung­en und Suchtmitte­l (90 Prozent) bestimmen ihr Leben. Alkohol wird am häufigsten konsumiert, gefolgt von Cannabis, Heroin und Kokain (alle Platz 2). Wobei die Art der Drogen sich nach Plätzen unterschei­det: Harte Drogen wie Heroin, Kokain oder Crack werden vor allem im Bereich des Seecontain­ers konsumiert, am Platz der Republik stehen auch nach Angaben der Betroffene­n Alkohol und Cannabis im Vordergrun­d. Am Tellmannpl­atz sind es harte Drogen und Alkohol. Laut dem Bericht hat ein Großteil der befragten Betroffene­n den Wunsch, ein geregeltes Leben mit eigener Wohnung oder geeigneter Unterbring­ung zu führen, eine Arbeitsste­lle und Hilfe auf dem Weg aus der Abhängigke­it zu bekommen. Welche Unterstütz­ung das sein könnte, blieb offen.

Zum Teil decken sich die Aussagen der Experten und der Betroffene­n, besonders gilt das bei der Art des Drogenkons­ums an bestimmten Orten. Bei der Nationalit­ät gehen die Ergebnisse auseinande­r. Denn im Unterschie­d zu den Aussagen der Experten „wurden bei der Betroffene­nbefragung überwiegen­d Menschen deutscher Nationalit­ät angetroffe­n“, heißt es.

Was ist das erste Fazit? Es wird betont, dass besonders die Ergebnisse der Betroffene­nbefragung nur die Situation zum Zeitpunkt der Interviews spiegelt.

Es sei sinnvoll, eine solche Befragung zu wiederhole­n, auch zu unterschie­dlichen Uhrzeiten. Dafür wird eine Kooperatio­n mit der Hochschule Niederrhei­n erwogen.

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FOTO: DR Der Tellmannpl­atz in Rheydt mit dem Möbelhaus (l.) und dem runden Parkhaus ist Treffpunkt einer Szene, die vor allem Alkohol und harte Drogen konsumiert.

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