Nicolas sorgt für spezielles Torwart-Problem
Der 26-Jährige hat sich mit seinen Leistungen für einen Job als dauerhafte Nummer eins beworben. Für Borussia ist die Situation heikel.
Für Moritz Nicolas war es ein gebrauchter Abend: Gegen den FC Augsburg hielt Gladbachs Torwart alles, was zu halten war – und ging am Ende trotzdem als Verlierer vom Platz. Mit seiner Parade beim Schlenzer von Iago hatte Nicolas in der Schlussphase die endgültige Entscheidung verhindert, in der Anfangsphase war es seine Flugeinlage nach dem Kopfball von Ruben Vargas, die dafür sorgte, dass Borussia nicht früh einem Rückstand hinterherlaufen musste.
1,93 Gegentore hat Nicolas in dieser Saison in 16 Bundesligaspielen im Schnitt kassiert, unglücklich sah er lediglich bei dem verschuldeten Elfmeter im Derby beim 1. FC Köln (1:3) und beim Missverständnis mit seinen Vorderleuten beim 2:2 gegen Werder Bremen aus. Ansonsten spielt Gladbachs Nummer zwei als langfristiger Vertreter der verletzten Nummer eins, Jonas Omlin, eine souveräne Saison und ist der Rückhalt einer Mannschaft, die in dieser Spielzeit ligaweit mit 116 Schüssen aufs Tor die meisten aller Teams zugelassen hat. Selbst Mannschaften wie Mainz (72 zugelassene Schüsse) und Köln (94), die tief im Abstiegskampf stecken, kommen da deutlich besser weg.
Gegen Augsburg zeigte Nicolas unter anderem sein Können auf der Linie – ein Bereich, der neben der Strafraumbeherrschung und Sicherheit bei hohen Bällen zu seinen Stärken gehört. „Wir freuen uns immer über gute Leistungen einzelner Spieler. Wir finden, dass eine Entwicklung bei Moritz stattfindet. Er hat sich extrem gesteigert im Spielaufbau“, sagte Gerardo Seaone nach der 1:2-Niederlage gegen Augsburg. „Er ist im Moment ein ganz wichtiger Rückhalt für uns. Gemeinsam mit ihm und allen anderen müssen wir es schaffen, weniger Gegentore zu bekommen.“
Bei beiden Augsburger Gegentoren war Nicolas chancenlos, entsprechend ärgerte sich der Keeper über die Passivität seiner Vorderleute, die zu Beginn der zweiten Halbzeit an die Anfangsphase erinnerte, in der der FCA den Ton im Borussia-Park bis zur Unterbrechung nach zwölf Minuten angab. „In der zweiten Halbzeit hatten wir eine Phase, in der wir total gepennt haben. Das darf uns nicht passieren. Uns hat die Schärfe in den Aktionen gefehlt. Wir waren nicht richtig da“, sagte Nicolas.
Die gezeigten Leistungen der vergangenen Monate haben Nicolas‘ Selbstvertrauen gestärkt, ein Typ für große Kampfansagen ist er aber nicht. Es sei abgesprochen, ließ Seoane zuletzt wissen, dass Omlin ins Tor zurückkehren werde, sobald er wieder fit ist – doch dann bekommt Borussia ein Torwart-Problem der etwas anderen Art. Omlin würde sofort stark unter Druck stehen und wäre in der Pflicht, zu liefern – mindestens so gut, wie es Nicolas zuletzt getan hat. Fraglich ist noch der Zeitpunkt einer OmlinRückkehr, ursprünglich war diese für Januar vorgesehen, mittlerweile scheint ein Comeback vor März nicht realistisch, zumal es bis dahin keinen Rückschlag mehr geben darf.
Wenn Omlin ab dem Zeitpunkt X bis zum Saisonende im Tor der Gladbacher steht, kommt im Sommer eine weitere wichtige Entscheidung
auf Borussia zu: Denn Nicolas als Nummer zwei zu halten, wird für diesen keine Option sein, zu effektiv war die Eigenwerbung der vergangenen Monate. Omlin dürfte sich ebenfalls nicht mit der Vertreter-Rolle zufriedengeben, während Nicolas es auch aufgrund einer geringeren Ablöse leichter hätte, einen neuen Verein zu finden. Denn eine weitere Saison als Nummer eins in der Bundesliga oder einer anderen
ersten Liga dürfte dem 1,93 Meter großen Torwart sicher sein – wenn nicht in Gladbach, dann woanders, daran würde im Zweifel auch der bis 2026 laufende Vertrag bei Borussia nichts ändern.
Gleichzeitig ist das Risiko beträchtlich, weiter auf Omlin zu setzen, vor allem aufgrund seiner Verletzungsanfälligkeit, die ihn bereits auf vorherigen Stationen begleitete. Im schlimmsten Fall könnte Gladbach im Herbst ohne den abgewanderten Nicolas und mit einem verletzten Omlin dastehen. Schon nach seiner Verpflichtung vor genau einem Jahr als Nachfolger Yann Sommers fiel Omlin in der Rückrunde zweimal mit Oberschenkelproblemen aus, verpasste vier Pflichtspiele, ehe ihn im vergangenen Sommer die Schulterproblematik einholte. Erst Anfang September fiel die Entscheidung für eine Operation – rückblickend ging dadurch wertvolle Zeit verloren.
Seitdem profitiert Nicolas von wöchentlicher Spielzeit, Borussia von seinen Leistungen. Die Thematik, wie Gladbach die Torwartfrage elegant lösen will, ist eine, die den Klub früher oder später beschäftigen wird. So oder so: Nicolas darf sich schon jetzt als ein Gewinner der Saison fühlen – auch wenn er mit dem Team öfter verliert.