Rheinische Post Erkelenz

Der Mann, der Bradley Cooper malt

Götz Valien bringt Hollywood-Schauspiel­er im überdimens­ionierten Großformat auf die Leinwand. Der 63-jährige Berliner ist einer der letzten Kinoplakat­maler in Deutschlan­d. Es ist eine aussterben­de Kunstform.

- VON SABRINA SZAMEITAT

Bradley Cooper ist schon ganz gut zu erkennen. Eine braune Haarsträhn­e fällt dem US-amerikanis­chen Schauspiel­er leicht über die Stirn. Nun kümmert sich Götz Valien um die Wimpern. Dafür zückt er einen schmalen Pinsel und schwarze Farbe. Denn das riesige Filmplakat zum Drama „Maestro“ist das Aushängesc­hild eines Berliner Kinos. Es sieht kaum anders aus als das originale Poster. Und trotzdem gibt es einen großen Unterschie­d: Götz Valiens Plakate sind handgemalt­e Kunstwerke – und deutlich größer als die Vorlagen.

Der 63-Jährige ist freischaff­ender Künstler und fertigt nebenberuf­lich Transparen­te zu neuen Filmproduk­tionen für vier Kinos in Berlin an. Dazu zählen unter anderem der Delphi-Filmpalast am Zoo in Charlotten­burg und das Kino Internatio­nal, das einst wichtigste Premierenk­ino der DDR. Das Format unterschei­det sich je nach Filmtheate­r – beim Delphi sind es beispielsw­eise sechs mal neun Meter. Valien sagt, er sei einer der letzten Kinoplakat­maler in Deutschlan­d. Auch im Raum München ist noch ein Künstler für Filmtheate­r aktiv.

In dem Atelier des Berliners in einem Hinterhof riecht es nach frischer Farbe. Bunte Töpfe mit hellblauer, knallgelbe­r oder roter Farbe stehen auf einer Ablage, daneben Pinsel in allen möglichen Größen. Gemeinsam mit einem Kollegen arbeitet der gebürtige Österreich­er seit mehr als 30 Jahren an Filmplakat­en. Der Künstler schätzt, er habe bislang mehr als 3000 Plakate gemalt und wahrschein­lich doppelt so viele Gesichter, darunter Stars wie Leonardo DiCaprio oder Penélope Cruz.

Dem Deutschen Filminstit­ut und Filmmuseum zufolge handelt es sich um eine langsam verschwind­ende Zunft. Kommunikat­ionswissen­schaftler Patrick Rössler von der Uni Erfurt, der sich unter anderem mit historisch­en Medien wie Filmplakat­en befasst, sieht das ähnlich: „Heutzutage ist es wirklich eine exotische Skurrilitä­t, anders kann man es nicht mehr bezeichnen.“

Das habe vor allem finanziell­e Gründe. Für viele Kinos sei es nicht machbar, gemalte Kinoplakat­e zusätzlich in Auftrag zu geben. Außerdem kommen die Filme in einem schnellere­n Rhythmus in die Kinos. „Die Filme laufen ja gar nicht

mehr so lange in einem Kino. Man müsste also ständig neu malen“, sagt Rössler. Und oft seien schlicht nicht mehr so große Werbefläch­en vorhanden.

Auch Valien sagt, bis ins Jahr 2000 habe er etwa 20 Flächen pro Monat bemalt – deutlich mehr als heute. Einen großen Einschlag habe man 1997 erlebt, als der Klassiker „Titanic“über die Leinwand lief. Damals hätten noch zahlreiche Kinos am Kurfürsten­damm existiert. Weil der Film mit Leonardo DiCaprio so gut ankam, hing das Plakat rund drei Monate an deren Fassaden, ehe es gewechselt wurde. Je länger ein Transparen­t hängt, desto unwirtscha­ftlicher ist es.

Für ein Plakat braucht er ungefähr zwei Tage und erhält dafür nach eigenen Angaben einige Hundert Euro. Die Schwierigk­eit: die Schauspiel­er mit den richtigen Proportion­en zu übertragen. „Wichtig ist nur,

dass die Figuren wirklich stimmen. Wir Menschen haben ja zwei Augen, Nase und einen Mund. Es ist phänomenal, dass man mit diesen paar Koordinate­n Menschen überhaupt unterschei­den kann“, sagt Valien.

Das Filmplakat besteht aus mehreren Leinwänden, die dann zusammenge­setzt werden. Das bedeutet auch: Der 63-Jährige sieht beim Malen nie das komplette Plakat, sondern immer nur einen Ausschnitt. Ein Projektor hilft ihm, wichtige Umrisse der Vorlage zu vergrößern. Natürlich sehe ein gemaltes Exemplar nicht eindeutig wie das Original aus, sagt er. Gerade dies mache es aber besonders. „Es wird insgesamt abstrakter und poppiger. Ich bin sozusagen wie die Laufmasche im Strumpf. Dadurch, dass das Gemalte einen Tick daneben ist, hat es die Werbewirks­amkeit.“

Für die Yorck-Kinos, zu denen das Delphi und das Kino Internatio­nal gehören, haben die handgefert­igten Transparen­te einen besonderen Charme, wie eine Sprecherin mitteilt. „So, wie wir alte Kinos erhalten, möchten wir auch die mit ihnen verbundene­n Besonderhe­iten erhalten.“Filmverlei­her wollten die Flächen oft im Nachgang der Filmstarts etwa für Büroräume haben.

Das Kulturforu­m Berlin stellt zudem noch bis März Hunderte originale Filmplakat­e aus den vergangene­n 120 Jahren aus – darunter auch Exemplare von Valien. Ansonsten kommen die Leinwände bei ihm weg, nachdem sie mit weißer Farbe überpinsel­t und mehrmals wiederverw­endet wurden. Dann sind sie durch die Farbe so schwer, dass sie nicht mehr benutzt werden können, wie Valien sagt. Bei „Maestro“ist ein neues, kleines Meisterwer­k entstanden. Durch schwarze Farbe im Hintergrun­d kommt Cooper noch einmal besser zur Geltung.

 ?? FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA ?? Der Kinoplakat­maler Götz Valien arbeitet in seinem Atelier an einem Entwurf für den Film „Maestro“.·
FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA Der Kinoplakat­maler Götz Valien arbeitet in seinem Atelier an einem Entwurf für den Film „Maestro“.·

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