Tausende gegen Rechtsextremismus
Der Sonnenhausplatz war am Donnerstagabend zum Bersten voll. Laut Polizei waren rund 5000 Menschen dem Aufruf des Bündnisses „Mönchengladbach stellt sich quer“gefolgt, um gegen Faschismus und für Demokratie zu demonstrieren.
350 Teilnehmer hatte das Bündnis „Mönchengladbach stellt sich quer“(MSSQ) angegeben, als es die Demonstration gegen Faschismus vergangenen Woche bei der Polizei angemeldet hatte. Doch schnell ist an diesem Abend klar, dass es deutlich mehr werden. Der Sonnenhausplatz füllt sich mit Tausenden Protestierenden. Von der Hindenburgstraße, von der Stepgesstraße und aus anderen Richtungen strömen immer mehr Menschen zur Kundgebung herbei. Die Menge reicht bis in den Hans-Jonas-Park und auf die Treppen des Einkaufszentrums Minto.
Familien mit Kindern sind ebenso dabei wie Jugendliche, Studierende oder Senioren. Nach Schätzungen der Polizei sind es etwa 5000 Demonstrierende, die Organisatoren gehen von 7000 aus. Vom Regen, der immer wieder einsetzt, wollen sie sich nicht abhalten lassen. „Nein zur AfD“, „Rassismus ist keine Alternative“und „Nie mehr, das habe ich meinem Opa versprochen“– solche und ähnliche Botschaften stehen auf den Plakaten.
Schon im Vorfeld hatten viele ihr Kommen zugesagt: Vertreter aller bürgerlichen Parteien, vieler Organisationen und Vereine, der Kirchen, Privatpersonen und Schulklassen. Der Aufruf zur Demo gegen Rechtsextremismus wurde vielfach geteilt – von Borussia Mönchengladbach, dem Volksverein und dem Theater Mönchengladbach beispielsweise. Der Stadtjugendring verschob sogar extra seinen Hauptausschuss, um seinen Mitgliedern die Teilnahme an der Protestaktion zu ermöglichen.
Nach den Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv über ein geheimes Treffen von AfD-Politikern, Neonazis, finanzstarken Unternehmern und einzelnen Christdemokraten mit dem Ziel, Millionen Menschen aus Deutschland auszuweisen, wollen die Teilnehmer ein klares Zeichen setzen: für Demokratie, gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Josephine Gauselmann, Bürgermeisterin und Initiatorin, Oberbürgermeister Felix Heinrichs (beide SPD) und Pfarrer Christoph Simonsen gehören zu den Rednern. In bestimmten Bereichen des Platzes sind sie aber kaum zu verstehen.
Einige auf dem Platz sind erfahren mit Demonstrationen, viele aber auch zum ersten Mal dabei. So wie MarieChristine Mühlen und ihre Schwester Cheryll. „Es ist Zeit, gemeinsam in Mönchengladbach ein Zeichen gegen Faschismus und Menschenfeindlichkeit zu setzen“, betont Cheryll Mühlen. „Wir sind stolz, dass sich so viele aus der Stadt versammelt haben. Da wird man schon emotional.“Die beiden haben eine philippinische Mutter, sind schon oft im Alltag mit Rassismus
konfrontiert gewesen. „Meine Schwester und ich wären betroffen, wenn die AfD und andere Rechte an die Macht kommen und beginnen, alle abzuschieben, die nicht in ihr Weltbild passen.“
„Altstadt-Sheriff“Josef Vitz ist begeistert: „Noch nie habe ich den Sonnenhausplatz so voll erlebt.“Einsetzender Regen schreckt niemanden bei der Demo ab. „Heute herzukommen, ist unsere gute Bürgerpflicht. Das hat etwas mit Anstand zu tun“, sagt Andreas Ochotta vom Projekt 42.
Sabine Reumann hält ein Plakat in die Höhe: „Keine Böcke auf Höcke“steht darauf in Anspielung auf den rechtsextremen AfD-Politiker Björn Höcke. „Die Sprüche kommen von mir, an dem Plakat hat der Künstler drei Tage gearbeitet, er ist aber heute krank geworden“, sagt Reumann und protestiert auch im Namen des Künstlers, Dirk Schillings. Sie ist Förderschullehrerin und sagt: „Bei uns sind all die Menschen, die die AfD nicht möchte.“Alan Tyson-Carter (77) steht mit Sigrid Worms (80) und Renate Otte (81) vor dem Minto. „Meine erste Demo war vor 62 Jahren ,Ban the Bomb‘ gegen Atomraketen“, sagt Tyson-Carter. Er war 28 Jahre lang Offizier in der britischen Armee und betont: „Wir lassen nicht zu, dass das
in Deutschland noch mal so kommt.“
Einige Meter weiter steht eine Familie aus Neuwerk. Ihre Namen wollen sie nicht nennen. „Eine Restangst, dass man zur Zielscheibe wird und etwas passiert, bleibt“, sagt die 46-jährige Mutter. „Trotzdem wollten wir heute zum ersten Mal zu einer Demo gehen, denn es muss etwas getan werden.“Für ihre Söhne, 9 und 11, hat sie Schilder gebastelt. „Nie wieder jetzt“und „Conni redet nicht mit Faschos“steht darauf in Anlehnung an die Hauptfigur aus der Kinderbuchreihe. „Auch die Kleinen sollen lernen, dass es wichtig ist, sich für andere einzusetzen.“
„Ihr seid so viele“, ruft Gauselmann in ihrer Rede. Die Menschen jubeln,
strecken Plakate in die Luft. Gauselmann ruft dazu auf, sich nicht nur auf Kundgebungen gegen Rechtsextremismus und Intoleranz zu stellen, sondern wann immer es möglich sei. „Die neuen Nazis werden nicht entscheiden, wer zu unserem Land gehört und wer nicht“, ruft OB Heinrichs. „Alle, denen die Rechten das Existenzrecht absprechen wollen, sind in Mönchengladbach sicher.“Er kritisiert scharf die „menschenverachtende Ideologie“der AfD. Pfarrer Simonsen gibt zu Beginn seiner Rede zu, dass er als Christ und queerer Mensch Angst vor den aktuellen Entwicklungen habe. „Doch wir müssen uns alle mit klaren Worten zur Wehr setzen.“Die Kirche habe in den 1930er Jahren beim Auf
stieg der Nazis zu lange geschwiegen. „Das darf heute nicht noch einmal passieren.“Der Landtagsabgeordnete Jochen Klenner (CDU) ruft ebenfalls dazu auf, klar Stellung zu beziehen. „Aber wir müssen die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen und ihnen zeigen, dass rechter Hass nicht der richtige Weg und keine Lösung für ihre Probleme ist.“Es folgen weitere Redner, manche von ihnen kritisieren ausschweifend auch die aktuelle Bundesregierung.„Dafür bin ich heute aber nicht hergekommen”, sagt ein Mann und schüttelt verständnislos den Kopf. Vielen anderen scheint es ähnlich zu gehen.
Kurz vor 19.30 Uhr setzt sich der Protestzug in Bewegung. Die Demonstration zieht zum Alten Markt, über Aachener, Viersener und Steinmetz- zur Bismarckstraße. Gegen 20 Uhr kommt sie wieder am Sonnenhausplatz an.
Obwohl die Demo durch die Gladbacher Innenstadt zieht, bleibt es relativ entspannt. In den anliegenden Parkhäusern müssen die Menschen Geduld haben, denn es dauert bis zu 30 Minuten, bis sie rausfahren können. „Das kommt für mich unverhofft“, sagt eine 27-jährige Mutter, die dringend nach Hause musste, um dort den Babysitter abzulösen. Auch die Polizei spricht von einem ruhigen Verlauf.