Trauer um Töff-Töff-Wirt Reinhold Biewald
Überraschend ist der Wirt der Kultkneipe an der Bahnhofstraße in Rheydt gestorben. Das Lokal mit Kiosk war fester Treffpunkt für Borussia-Fans und Biewalds zweites Wohnzimmer. Das galt auch für viele seiner Gäste und die Mitarbeiter.
Die Tür ist verschlossen, an der Glasscheibe hängt ein Zettel: „Wegen Todesfall vorübergehend geschlossen“. Statt Jubel beim Spiel der Borussia, statt der typischen Mischung aus Musik und Gesprächen herrscht seit Sonntag im Töff-Töff an der Bahnhofstraße nur Dunkelheit und Stille. Überraschend ist Reinhold Biewald, Inhaber und Seele der Traditionskneipe, gestorben.
Im Juni 1986 hat Biewald das Töff-Töff eröffnet. Zuerst war es eine kleine Eckkneipe im Rheydter Hauptbahnhof. Schnell entwickelt sich das kleine Lokal für viele Gäste zum zweiten Wohnzimmer. Biewald zapfte für sie nicht nur das Bier. Er hörte ihnen zu und scherzte mit ihnen. Er nahm an ihrem Leben teil. Mit seiner offenen Art machte er seine Kneipe zur Kultkneipe in Rheydt.
Dazu trug auch bei, dass Biewald seine Gäste zu den Jahrestagen seines Lokals mit einer Party beschenkte. Im Mai 2006 feierte er in der Bahnhofshalle das 20-Jährige. Dazu engagierte er den Schlagersänger Bernd Clüver. Einen Riesenauflauf gab es damals vor der Kneipe, weil viele nicht mehr in die Bahnhofshalle reinkamen.
Seitdem feierte Biewald jedes Jahr den Kneipen-Geburtstag mit dem Auftritt eines Stars. Die Steve Young Band war da, Harpo (Movie Star) kam mehrmals, die Lords
spielten hier und auch Graham Bonney („Wähle 333“), mit dem Biewald eng befreundet war, trat öfter im Töff-Töff auf. Biewald war es wichtig, dass sich die Künstler
wohlfühlten, und so ließ er sie immer in einer weißen Kutsche vorfahren. Schon Wochen vorher war er nervös, ob alles klappen würde. Umso glücklicher war er, wenn
dann alle eine gute Zeit hatten: Gäste, Künstler und vor allem sein Team.
Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lagen ihm am Herzen. Mit einigen war er auch privat befreundet. Er habe seinen Leuten viele Freiheiten gelassen, auch selber Ideen für die Kneipe umzusetzen, sagt eine langjährige Mitarbeiterin. Er habe es geliebt, die Leute an der Theke zu necken. Einmal habe er ein Maskottchen des 1. FC Köln, Erz-Rivale der Borussia, an die Theke gesetzt und behauptet, er sei jetzt Fan.
Was in einer anderen Kneipe vielleicht für Ärger gesorgt hätte, wurde im Töff-Töff mit Humor genommen. Obwohl hier mit den Borussen-Fans auch Anhänger aus Köln oder von Schalke gefeiert haben, ist es in den vielen Jahren nicht einmal zu Ärger gekommen. Fußball verbindet, das galt im Töff-Töff.
Nur einmal hat Biewald seinen Humor fast verloren: Als ihm die Deutsche Bahn 2008 die Pacht für die Bahnhofskneipe kündigte. Zuerst dachte er, dass er vor den Trümmern seiner Existenz stünde. Aber dann hat er im Haus gegenüber des Hauptbahnhofs einen Ausweg gefunden. Fast auf den Tag genau 22 Jahre nach der Eröffnung der Bahnhofskneipe eröffnete Biewald mit dem neuen Töff-Töff die erste Kneipe Nordrhein-Westfalens, die nach den damals aufkommenden Vorschriften des Nichtraucherschutzgesetzes gebaut wurde.
Aber Biewald dachte weiter: Er rechnete damit, dass irgendwann das Rauchen in Kneipen ganz verboten würde. Deshalb waren Theke und Trennwände flexibel konzipiert. Es kam so, wie er das vorausgesehen hatte. Ganz besondere Freude hatte Biewald an dem Kiosk, der Teil seines neuen TöffTöff war. Wenn die Borussia spielte, stand er immer persönlich am Ausschank – bis zuletzt. Wie es mit dem Töff-Töff weitergeht, ist noch nicht klar. Reinhold Biewald wurde 74 Jahre alt.