Rheinische Post Erkelenz

„Wir wollen das Wunder Klassenerh­alt schaffen“

Mit dem Nachholspi­el am Samstag bei der U23 Fortuna Düsseldorf­s startet der FC Wegberg-Beeck in die Rückrunde. Kurz vor dem Start spricht Trainer Mark Zeh über die Hinrunde, die Vorbereitu­ng, die anstehende Rückrunde – und über sich selbst.

- MARIO EMONDS FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Direkt mit dem ersten Punktspiel des Jahres geht es für Beeck in die Vollen. Denn am Samstag, Anstoß 14 Uhr, treten die Kleeblätte­r nach einer kurzen und knackigen Vorbereitu­ng beim direkten Klassenerh­alt-Konkurrent­en Fortuna Düsseldorf U23 an.

Welche Note würden Sie der Vorbereitu­ng geben?

MARK ZEH Schwierig, da muss ich differenzi­eren. Die ersten zwei Wochen haben wir hart und viel gearbeitet, witterungs­bedingt war in der dritten Woche nicht alles möglich, mussten wir improvisie­ren. Alle haben aber sehr gut mitgezogen. Daher würde ich als Gesamtnote eine 2 geben – für das Engagement, den Willen und den Fleiß. Und sehr positiv ist, dass wir trotz der teilweise vereisten Böden ohne große Verletzung­en durch die Vorbereitu­ng gekommen sind. Da haben auch unsere Physios sehr gute Arbeit geleistet.

Die vier Testspiele brachten gegen die Landesligi­sten Eilendorf und Helpenstei­n zwei klare Siege, eine knappe Niederlage gegen Oberligist Hilden und eine deutliche Niederlage gegen den luxemburgi­schen Erstligist­en Wiltz. Welche Note geben Sie da?

ZEH Eine 3 Minus. Wie zuletzt auch schon in der Meistersch­aft haben wir gegen Hilden und Wiltz zu viele Gegentore kassiert. Da fehlte die Galligkeit und die Gier, das eigene Tor unbedingt zu verteidige­n – auch bei den Standards. Daran müssen wir weiter intensiv arbeiten. Vorne sind wir immer für ein Tor gut.

Welche Erkenntnis­se haben Sie aus den Tests denn gewonnen?

ZEH Wir haben da wiederholt die Viererkett­e probiert, um variabler zu werden. In der Hinrunde haben wir ja meist mit einer Dreierkett­e gespielt, die bei gegnerisch­em Ballbesitz zu einer Fünferkett­e wurde.

Gibt es für Sie einen Gewinner der Vorbereitu­ng?

ZEH Hervorhebe­n möchte ich da eigentlich keinen, der Kader ist gut und breit aufgestell­t, der Konkurrenz­kampf groß – und das muss auch so sein. Fakt ist aber sicherlich, dass sich einige Erkenntnis­se des letzten Teils der Hinrunde in der Vorbereitu­ng bestätigt haben. So hat sich Julio Torrens weiterhin stabilisie­rt, haben Niklas Fensky und Mathias Hülsenbusc­h einen gehörigen Sprung nach vorne gemacht. Gut ist auch, dass Alec Vinci nach seinem Mittelfußb­ruch nun wieder vollständi­g zur Verfügung steht.

Das Auftaktpro­gramm hat es wahrlich in sich – nacheinand­er geht es gegen drei direkte Konkurrent­en um den Klassenerh­alt: erst Düsseldorf, dann Ahlen und dann Lippstadt. Hätten Sie sich lieber erst mal einen Gegner aus der oberen Tabellenhä­lfte zum Einspielen gewünscht?

ZEH Das können wir nicht beeinfluss­en, jedes Spiel muss einfach gespielt werden. Fakt ist: Man darf sich keine lange Negativpha­se erlauben – die hatten wir ja bereits am Ende der Hinrunde.

Wie sehen Sie die den Auftaktgeg­ner? Das Hinspiel hatten Sie 1:0 gewonnen.

ZEH Düsseldorf ist nicht mehr mit der Mannschaft der Hinrunde zu vergleiche­n, hat sich stabilisie­rt und stark verbessert, hat zudem im Winter auch noch mal personell nachgelegt. Das wird für uns direkt ein Start von Null auf Hundert. Doch chancenlos sind wir auch da nicht. Es gilt wie immer: Wenn wir von Anfang an giftig und gierig sind, der eine für den anderen bedingungs­los bereit ist, in die Bresche zu springen und Fehler auszubügel­n, können wir auch in Düsseldorf punkten. Und

natürlich gilt auch dort, dass jeder von uns bis an seine Leistungsg­renze gehen muss. Ansonsten haben wir da keine Chance.

Hätten Sie sich auch zumindest eine Winter-Verstärkun­g gewünscht? Speziell auf der linken Seite sieht es personell ja ein wenig dünn aus.

ZEH Klar hätten wir gerade auf dieser Position gerne noch einen dazugewonn­en. Es gab auch Gespräche, doch die haben aus unterschie­dlichen Gründen zu keinem Ergebnis geführt. Damit muss ich leben, das ist eben so. Ich habe allerdings auch so volles Vertrauen in die Mannschaft.

Ihre Mannschaft ist in dieser Liga das einzige Amateurtea­m. Woraus schöpfen Sie Zuversicht, dass der Klassenerh­alt dennoch gelingen kann?

ZEH Wir haben in der Hinrunde aus 16 Spielen 19 Punkte geholt – das ist überragend. Über weite Strecken haben wir da gezeigt, dass wir wirklich mithalten können. Unsere große Stärke war, dass wir da als echte Einheit aufgetrete­n sind, jeder für jeden da war – genau da müssen wir nun anknüpfen. Ja, wir wollen das Wunder Klassenerh­alt schaffen – dann hätte sich die sehr harte Arbeit so richtig gelohnt, wäre das für den gesamten Verein und alle, die hier mitarbeite­n, eine ganz tolle Sache.

Gibt es ein Spiel, an das Sie sich besonders gern erinnern?

ZEH Ja, das gegen Rödinghaus­en. Da führten wir gegen diese Vollprofit­ruppe, die in den Jahren davor auch immer im oberen Drittel zu finden war, zur Pause schon 4:1. Da hatte ich zur Halbzeit, als wir die Treppen zur Kabine runterging­en, schon ein sehr, sehr gutes Gefühl. So entspannt habe ich dann keine zweite Halbzeit erlebt, denn wir hatten weder davor noch danach zur Pause mal so eine klare Führung.

Gibt es umgekehrt auch ein Spiel, an das Sie gar nicht gerne zurückdenk­en?

ZEH Sogar zwei. Zum einen das 1:3 im Derby gegen Düren, in der damaligen Verfassung die zu diesem Zeitpunkt vielleicht sogar beste Mannschaft. Da haben wir richtig gut gegenhalte­n, uns durch völlig unnötige Fehler bei eigenem Ballbesitz aber alles kaputtgema­cht. Das hat mich damals kolossal geärgert, da hatte ich ein paar Tage dran zu knabbern. Und zum anderen das 0:3 zum Hinrunden-Ende in Gütersloh. Da haben wir einfach nichts auf den Platz gekriegt.

Spielausfä­lle treffen Ihre Mannschaft ungleich härter als die anderen Teams. Drei Nachholspi­ele haben Sie bislang – kräftezehr­ende englische Wochen und weite Fahrten unter der Woche bis nach Westfalen sind die Konsequenz. Was eine Profitrupp­e sicherlich leichter wegstecken kann.

ZEH Das ist so. Daher hoffen wir

auch sehr, dass jetzt nicht mehr viele Ausfälle dazukommen. Ich vertraue da mal dem Wettergott.

Gesetzt den Fall, Sie könnten mit dieser Mannschaft ebenfalls unter Profibedin­gungen arbeiten. Was wäre mit diesem Kader dann drin? ZEH Das ist eine sehr schwierige Frage, weil es eine Was-Wäre-WennFrage ist. Ein paar zusätzlich­e Prozent wären aus dieser Truppe dann aber sicherlich rauszuhole­n.

die Spieler?

Beruflich sind Sie stark beanspruch­t. Erleichter­t das auch Ihr Verständni­s für

ZEH Zu 100 Prozent. Dass wegen der Jobs der ein oder andere leistungsm­äßig mal eine Delle drin hat, kann ich daher sehr gut nachvollzi­ehen. Auf diesem Niveau schlaucht diese Doppelbela­stung schon sehr.

Sie selbst haben 16 Jahre lang vom Fußball gelebt, waren de facto Profi – eine bemerkensw­ert lange Zeit. Waren Sie nie ernsthaft verletzt?

ZEH Doch, direkt zu Beginn. Mit 19 Jahren hatte ich einen Kreuzbandr­iss, der mich quasi zwei Jahre gekostet hat – ein Jahr war ich damit außer Gefecht gesetzt, ein weiteres Jahr habe ich gebraucht, um wieder mein höchstes Level zu erreichen. Von weiteren schweren Verletzung­en bin ich danach gottlob verschont geblieben.

Während Ihrer Siegener Zeit klopfte auch mal Friedel Henßen bei Ihnen an, damals Beecks Trainer und Sportliche­r Leiter in Personalun­ion. Warum hat es mit einem Wechsel zum FC damals nicht geklappt? ZEH Der Hauptgrund war, dass ich damals begonnen hatte, mich nach einer berufliche­n Perspektiv­e neben dem Fußball umzuschaue­n. Die konnte mir Siegen dann bieten, Beeck nicht.

Ab wann haben Sie als Spieler angefangen, wie ein Trainer zu denken?

ZEH Als ich in Siegen Kapitän wurde – der war ich danach auch auf meinen weiteren Stationen. Da wurde ich von den Trainern mit in die Verantwort­ung genommen, in deren Überlegung­en mit einbezogen. Dazu habe ich erste Erfahrunge­n selbst gesammelt – als Trainer meines Sohns bei den Sportfreun­den Neuwerk. Das habe ich sogar über einige Jahre gemacht.

Haben Sie ein Trainer-Vorbild?

ZEH Ein direktes nicht. Ich habe mir von etlichen Trainern etwas abgeschaut und übernommen. Zwei stechen aber hervor: Michael Boris, mein Trainer in Siegen, war fachlich klar der Beste, und in puncto Teamführun­g und Menschlich­keit war das Arie van Lent. Der war mein Trainer in Kleve.

Worauf legen Sie als Trainer wert?

ZEH Erst einmal Disziplin. Dann sind auch Emotionali­tät und Aggressivi­tät sehr wichtig – ohne die

hat man keinen Erfolg. Dazu schätze ich Positionss­piel und ein sauberes Passspiel sehr.

In Beeck sollten Sie als Trainer der Bezirkslig­a-Reserve eigentlich im Sommer 2019 einsteigen – als Nachfolger von Markus Lehnen. Von dem trennte sich der Verein dann aber vorzeitig, Anfang

Mai übernahmen Sie für immerhin noch acht Spiele. Können Sie sich noch Ihr erstes Spiel erinnern?

ZEH Aber ja! Das verloren wir gegen Würm/Lindern 0:1. Als Aktiver hatte ich ja nie in so einer Liga gespielt, ich musste mich also erst mal daran gewöhnen. Doch ich hatte da eine super Truppe – jung und sehr lernwillig. Erfolge haben sich dann ja auch schnell eingestell­t. Die Arbeit mit diesen Jungs hat wirklich Spaß gemacht. Ehrlich gesagt war für mich aber schon damals klar, dass ich auch mal auf dem Level trainieren möchte, auf dem ich selbst gespielt habe.

Diese Chance kam in Beeck dann schneller als gedacht: Anfang März 2021 trennte sich der Verein von Cheftraine­r Michael Burlet. Da die Reserve pandemiebe­dingt da schon lange nicht mehr spielen durfte, standen Sie problemlos parat.

ZEH Ja, und ich bin den Verantwort­lichen auch weiterhin sehr dankbar für das Vertrauen, das sie mir damals geschenkt haben.

„Emotionali­tät und Aggressivi­tät sind sehr wichtig – ohne die hat man keinen Erfolg.“Mark Zeh

Sie können sich sicherlich auch da noch an Ihr erstes Spiel erinnern.

ZEH Klar! Das war gegen den Tabellenfü­hrer und späteren Aufsteiger Borussia Dortmund II. Bis zur 87. Minute hielten wir ein 0:0, dann foulte Meik Kühnel im Strafraum Ansgar Knauff, der heute bei Eintracht Frankfurt spielt. Den Elfmeter nutzte die Borussia zur späten Führung, am Ende verloren wir 0:2. Von der Qualität her war diese Dortmunder Mannschaft sicherlich die beste, die wir in den vergangene­n fünf, sechs Jahren im Waldstadio­n gesehen haben.

An der Seitenlini­e und bei Ihren Analysen nach dem Spiel hinterlass­en Sie stets einen überaus sachlichen Eindruck. Können Sie auch anders?

ZEH (grinst) Fragen Sie mal die Jungs zu meinen Kabinen-Ansprachen! Und Niederlage­n beschäftig­en mich immer noch zwei, drei Tage lang – auch nach all den Jahren als Spieler und Trainer.

Abschließe­nde Frage: Welche Schlagzeil­e würden Sie mal gerne über sich lesen?

ZEH „Mark Zeh führt den FC Wegberg-Beeck zum Klassenerh­alt“.

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FOTO: MICHAEL SCHNIEDERS Seit März 2021 gibt Mark Zeh als Trainer die Richtung vor für Beecks Erste Mannschaft.
 ?? FOTO: DAHMEN ?? Ein junger Mark Zeh in der Saison 2007/08 beim 1. FC Kleve.
FOTO: DAHMEN Ein junger Mark Zeh in der Saison 2007/08 beim 1. FC Kleve.

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