Neuhaus‘ Grätsche war wie ein Tor
Borussia war in Leverkusen weit weg von einem Torjubel. Florian Neuhaus löste mit einer Rettungsaktion aber etwas Ähnliches aus. Sein Auftritt beim überraschenden 0:0 setzte die Frage nach Neuhaus‘ Zukunft in einen anderen Kontext.
Florian Neuhaus hat beim SV Darmstadt auf 2:3 verkürzt, er hat beim VfL Bochum das 1:0 erzielt, genau wie gegen den FSV Mainz 05 – und er hat bei Bayer 04 Leverkusen das 0:1 verhindert mit einer Grätsche, die wohl genauso wichtig war für Borussia Mönchengladbach, wie es ein viertes Neuhaus-Tor in dieser Saison gewesen wäre. „Es war ein Riesensprint zurück und ein überragendes Tackling. So ein Moment gibt dir noch mehr den Glauben, dass etwas drin ist“, sagte Kapitän Julian Weigl. „Flo hatte keine einfache Zeit, ich finde, er hat überhaupt ein richtig gutes Spiel gemacht – und mit dieser Szene mit den Punkt gewonnen.“
0:0 ging es aus in Leverkusen, im 28. Pflichtspiel der Saison war es überhaupt erst das vierte Unentschieden des in allen Wettbewerben noch ungeschlagenen BundesligaTabellenführers. Da fühlen sich Rettungsaktionen schon mal wie Tore an und ein einzelner Punkt wie drei. Doch Neuhaus ordnete das Ergebnis im Gespräch bei „Sky“sehr realistisch ein. „Der Punkt ist nicht ganz verdient, Leverkusen hatte fast 30 Torschüsse, das sind deutlich zu viele. Aber wir nehmen ihn mit, wir haben alles gegeben und alles reingehauen.“Bayer sei eine „brutal starke Mannschaft“, „ich kann mich nicht erinnern, in letzter Zeit gegen so eine gute Mannschaft gespielt zu haben“, so der 26-Jährige.
Neuhaus hat gegen Mainz ein „Tor des Monats“aus 40 Metern erzielt, sein berühmtester Treffer im Gladbach-Trikot. Er hat mit einem Pass in der Champions League Inter Mailands Abwehr zerschnitten wie ein heißes Messer einen Block Butter, sein legendärer Assist. Die Grätsche gegen Leverkusens Jeremie Frimpong war dann wohl Neuhaus‘ erinnerungswürdigste Defensivaktion. Er selbst schrie seine Freude raus in dem Moment, ballte beide Hände zur Faust und suchte den Kontakt zu den mitgereisten Gladbach-Fans, die mitjubelten, als
würden sie gleich ihr „Döpdöpdöp“wie nach Toren anstimmen.
„So will ich den Flo sehen, nicht nur Schönspielerei nach vorne, sondern diese Zweikämpfe hinten gehören auch dazu“, sagte „Sky“Experte Lothar Matthäus. Nach der guten Leistung und dem ersten Startelf-Einsatz seit Anfang Dezember stellte sich die Frage nach Neuhaus‘ Zukunft unweigerlich in einem anderen Kontext als bisher.
„Erst mal habe ich mich sehr gefreut, heute von Anfang an zu spielen. Ich fühle mich sehr gut, ich bin fit. Wenn ich meine Chance bekomme, will ich sie nutzen“, umging der Mittelfeldspieler zuerst eine konkretere Antwort und sagte dann: „Ich habe hier im Sommer vier Jahre
verlängert, das habe ich nicht ohne Grund gemacht. Ich fühle mich sehr wohl.“
In den vergangenen Wochen gab es Gerüchte unterschiedlicher Ausprägung. Manager Roland Virkus antwortete auf die Frage unserer Redaktion, ob Neuhaus nächste Woche gegen Bayern München – zwei Tage vorher endet die Transferperiode – auf jeden Fall noch Spieler von Borussia sein werde: „Man kann im Leben nie etwas mit Sicherheit sagen. Dass Flo keine leichte Phase hat, das ist so. Er hat heute bewiesen, dass er sich auch gegen Widerstände durchsetzen kann. Das erwarten wir als Klub vom Flo.“
In Leverkusen vertrat er Rocco Reitz, der aufgrund muskulärer
Probleme kaum trainiert hatte und zuvor gegen Augsburg angeschlagen ausgewechselt worden war. Der 21-Jährige kam nach gut einer
Stunde rein und warf sich direkt mit einer Selbstverständlichkeit in die Zweikämpfe, die Neuhaus‘ nächsten Startelfeinsatz gegen Bayern ähnlich ungewiss erscheinen lässt wie seine mittelfristige Zukunft. Trainer Gerardo Seoane konnte die Fragen nach Neuhaus‘ Beitrag zum 0:0 nachvollziehen, wollte aber lieber das Kollektiv loben.
Gegen Bayer war Neuhaus neben Moritz Nicolas, der alle neun Schüsse auf sein Tor parierte, nicht der Match-, sondern der Draw-Winner, der Garant eines überraschenden Unentschiedens. „Er hat heute ein gutes Spiel gemacht“, sagte Virkus. „Die Grätsche war – so wie von allen – solidarisch verteidigt. Das ist eine coole Geschichte.“