Rheinische Post Erkelenz

Wirbelwind Ben macht stetig Fortschrit­te

Ben ist fünf Jahre alt. Seit fast vier Jahren fließt das Mittel Zolgensma durch seinen Organismus, das dem SMA-erkrankten Jungen eine Besserung seiner Symptome verspricht. Und tatsächlic­h: Ben macht stetig Fortschrit­te.

- VON VERA STRAUB

Amadeus schnaubt und senkt den Kopf. Ganz ruhig steht der weiße Wallach in der Reithalle auf dem Panuba-Erlebnisho­f von Gregor Kryk in Uevekoven. Es ist, als wüsste der Schimmel, dass er gleich zum ersten Mal mit Ben ein paar Runden drehen soll. „Sonst ist Ben immer auf der kleinen Lady geritten“, sagt seine Mama Malgorzata Herrmann, die in Wegberg als Mag bekannt ist. Sie ist so stolz auf ihren kleinen Jungen, der über das ganze Gesicht strahlt und mit jedem, der ihm begegnet, ein Schwätzche­n hält. „Ben ist das glücklichs­te Kind, das man sich vorstellen kann“, sagt Mag Herrmann. Und das haben sie und ihr Mann Chris sich immer gewünscht. Denn Ben hat einen Gendefekt, eine Krankheit namens spinale Muskelatro­phie (SMA).

Seit vier Jahren kommt sie mit ihrem Sohn – meistens ist auch seine große Schwester Pia dabei – zu Panuba. Zweimal pro Woche erhält Ben dort die tiergestüt­zte Interventi­on. „Der Begriff Interventi­on trifft es besser als Therapie. Wir haben nicht jeden Tag Aufgaben, manchmal spielen wir auch nur“, sagt Gregor Kryk. Denn nicht nur auf dem Pony reiten oder sogar liegen schult die Fein- und Grobmotori­k sowie die Körperhalt­ung. Auch Bälle werfen, mit dem großen Schaumstof­fwürfel würfeln oder die Alpakas im Stehen füttern trainiert den Körper.

„Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es der Reittherap­ie und auch der Schwimmthe­rapie zu verdanken haben, dass Ben bisher keine Skoliose entwickelt hat“, sagt Mag Herrmann, die von keinem Kind mit SMA ohne Skoliose gehört hat.

Zur Erinnerung: Am 15. April 2020 bekam Ben den „Zaubertran­k“namens Zolgensma, für das seine Familie Spenden sammelte, da es zunächst aufgrund der fehlenden Zulassung für Europa so schien, als würde die Krankenkas­se nicht für das 1,9 Millionen teure Medikament aufkommen. Dann aber die Erleichter­ung: Die Zulassungs­empfehlung kam und Ben konnte therapiert werden. „Wir hatten den Betrag in einer Rekordzeit von drei Monaten über Spenden zusammen“, erinnert sich

Mag Herrmann, immer noch überwältig­t von der Hilfsberei­tschaft in Wegberg und weit darüber hinaus. „Das Geld benötigten wir dann ja nicht mehr für das Medikament, also wurde es zunächst zwei Jahre von der Deutschen Muskelstif­tung

verwaltet, was noch einmal um zwei Jahre verlängert wurde. Davon bezahlen wir Bens Reittherap­ie und – eine wirkliche Erleichter­ung – im vergangene­n Jahr einen Fahrstuhl für unser Haus“, sagt Mag Herrmann. Zwei Wochen vor Weihnachte­n

sei er fertig gewesen. „Es sind nur kleine Nuancen, aber Ben ist dadurch selbststän­diger und kann sich freier bewegen. Wir haben eine Regel für unsere Kinder: Was du kannst, machst du auch und wenn du etwas nicht kannst, helfe ich dir.“

Eine Prognose, wie Ben sich entwickelt wird, kann keiner der behandelnd­en Ärzte geben. „Aber wir fahren regelmäßig in die Klinik nach Bonn, wo seine Werte kontrollie­rt werden und wo er regelmäßig denselben Test absolviert. Er hat sich stetig verbessert“, sagt die stolze Mutter. In Bens Alter – er ist jetzt fünf – gibt es allerdings ein Problem: „Bens Knochen wachsen schneller als seine Muskeln. Das merken wir daran, dass er instabil wird, wenn er etwa frei ohne meine Hilfe am Handbarren läuft. Dann warten wir ein paar Wochen und die Muskeln ziehen nach.“Den wirklichen Nutzen von Zolgensma wird die Familie wohl erst erfahren, wenn Bens Wachstum weitestgeh­end abgeschlos­sen ist. Und dabei hat er es faustdick hinter den Ohren und ist ein echter Spaßvogel. „Aber man muss auch aufpassen, weil er so süß und charmant ist. Er wickelt einen schnell um den Finger und kommt womöglich ungeschore­n davon, wenn er mit seinen Freunden oder seiner Schwester Unsinn macht“, sagt Mag Herrmann und lacht. „Für mich ist er das perfekte Kind.“

Bei seiner Entwicklun­g hilft ihm auch die Physiother­apie, die er täglich auf spielerisc­he Weise in der Awo-Kita in Wegberg bekommt. „Wenn ich daran denke, wie ich mich vor vier Jahren gefreut habe, als sein kleiner Zeh gewackelt hat. Und jetzt läuft er frei am Handbarren“, sagt Mag Herrmann. Bei allem seien aber auch elterliche­r Instinkt und Fingerspit­zengefühl gefragt. „Ben ist pfiffig und manchmal ein kleines Schlitzohr. Wenn er sagt, dass er etwas nicht kann, müssen wir immer herausfind­en, ob er es wirklich nicht kann oder einfach nur nicht will.“

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FOTO: RUTH KLAPPROTH Auf dem Panuba-Erlebnisho­f von Gregor Kryk kann Ben sich und seinen Körper stärken. Immer mit dabei: Mama Mag, Schwester Pia (beide links) und die Bewegungsp­ädagogin Yvonne Eirund.

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