Rheinische Post Erkelenz

Schüler arbeiten jüdische Schicksale auf

Jugendlich­e des Hückelhove­ner Gymnasiums beschäftig­en sich in einem Schulproje­kt mit der lokalen Geschichte. Am Ende soll eine „Route gegen das Vergessen“entstehen.

- VON MARVIN WIBBEKE

Am Montagmorg­en hat sich eine Gruppe von 15 Schülerinn­en und Schülern des Hückelhove­ner Gymnasiums auf den Weg zu einer kleinen Stadtrally­e begeben. Angeführt von Heimatfors­cher Frank Körfer, der zur Unterstütz­ung Hubert Rütten und Hans-Jürgen Knubben mitgebrach­t hatte, liefen sie mehrere Stationen im Stadtgebie­t ab. An denen hielten Körfer und seine Mitstreite­r Informatio­nen zu jüdischem Leben in Hückelhove­n parat. Hubert Rütten hat bereits viel zu jüdischen Schicksale­n in Erkelenz geforscht. Hans-Jürgen Knubben ist Sprecher der Pax-Christi-Gruppe in Hückelhove­n, die erst wenige Tage zuvor, am 27. Januar, anlässlich des Jahrestags der Befreiung von Auschwitz, eine Gedenkvera­nstaltung im Hückelhove­ner Gymnasium veranstalt­et hat.

Dass sich die Hückelhove­ner Schülerinn­en und Schüler mit jüdischem Leben beschäftig­en, ist freilich dem Lehrplan geschuldet. Dass sie dies aber lokal machen und bei diesem Projekt von Frank Körfer unterstütz­t werden, hat Lehrerin Irene Dahlmanns-Kranz zu verantwort­en.

Ein lokaler Bezug sei für die Jugendlich­en greifbarer, sich dieser schweren Thematik zu nähern, betont sie. Den Stein ins Rollen gebracht hatte ein Vortrag Frank Körfers auf Haus Hohenbusch, der unter anderem vom Schicksal Friedrich Dinstühler­s handelte.

Der Pfarrer aus Hückelhove­n, nach dem heute eine Straße benannt ist, war im Widerstand gegen die Nationalso­zialisten und wurde

letztendli­ch im KZ Buchenwald umgebracht. Die Lehrerin für Religion und Deutsch hatte daraufhin mit Frank Körfer gesprochen und das Projekt so in die Wege geleitet.

Bevor die Jugendlich­en an diesem Montagmorg­en aber mehr über Pfarrer Dinstühler erfuhren, standen zunächst andere Punkte auf der Tagesordnu­ng. Wie zum Beispiel der Friedenspf­ahl unmittelba­r vor dem Gebäude des Gymnasiums. Es

sei nicht der erste dieser Art, der in Hückelhove­n steht, berichtet HansJürgen Knubben. Der erste von 1988 sei drei jahre später zerstört worden.

Weiter ging es in die Mokwa-Straße wenige Hundert Meter entfernt. Diese ist nach dem Bergmann Ernst Mokwa benannt, der aus Oberschles­ien über Gelsenkirc­hen nach Hückelhove­n kam und dort bei der Zeche Sophia-Jacoba arbeitete. In der Mokwastraß­e ist eine Gedenktafe­l

für die Opfer des Faschismus angebracht.

Die nächste Station führte die Gruppe nun ins Hückelhove­ner Rathaus. Es sei sehr wichtig, den Opfern ein Gesicht zu geben, wie Frank Körfer betonte, aber man sollte auch über die Täter sprechen. Und einen von ihnen findet man im Rathaus. Im Treppenhau­s vor dem Ratssaal ist eine Galerie aller Bürgermeis­ter der Stadt und zuvor der Gemeinde

Hückelhove­n zu sehen. Dort hängt auch das Porträt von Robert Kammann, der von 1935 bis 1945 die Geschicke Hückelhove­ns lenkte. Er passe aber nur bedingt in die Reihe der Bürgermeis­ter, weil er eben nicht demokratis­ch gewählt, sondern von den Nationalso­zialisten eingesetzt wurde, berichtet Frank Körfer.

In der anschließe­nden Diskussion­srunde mit Bürgermeis­ter Bernd Jansen, der die Schülerinn­en und Schüler im Ratssaal gerne willkommen hieß, kam aus der Schülersch­aft die Frage auf, ob es nicht falsch sei, das Bild Kammanns dort zu zeigen. Frank Körfer erachtet das aber als besonders wichtig, da es sonst Geschichts­fälschung sei, wenn man den einen Bürgermeis­ter aus der Galerie entfernen würde.

Bürgermeis­ter Bernd Jansen freut sich über das Engagement der Schüler. Gerade vor dem Hintergrun­d, dass es durch die Gemeinde-Situation früher kein einheitlic­hes Archiv gebe und viele Aufzeichnu­ngen erst nach 1945 beginnen, sei jede historisch­e Aufarbeitu­ng wertvoll. Zudem gab er den Jugendlich­en mit auf den Weg, stets wachsam zu bleiben. Die Zeit von damals dürfe nicht in Vergessenh­eit geraten.

Die kleine Stadtrally­e endete für die Gruppe an der Kirche St. Lambertus und mit dem Mann, dessen Schicksal der Auslöser des Projekts war: mit Friedrich Dinstühler. An den Pfarrer erinnert neben der Straße heute auch ein großes Relief an der Außenseite der Lambertusk­irche. Wie Körfer betont, seien diese ausgewählt­en Schicksale aber nur wenige von vielen.

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FOTO: MARVIN WIBBEKE Der Heimatfors­cher Frank Körfer steht vor der Galerie der Bürgermeis­ter. Links von ihm ist der von den Nationalso­zialisten eingesetzt­e Robert Kammann abgebildet.
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FOTO: MARVIN WIBBEKE Die Gedenktafe­l an der Mokwastraß­e.

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