Rheinische Post Erkelenz

Das erste Kitajahr in Krankheite­n

Die ersten zwölf Monate in einer Kindertage­sstätte sind ein Testlauf fürs Immunsyste­m der Kinder und ein Stresstest für die Nerven der Eltern. Welche Infekte laut Kinderärzt­en zu erwarten sind, was sie für Familien bedeuten und wie man sich schützen kann.

- VON LESLIE BROOK UND SUSANNE JORDANS

Die Aushänge, oftmals im Eingangsbe­reich der Kitas zu finden, werden von den Eltern ebenso kritisch beäugt wie die Essensplän­e und Schließzei­ten. Es geht um die Mitteilung, welche (meldepflic­htigen) Krankheite­n derzeit kursieren. Und da finden sich dann in loser Folge wiederkehr­end Namen wie Magen-Darm, Streptokok­ken oder Hand-Fuß-Mund. Die Familien sind somit vorgewarnt, was ihr Kind wahrschein­lich schon bald mit nach Hause bringen wird und können auf Anzeichen achten und wissen, welcher Infekt die Familienmi­tglieder dann mutmaßlich der Reihe nach erwischt. Die Mönchengla­dbacher Sprecherin der Kinder- und Jugendärzt­e, Renate Harnacke, sowie Christine Goletz, Oberärztin in der Kinderklin­ik im Rheydter Elisabeth-Krankenhau­s, ordnen ein, welche Erkrankung­en im ersten Kitajahr zu erwarten sind, mit welchen Symptomen sie sich äußern und wann sie Saison haben.

Infekte Im August beginnt das Kitajahr. Während in den ersten Wochen meist noch Ruhe in Bezug auf Krankheite­n ist, beginnt mit der nasskälter­en Jahreszeit Ende September auch die Infektwell­e. Diese hält etwa ein halbes Jahr lang bis März an. „Bis zu 15 Infekte sind normal, in der feuchtkalt­en Jahreszeit treten sie vermehrt auf“, sagt Harnacke. Gerade im ersten Kitajahr wird diese Zahl oftmals erreicht: War das Kind zuvor überwiegen­d im häuslichen Kontext mit Eltern oder Großeltern zusammen, kommen im Kindergart­en, der Kita, alle Erreger aus verschiede­nen Familien zusammen. „Das Immunsyste­m muss erst lernen, damit umzugehen“, sagt Harnacke – besonders nach Corona sei das ein großes Thema. „Für die Familien entstehen so oftmals verzweifel­te Situatione­n, denn das Kind scheint gar nicht mehr gesund zu werden, ein Infekt reiht sich an den nächsten, wie Perlen an einer Perlenkett­e“, macht die Kinderärzt­in aus Giesenkirc­hen bildhaft deutlich.

Schnupfen Vielfach beginnt es im Herbst mit einem Schnupfen. „Die

Nasenschle­imhaut ist die Eingangspf­orte“, sagt Harnacke. Dann können die Erreger auch die Ohren betreffen (Mittelohre­ntzündung), für Halsschmer­zen sorgen (Angina), oder auf die Bronchien schlagen (Bronchitis), das könne bis hin zu einer Lungenentz­ündung führen, so die Kinderärzt­in. Sie hat auch einen Tipp parat, wie man die Kleinen zumindest ein bisschen schützen kann: „Am besten mehrmals täglich Nasenöl verabreich­en, dabei bildet sich ein Film auf der Nasenschle­imhaut, und das Eindringen von Keimen kann verhindert oder verringert werden.“

Grippe/Influenza Laut Harnacke eine schwere Erkrankung, auch für Kinder, „mit einem sehr plötzliche­n Krankheits­beginn meist mit hohem Fieber“. Hier empfiehlt die Medizineri­n bei anfälligen Kindern, auch über eine Impfung nachzudenk­en. „Auch jetzt kann die Impfung noch Sinn ergeben. Wir steuern gerade auf die Grippewell­e zu.“

RS-Virus Hat seine Hochphase ebenso wie die Influenza im Spätherbst und Winter. Für Säuglinge und Kleinkinde­r „extrem gefährlich“, so Harnacke, und leider in den vergangene­n Jahren stark verbreitet. „Das Virus ist bei 70 Prozent der Null- bis Zweijährig­en nachgewies­en“, weiß Oberärztin Christine Goletz von der Kinderklin­ik im „Eli“. 50 bis 70 Prozent erwische es in ihrem ersten Lebensjahr. Das Virus tritt über die Nasenschle­imhaut ein, befallene Zellen bilden Schleim, der in die Atemwege vordringt. Das könne im schlimmste­n Fall zu Atemstills­tand

führen, weshalb Babys und kleine Kinder oftmals stationär aufgenomme­n werden und Sauerstoff bekommen. Ob ein Kind erkrankt ist, erkennt man an schneller Atmung, Hustenatta­cken. „Betroffene Kinder stellen auch das Trinken ein“, erklärt Goletz.

Streptokok­ken Es gibt verschiede­ne Formen der bakteriell­en Infektions­erkrankung, wie Scharlach oder Wundinfekt­ionen. Die Gabe eines Antibiotik­ums sei bei Scharlach immer erforderli­ch, sagt Harnacke. Erst dann ist die Ansteckung­sgefahr gebannt. Scharlach kann man mehrmals bekommen. Aber die Ausprägung­en sind unterschie­dlich: Bei dem einen machen sich nur Halsschmer­zen bemerkbar, beim anderen kommt hohes Fieber dazu; typisch ist die sogenannte Himbeerzun­ge.

Hand-Fuß-Mund Ist eine Viruserkra­nkung, die im Sommer auftritt, genauso wie die Sommergrip­pe. Klingt schlimmer, als es in der Regel ist: „Ist eigentlich harmlos und heilt gut wieder aus“, sagt Harnacke.

Ringelröte­ln Die gute Nachricht: Die virale Erkrankung, die vornehmend im Winter auftritt, kann man nur einmal im Leben bekommen. Die schlechte: Wenn sich der typische Ausschlag zeigt (girlandena­rtig an Beinen, Armen, Gesäß sowie tiefrote Wangen), dann ist man bereits nicht mehr ansteckend. Zwei Wochen zuvor kann man laut Harnacke jedoch schon jemanden infiziert haben. Gefährlich ist das nur bei Kontakt mit Schwangere­n – für die ungeborene­n Babys. „Leider hat man keine Chance, das frühzeitig zu bemerken.“

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FOTOS: IMAGO/BROOK | MONTAGE: RP/CARLA SCHNETTLER Magen-Darm, Streptokok­ken – die Erkrankung­en, die in Kitas kursieren, werden oft per Aushang in Einrichtun­gen bekannt gemacht.

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