Das erste Kitajahr in Krankheiten
Die ersten zwölf Monate in einer Kindertagesstätte sind ein Testlauf fürs Immunsystem der Kinder und ein Stresstest für die Nerven der Eltern. Welche Infekte laut Kinderärzten zu erwarten sind, was sie für Familien bedeuten und wie man sich schützen kann.
Die Aushänge, oftmals im Eingangsbereich der Kitas zu finden, werden von den Eltern ebenso kritisch beäugt wie die Essenspläne und Schließzeiten. Es geht um die Mitteilung, welche (meldepflichtigen) Krankheiten derzeit kursieren. Und da finden sich dann in loser Folge wiederkehrend Namen wie Magen-Darm, Streptokokken oder Hand-Fuß-Mund. Die Familien sind somit vorgewarnt, was ihr Kind wahrscheinlich schon bald mit nach Hause bringen wird und können auf Anzeichen achten und wissen, welcher Infekt die Familienmitglieder dann mutmaßlich der Reihe nach erwischt. Die Mönchengladbacher Sprecherin der Kinder- und Jugendärzte, Renate Harnacke, sowie Christine Goletz, Oberärztin in der Kinderklinik im Rheydter Elisabeth-Krankenhaus, ordnen ein, welche Erkrankungen im ersten Kitajahr zu erwarten sind, mit welchen Symptomen sie sich äußern und wann sie Saison haben.
Infekte Im August beginnt das Kitajahr. Während in den ersten Wochen meist noch Ruhe in Bezug auf Krankheiten ist, beginnt mit der nasskälteren Jahreszeit Ende September auch die Infektwelle. Diese hält etwa ein halbes Jahr lang bis März an. „Bis zu 15 Infekte sind normal, in der feuchtkalten Jahreszeit treten sie vermehrt auf“, sagt Harnacke. Gerade im ersten Kitajahr wird diese Zahl oftmals erreicht: War das Kind zuvor überwiegend im häuslichen Kontext mit Eltern oder Großeltern zusammen, kommen im Kindergarten, der Kita, alle Erreger aus verschiedenen Familien zusammen. „Das Immunsystem muss erst lernen, damit umzugehen“, sagt Harnacke – besonders nach Corona sei das ein großes Thema. „Für die Familien entstehen so oftmals verzweifelte Situationen, denn das Kind scheint gar nicht mehr gesund zu werden, ein Infekt reiht sich an den nächsten, wie Perlen an einer Perlenkette“, macht die Kinderärztin aus Giesenkirchen bildhaft deutlich.
Schnupfen Vielfach beginnt es im Herbst mit einem Schnupfen. „Die
Nasenschleimhaut ist die Eingangspforte“, sagt Harnacke. Dann können die Erreger auch die Ohren betreffen (Mittelohrentzündung), für Halsschmerzen sorgen (Angina), oder auf die Bronchien schlagen (Bronchitis), das könne bis hin zu einer Lungenentzündung führen, so die Kinderärztin. Sie hat auch einen Tipp parat, wie man die Kleinen zumindest ein bisschen schützen kann: „Am besten mehrmals täglich Nasenöl verabreichen, dabei bildet sich ein Film auf der Nasenschleimhaut, und das Eindringen von Keimen kann verhindert oder verringert werden.“
Grippe/Influenza Laut Harnacke eine schwere Erkrankung, auch für Kinder, „mit einem sehr plötzlichen Krankheitsbeginn meist mit hohem Fieber“. Hier empfiehlt die Medizinerin bei anfälligen Kindern, auch über eine Impfung nachzudenken. „Auch jetzt kann die Impfung noch Sinn ergeben. Wir steuern gerade auf die Grippewelle zu.“
RS-Virus Hat seine Hochphase ebenso wie die Influenza im Spätherbst und Winter. Für Säuglinge und Kleinkinder „extrem gefährlich“, so Harnacke, und leider in den vergangenen Jahren stark verbreitet. „Das Virus ist bei 70 Prozent der Null- bis Zweijährigen nachgewiesen“, weiß Oberärztin Christine Goletz von der Kinderklinik im „Eli“. 50 bis 70 Prozent erwische es in ihrem ersten Lebensjahr. Das Virus tritt über die Nasenschleimhaut ein, befallene Zellen bilden Schleim, der in die Atemwege vordringt. Das könne im schlimmsten Fall zu Atemstillstand
führen, weshalb Babys und kleine Kinder oftmals stationär aufgenommen werden und Sauerstoff bekommen. Ob ein Kind erkrankt ist, erkennt man an schneller Atmung, Hustenattacken. „Betroffene Kinder stellen auch das Trinken ein“, erklärt Goletz.
Streptokokken Es gibt verschiedene Formen der bakteriellen Infektionserkrankung, wie Scharlach oder Wundinfektionen. Die Gabe eines Antibiotikums sei bei Scharlach immer erforderlich, sagt Harnacke. Erst dann ist die Ansteckungsgefahr gebannt. Scharlach kann man mehrmals bekommen. Aber die Ausprägungen sind unterschiedlich: Bei dem einen machen sich nur Halsschmerzen bemerkbar, beim anderen kommt hohes Fieber dazu; typisch ist die sogenannte Himbeerzunge.
Hand-Fuß-Mund Ist eine Viruserkrankung, die im Sommer auftritt, genauso wie die Sommergrippe. Klingt schlimmer, als es in der Regel ist: „Ist eigentlich harmlos und heilt gut wieder aus“, sagt Harnacke.
Ringelröteln Die gute Nachricht: Die virale Erkrankung, die vornehmend im Winter auftritt, kann man nur einmal im Leben bekommen. Die schlechte: Wenn sich der typische Ausschlag zeigt (girlandenartig an Beinen, Armen, Gesäß sowie tiefrote Wangen), dann ist man bereits nicht mehr ansteckend. Zwei Wochen zuvor kann man laut Harnacke jedoch schon jemanden infiziert haben. Gefährlich ist das nur bei Kontakt mit Schwangeren – für die ungeborenen Babys. „Leider hat man keine Chance, das frühzeitig zu bemerken.“