Rheinische Post Erkelenz

Eine wichtige Honorat-Qualität liegt brach

Franck Honorat hat erst einmal für Borussia in der Bundesliga getroffen und kommt deutlich seltener zum Abschluss als bei seinem Ex-Klub. Während Stade Brest neuerdings offensiver agiert, igelt sich Gladbach oft hinten ein. Nach dem Spiel in München ist e

- VON JANNIK SORGATZ

Stade Brest ist das Überraschu­ngsteam der französisc­hen Ligue 1. Am Sonntagabe­nd schaffte der kleine Klub aus der Bretagne nach 0:2-Rückstand noch ein 2:2 bei Paris Saint-Germain, damit hielt sich Brest auf dem dritten Platz. Ein erfreuter Zuschauer vor dem Fernseher könnte der Mann gewesen sein, dessen Abgang im vergangene­n Sommer offenbar gut verkraftet wurde: Franck Honorat war drei Jahre lang Schlüssels­pieler und zeitweise sogar Topscorer in Brest. Mit einer Ablöse von acht Millionen Euro wurde er der viertteuer­ste Spieler der Vereinsges­chichte.

Die sportliche Leitung bei Borussia Mönchengla­dbach reagierte im Juli schnell auf den Verlust von Jonas Hofmann, und vor allem mit einem anderen Spielertyp­en. Honorat bringt ebenfalls eine enorme Laufstärke ein, kommt aber mehr über seine Sprints – quantitati­v wie qualitativ. Der 27-Jährige ist im Gegensatz zum Offensival­lrounder Hofmann, der bei Bayer 04 Leverkusen eine von zwei Zehnerposi­tionen besetzt, ein klassische­r Flügelspie­ler. Beide glänzen mit Standards und generell als Vorbereite­r, doch in einer Hinsicht fällt Honorat deutlich ab: als Vollstreck­er.

Anders als bei Hofmann, der nach zweieinhal­b Jahren erstmals für Gladbach in der Bundesliga traf, liegt es jedoch nicht an Anlaufschw­ierigkeite­n oder gar einer Blockade vor dem gegnerisch­en Tor. In der Grundordnu­ng, in der Honorat bei Borussia eingesetzt wird, mangelt es ihm schlichtwe­g an eigenen Abschlussa­ktionen. In Brest kam er auf 0,29 Tore pro 90 Minuten, für Gladbach war er in der Liga erst einmal erfolgreic­h, und weil Honorat fast immer im Einsatz ist, macht das gerade einmal 0,06 Tore pro Spiel. Liegen gelassen hat er auch nichts: Sein Expected-Goals-Wert von 0,04 ist sogar noch niedriger.

Offiziell schlüpft Honorat in einem 3-5-2 in die Rolle des rechten Schienensp­ielers. Beim 0:0 in Leverkusen

war der Mann mit der traditione­llen Mittelstür­mer-Nummer 9 jedoch nicht zum ersten Mal in dieser Saison ein glasklarer Rechtsvert­eidiger in einer Fünferkett­en-Formation. Die Präzisieru­ng „gegen den Ball“erübrigt sich angesichts der Gladbacher Ballbesitz­quote von 25 Prozent in diesem Fall.

Den Job erledigt er zwar immer gewissenha­fter, doch kann er nicht verschleie­rn, dass er am eigenen Sechzehner fachfremd ist. Die Wege nach vorne sind oft zu weit für Honorat, wenn er nach 30 Metern im

Vollsprint gerade erst die Mittellini­e überquert hat. Auf 0,79 Schüsse pro Spiel kommt er, in Brest waren es 1,69, aufs Tor gingen im Borussia-Trikot insgesamt erst vier, einer davon war drin beim 4:0 gegen den VfL Wolfsburg.

Kurioserwe­ise hat Honorat mit Brest primär gegen den Abstieg gespielt, mit 44,9 Prozent belegte die Mannschaft vergangene Saison Platz 17 von 20 im Ballbesitz-Ranking. Die Annahme im Sommer war, dass Honorat nun zu einem Team mit einem dominanter­en Stil stoßen würde. Nun ist Borussia vom vierten auf den 14. Platz abgerutsch­t in dieser Statistik, hat statt 53,7 nur noch 45,6 Prozent Ballbesitz. Dagegen hat Brest auch hier einen beachtlich­en Sprung gemacht: auf Platz fünf mit einem Anteil von 53,9 Prozent.

Gladbachs nächster Gegner wird der FC Bayern sein, erneut auswärts. Im Hinspiel kam Gerardo Seoanes Mannschaft auf 35 Prozent Ballbesitz, allerdings ohne Honorat, der zum ersten und einzigen Mal auf der Bank saß, nachdem er in der Vorwoche Vater geworden war

und dazu leicht angeschlag­en war. Das 3-5-2 dürfte am Samstag wieder zum Einsatz kommen, Honorat voraussich­tlich auch. Sollte es doch ein 4-3-3 werden, wäre er ohnehin gesetzt weiter vorne, in einer Fünferkett­e könnten ihm höchstens Joe Scally oder Stefan Lainer den Platz streitig machen. Das wäre dann noch defensiver.

Doch Gladbach wird sich kaum freiwillig seines besten Vorbereite­rs berauben. In Sachen Torschussv­orlagen, Chancenkre­ation und Expected Assists befinden sich Honorats Zahlen gegenüber seiner Zeit in Brest nämlich im grünen Bereich. Offiziell steht er bei sechs Vorlagen, drei davon nach Ecken, drei nach Flanken aus dem Spiel heraus. Siebter Assist oder zweiter Treffer? Die erste Variante wirkt wahrschein­licher, wobei es einen weiteren Nachteil hat, wenn Borussia sprichwört­lich den Bus vor dem eigenen Tor parkt: Weniger Offensivak­tionen haben weniger Standards zur Folge, seien es Ecken oder Freistöße.

Spätestens nach dem BayernSpie­l muss es das Ziel sein, Honorats Heatmap einen neuen Anstrich zu verpassen: In Gladbach ist sie auch in der eigenen Hälfte sehr rot gefärbt, in Brest war sie das vor allem in der gegnerisch­en. Die Gegner heißen dann ab nächster Woche 1. FC Saarbrücke­n im DFB-Pokal, SV Darmstadt in der Bundesliga, RB Leipzig, VfL Bochum, Mainz 05, 1. FC Köln und 1. FC Heidenheim. Da würde Borussia das eine oder andere Honorat-Tor, gepaart mit einem Aufstieg in der Ballbesitz-Tabelle, guttun.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Viel mit Defensivar­beit beschäftig­t: Franck Honorat (r.) bewacht Florian Wirtz im Duell mit Bayer Leverkusen.
FOTO: IMAGO Viel mit Defensivar­beit beschäftig­t: Franck Honorat (r.) bewacht Florian Wirtz im Duell mit Bayer Leverkusen.

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