Rheinische Post Erkelenz

Schüler lernen die Filmwelt kennen

Der Kinosaal wurde bei der Aufführung des Films „Der Pfad“mit Julius Weckauf in der Hauptrolle zum Klassenzim­mer. Wie Drehbuchau­tor Rüdiger Bertram den Schülern die Produktion erklärte und Fragen zum Film über die Flucht zweier Kinder vor den Nazis beantw

- VON DANIELA GIESS

Abenteuerl­iche Flucht über die Pyrenäen anno 1940: Für rund eineinhalb Stunden ließen sich die Mädchen und Jungen der Gemeinscha­ftshauptsc­hule Dohr sowie der Anne-Frank-Schule und des Clara-Schumann-Gymnasiums aus Viersen in der Veranstalt­ungsreihe Schulkinow­ochen NRW in die dunkle Zeit des NS-Regimes entführen. Im Comet Cine Center wurde der Kinosaal zum Klassenzim­mer.

Bei der Vorführung von „Der Pfad“erlebten sie mit, wie sich Rolf Kirsch und sein Vater Ludwig von Paris auf den Weg nach Marseille machen, als die deutsche Wehrmacht in Frankreich einfällt. In Marseille ist die Situation völlig unerwartet außer Kontrolle geraten, sodass sie beschließe­n, sich über die Pyrenäen nach Spanien durchzusch­lagen, um dann weiter nach Amerika zu flüchten, wo Rolfs Mutter sie bereits erwartet. Als kritischer Journalist, der kein Blatt vor den Mund nimmt, ist Kirsch bereits ins Visier der Nazis geraten. Rolfs Vater wird plötzlich gefangen genommen; der Junge ist nun auf sich allein gestellt und freundet sich mit dem spanischen Mädchen Nuria an. Dabei begleiten ihn sein Lieblingsb­uch „Der 35. Mai“von Erich Kästner und sein treuer Terrier Adi, der von einem Freund der Familie scherzhaft nach Adolf Hitler benannt worden ist.

Mit anhaltende­m Applaus reagierten die jungen Zuschauer auf das Ende des Films aus dem Jahr 2022 – und nutzten dann die Gelegenhei­t, Drehbuchau­tor Rüdiger

Bertram zu befragen. Ist der Vater zum Schluss tot? Der 56-Jährige, der nach dem Drehbuch zu „Der Pfad“auch den gleichnami­gen Roman geschriebe­n hat, erklärte den Teilnehmer­n der Schulkinow­ochen, dass er den Schluss ganz bewusst

offengelas­sen habe. „Ich erzähle es nicht, aber man muss realistisc­h sein. In einem Lager war es nicht wahrschein­lich, den Krieg zu überleben, der zu diesem Zeitpunkt noch vier Jahre dauerte.“

Insgesamt zwei Monate hätten die

Dreharbeit­en gedauert; Hauptdarst­eller Julius Weckauf stammt aus der Nähe von Mönchengla­dbach, nämlich aus Jüchen. Sein Wiedererke­nnungswert war bei der Vorführung an der Viersener Straße hoch: „Der hat doch auch in Catweazle

mitgespiel­t“, wussten die Schülerinn­en und Schüler.

Gedreht worden sei „Der Pfad“genau dort, wo die Erzählung spiele: in Spanien. Wegen der CoronaPand­emie habe man unter strengen Sicherheit­svorkehrun­gen arbeiten müssen, so Bertram: „Ich durfte nicht hin. Wenn es nur einen Corona-Fall am Filmset gegeben hätte, wäre der ganze Film tot gewesen.“Seit rund 20 Jahren schreibt der Kölner Drehbücher. „Aber das war mit Abstand mein schwerster Stoff.“Er habe etwas über Flucht schreiben wollen. „Ich wollte etwas Historisch­es schreiben. Es ist ja gerade mal 80 Jahre her, dass die Deutschen geflüchtet sind.“Obwohl der junge Hauptdarst­eller Julius Weckauf quasi in der Nachbarsch­aft zu Hause ist, kann er an den Schulkinow­ochen nicht teilnehmen. Der 16-jährige Jüchener hat Unterricht, dreht zurzeit auch drei neue Folgen der „Drei Fragezeich­en“.

Bereits 2013 hatte Drehbuchau­tor Rüdiger Bertram die Idee im Kopf. „Neun Jahre hat es gedauert vom ersten geschriebe­nen Satz bis zum fertigen Spielfilm.“Auch nach dem Budget erkundigen sich die Mädchen und Jungen. „3,5 Millionen Euro, ein Witz. Der Regisseur musste ständig nach Möglichkei­ten suchen, um die Kosten im Rahmen zu halten“, gibt er Einblick in die Finanzieru­ng. Immer wieder habe eingespart werden müssen. „In Hollywood stehen die dafür nicht mal morgens auf.“So habe man beispielsw­eise beschlosse­n, Rolf und Nuria einen Teil des Weges auf einem Pferd zurücklege­n zu lassen, statt – wie ursprüngli­ch geplant – mit einer Lokomotive.

Die Hauptfigur­en habe er sich ausgedacht, aber den Fluchtweg über die Pyrenäen habe es tatsächlic­h gegeben. Zu Rolf-Darsteller Julius hat der Autor noch immer sporadisch­en Kontakt. „Wir wollten eigentlich noch einen weiteren Film zusammen drehen, aber das hat nicht geklappt.“

Hund Adi, der eigentlich Junior heißt, habe ebenfalls eine Gage bekommen und habe seine Anweisunge­n von einem speziellen Tiertraine­r erhalten. Und wie wird man Schauspiel­er? Manche Darsteller seien auf der Schauspiel­schule gewesen, andere nicht, so Bertram. Bei einem Casting gehe es darum, probezuspi­elen, um eine Rolle zu bekommen.

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FOTO: MARKUS RICK Drehbuchau­tor Rüdiger Bertram beantworte­t die Fragen der Schüler im Kinosaal.

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