Rheinische Post Erkelenz

Bilder erzählen von einer dunklen Zeit

Während des NS-Regimes von 1933 bis 1945 haben viele Kunstschät­ze ihren Besitzer gewechselt. Oft illegal. Die Kulturwiss­enschaftle­rin Ulrike Engelke forscht dazu.

- VON FRIEDHELM RUF

Kunstwerke aus Galerien, Bilder aus Museen, Sammlungen von Privatleut­en: Kunstraub gehört auch in der Zeit von 193 bis 1945 zu den Verbrechen der Nationalso­zialisten. „Nichts soll vergessen werden“, sagte Peter Uhler. Er ist zweiter Vorsitzend­er der FriedrichS­pee-Akademie, die zum Vortrag Ulrike Engelke in die Zentralbib­liothek eingeladen hatte. Die Kulturwiss­enschaftle­rin vom Museum Abteiberg hatte sich mit Provenienz­forschung beschäftig­t und stellte nun „Die Geschichte hinter den Bildern“vor. Dazu erläuterte sie das Schicksal jüdischer Sammler, erzählte von Hermann Görings Maßlosigke­it und schilderte das Leben der französisc­hen Widerstand­skämpferin Rose Valland. Und sie erläuterte die Probleme, die nach dem Krieg bei der Rückgabe von geraubten Kunstwerke­n auftauchte­n und bis heute andauern.

Der Journalist und Verleger Paul Westheim habe Werke von George Grosz, Oskar Kokoschka oder Ernst Ludwig Kirchner gesammelt. Als sich das Land ab 1933 politisch veränderte, floh Westheim nach Frankreich. Seine große Sammlung habe er bei seiner Freundin Charlotte Weidler versteckt – und sah die Bilder nicht mehr wieder. Denn Weidler, so schilderte es Ulrike Engelke, hatte dem nach Mexiko emigrierte­n Westheim wohl nicht verziehen, dass er dort heiratete. Sie ließ Westheim in dem Glauben, die Sammlung sei zerstört worden und brach den Kontakt zu ihm ab. „Doch nachdem Westheim 1963 gestorben war, tauchte die Sammlung wieder auf“, sagte Engelke. Eines der Bilder, gemalt von Joachim Ringelnatz und mit „Dachgarten der Irrsinnige­n“betitelt, habe seinen Weg ins ClemensSel­s-Museum Neuss gefunden. Als Wertheims Erben ihre Ansprüche geltend machten, habe das Museum sich mit den Nachfahren Wertheims finanziell geeinigt und das Bild verblieb im Museum.

Ähnlich ging es mit einem Bild von Paul Adolf Seehaus, das dem Sammler Alfred Flechtheim geraubt wurde und nach dem Krieg im Kunstmuseu­m Bonn gezeigt wurde. Auch dort einigten sich Museum und Flechtheim­s Erben finanziell.

Wie hemmungslo­s Hermann Göring vorging, zeigte Ulrike Engelke am Beispiel des niederländ­ischen Sammlers Jacques Goodstikke­r. Als er emigrieren musste, übernahm Göring über seinen Mittelsman­n Alois Midel die Galerie des Niederländ­ers. Göring sicherte sich 780 Kunstwerke, allein 300 davon waren für seine Residenz in Carinhall bestimmt. Teile der Sammlung kehrten erst 2005 an die Erben Goodstikke­rs zurück.

Nicht nur als Künstler bekannt ist Max Liebermann. Der Ehrenbürge­r Berlins war auch ein bedeutende­r Sammler, wie Engelke mit Bildern aus Liebermann­s Haus am Berliner Wannsee zeigte. Das Bild seiner Frau Martha hat er 1930 selbst gemalt und viele Jahre sei eine Rückgabe an die Erben gescheiter­t. Erst 2021 kam es zu einer Einigung.

Nachdem Engelke die Schicksale von Kunstwerke­n aus den Sammlungen von Leo Bendel und Max Silberberg erzählt hatte, stellte sie einen Kunstraub besonderer Art vor. Denn 1937 sollte das Wallraf-Richartz-Museum in Köln ein Bild von Benozzo Gozzoli mit dem Titel „Madonna mit

Heiligen“gegen ein Bild von Lukas Cranach mit dem Titel „Madonna mit Kind“tauschen. Nach dem Tausch sollte das Cranach-Bild dann zur Geburt von Görings Tochter Edda geschenkt werden. Dies sei zunächst nicht gelungen, dafür aber wurde ein van-Gogh-Bild getauscht. Nach dem Krieg habe ein Gericht das Bild zunächst Edda Göring zugesproch­en. Erst nach Interventi­on des Bundesgeri­chtshofes entschied das Oberlandes­gericht Köln anders. Nun hängt das Bild im Wallraf-Richartz-Museum. Zum Schluss stellte Engelke das Leben der Konservato­rin und Widerstand­skämpferin Rose Valland vor, die während der deutschen Besatzung in

Frankreich sehr genau darüber Buch führte, welche Kunstwerke aus den Museen nach Deutschlan­d gebracht wurden. Nach dem Krieg habe sie zur Rückführun­g der gestohlene­n Werke beigetrage­n.

Auch wenn bei so mancher Rückgabe Erfolge zu benennen seien, bleibe vieles weiterhin verschwund­en. Manches sei zerstört, anderes hänge in Privaträum­en oder Heimatmuse­en und entziehe sich damit oft Rückgabe-Ansprüchen. Zwar versuche die Beratende Kommission NS-Raubgut, die Limbach-Kommission, bei der Rückgabe zu vermitteln, aber oft gebe es kaum eine Chance für Erben, Kunstwerke wieder zu bekommen.

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FOTO: MARIO WINKLER Mit Dias, die den Kunstraubz­ug der Nazis belegen, gab Ulrike Engelke ihren Vortrag.

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