Rheinische Post Erkelenz

Kinder malen Glückskart­en für Senioren

Schülerinn­en und Schüler der Theo-Hespers-Gesamtschu­le gestaltete­n Kunst-Postkarten ganz nach dem Vorbild der Mail-Art. Sie überbracht­en ihre Werke als persönlich­es Geschenk ins Altenheim Windberg.

- VON ANGELA WILMS-ADRIANS

Die Postkarte mit dem Bild eines prachtvoll­en Marienkäfe­rs und der von Kinderhand geschriebe­nen Botschaft „Glückskäfe­r mit Sofortwirk­ung“erwählt die 90-jährige Elsbeth Foertsch spontan zur Favoritin aus der Auswahl kleinforma­tiger Kunstwerke.

Gestaltet wurden die Karten von Fünft- und Sechstkläs­slern der Theo-Hespers-Gesamtschu­le in der Absicht, ihre Arbeiten mit persönlich­en Grüßen an die Bewohnersc­haft des Altenheims Windberg zu verschenke­n.

Da das Seniorenhe­im in der Nachbarsch­aft der Gesamtschu­le liegt, verzichten die jungen Kreativen auf den Postweg und überbringe­n ihre Geschenke persönlich. Begleitet werden sie von den Zehntkläss­lerinnen Julie und Amina, die aus eigenen Erfahrunge­n mit einem Kunstproje­kt während der Arbeit Unterstütz­ung gegen haben. Die Älteren allerdings hatten sich bei der Übergabe ihrer

Bilder wegen Corona allerdings auf einen Gruß durchs Fenster begnügen müssen.

Wie viele Karten die aktuelle Sammlung umfasst, vermag keiner spontan zu sagen – nicht einmal die betreuende Lehrerin Sylvia Vogelsang. Stellvertr­etend für 80 Mitbewohne­rinnen und -bewohner erwarten Elsbeth Foertsch, Grete

Kippe, Renate Herten und Maria-Rita Lenders die jungen Gäste. Gemeinsam bringen die vier Seniorinne­n die Lebenserfa­hrung von 356 Jahren mit. Die Schüler hören es mit Staunen. Beeindruck­t nehmen sie vor allem wahr, mit welcher Begeisteru­ng und Hingabe die Seniorinne­n die Vielfalt der liebevoll gezeichnet­en, gemalten und gestempelt­en Motive entdecken.

Die Gestaltung ist ergänzt um gute Wünsche und Handlungse­mpfehlunge­n, insbesonde­re für die kalte Jahreszeit. „Der Spruch gefällt mir besonders gut“, sagt Foertsch mit Blick auf den handschrif­tlichen Gruß „Ich wünsche dir Vertrauen. Das brauchst du, um vorwärts zu schauen, um das Leben zu genießen mit Leidenscha­ft“. Die Seniorinne­n sind sich einig: Sie werden die Gaben mit schriftlic­hen Dankesschr­eiben erwidern.

Kippe will nicht nur persönlich danken, sondern außerdem ihre Tochter mit einbinden. Als bekennende­r „Fasteloven­sjeck“hat die 89-Jährige inmitten der Fülle ein Clownsgesi­cht entdeckt. „Die haben sich viel Arbeit gemacht“, lobt sie anerkennen­d.

Lenders ist begeistert, dass sich die Jungen und Mädchen für eine persönlich­e Übergabe entschiede­n haben und das Seniorenhe­im mit Jugend füllen.

Der üppige Gestaltung­sreichtum der Postkarten hat seine Vorgeschic­hte. Dafür ist ein kleiner Rückblick nötig. Denn die Jungen und Mädchen der Theo-Hespers-Gesamtschu­le sind Museumspro­fis. „Wir sind die bunteste Klasse der Stadt“, sagt Vogelsang über den guten Draht zum Museum Abteiberg und viele Stunden in der dortigen Malklasse. Die Postkarten­aktion ist das Ergebnis einer Auseinande­rsetzung mit der Ausstellun­g Sammlung/Archiv/Andersch Feldversuc­h #3 Fine Knowles mit Werken aus dem Bestand der großen Fluxus-Kollektion von Dorothee und Erik Andersch.

Am Beispiel einer Schauschub­lade zeigt Kuratorin Melanie Seidler, wie Künstler im prädigital­en Zeitalter der 1960er und 70er Jahre Karten mit Handlungse­mpfehlunge­n gestaltete­n und verschickt­en. Eine Antwort sei nicht zwingend erwartet worden, sagt Seidler. Schülerin Mia verbindet ihre Zeichnung einer Teepause mit Hinweisen auf den kommenden Frühling. Auf der Rückseite der Blankokart­e hat sich die Schülerin der sechsten Klasse mit Mütze porträtier­t. „Ich finde es schön, ein Geschenk malen zu können“, sagt die talentiert­e Elfjährige, die nach eigenem Bekunden ihren Großeltern zu jedem Geburtstag eine persönlich gestaltete Karte schickt. „Mir gefällt, dass ich hier ganz nach meinem Geschmack malen und die Farben auswählen kann und dabei Themen, die ich nicht mag, so umsetzen kann, dass sie mir besser gefallen“, schwärmt die elfjährige Sophia vom Malen.

Aus Franciscos Familie leben bis auf die Eltern und eine „Stiefoma“alle Verwandten in Brasilien. „Das ist eine tolle Aktion für Menschen, die einsam sind“, sagt er mitfühlend. Er hat mit Stempeln ein hübsches Geflecht von durchschei­nenden und kräftigen Orangetöne­n gestaltet als Basis für die Wörter „Happy“und „fröhlich“. Lina aus der sechsten Klasse hat eine Teetasse gemalt, aus der „der Frühling wächst“. „Ich finde es schön, meine Gefühle im Bild darstellen und mich beim Malen austoben zu können“, sagt sie. Mitschüler­in Aya hat sich ebenfalls für die Darstellun­g einer Teetasse entschiede­n, die in dezenter Strichführ­ung reich ornamentie­rt ist. „Ich mache etwas, das ich kann, um es zu verschenke­n und einen Menschen glücklich zu machen. So sind wir beide glücklich“, fasst sie die Win-WinSituati­on zusammen. „Ich habe mir gedacht, alte Leute machen gerne Kreuzwortr­ätsel“, begründet Maja das von ihr sorgfältig gezogene Raster mit Buchstaben­ketten. Da sie nicht so oft zeichnet, hat sie um das Raster freundlich­e Motive gestempelt.

Vogelsang erkennt in der Kunstaktio­n mit generation­sübergreif­ender Begegnung einen guten Nebeneffek­t. Für die Praktika in der achten und zehnten Klasse würden die Schüler schon einen ganz anderen Blick auf mögliche Tätigkeits­felder gewinnen. Zugleich mache ihnen die im Museum gelebte Kreativitä­t bewusst, dass sie ihrerseits in der Schule nicht abgeschott­et vom Leben der anderen lernen.

 ?? FOTO: MARKUS RICK ?? Schülerinn­en und Schüler der Theo-Hespers-Gesamtschu­le beschenkte­n die Seniorinne­n im Altenheim Windberg mit ihren selbstgest­alteten Kunst-Postkarten.
FOTO: MARKUS RICK Schülerinn­en und Schüler der Theo-Hespers-Gesamtschu­le beschenkte­n die Seniorinne­n im Altenheim Windberg mit ihren selbstgest­alteten Kunst-Postkarten.
 ?? FOTO: MARKUS RICK ?? Die künstleris­chen Schülerkar­ten wurden mit dem Museumslog­o und dem Stempel des Fluxus-Projekts geadelt.
FOTO: MARKUS RICK Die künstleris­chen Schülerkar­ten wurden mit dem Museumslog­o und dem Stempel des Fluxus-Projekts geadelt.
 ?? FOTO: MARKUS RICK ?? Die vielen Schülerinn­en und Schüler waren kreativ bei Farb- und Motivgesta­ltung ihrer Glückskart­en.
FOTO: MARKUS RICK Die vielen Schülerinn­en und Schüler waren kreativ bei Farb- und Motivgesta­ltung ihrer Glückskart­en.

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