Rheinische Post Erkelenz

Ausbildung mit weniger Stunden in der Woche

Kinderbetr­euung, Pflege eines Angehörige­n, Leistungss­port oder nebenbei Deutsch lernen: Es gibt viele gute Gründe, eine Ausbildung in Teilzeit zu absolviere­n. Das ist grundsätzl­ich auch möglich. Wie sich das umsetzen lässt, erklärt ein Experte.

- MARIE VON DER TANN STELLTE DIE FRAGEN.

Statt drei Jahre Ausbildung vier oder sogar viereinhal­b Jahre lernen, dafür aber mehr Freizeit: Den Zwang zur 40-Stunden-Woche in der Ausbildung gibt es nicht mehr. Wer mehr Freiraum braucht, bekommt ihn – sofern der Betrieb einverstan­den ist. Eine gute Möglichkei­t ist die Ausbildung in Teilzeit zum Beispiel für alle, die nebenbei ihre Deutschken­ntnisse noch verbessern müssen oder mehr Zeit zum Lernen des Schulstoff­s benötigen. IHK-Ausbildung­sberater Jakob Schmachtel erläutert das Modell im Interview.

Wer darf eine Teilzeit-Ausbildung machen und wie findet man einen Ausbildung­splatz?

JAKOB SCHMACHTEL Seit 2020 darf jeder, der möchte, eine Teilzeit-Ausbildung machen. Der besondere Grund, der bis dahin vorliegen musste, wie etwa Pflegetäti­gkeit, Leistungss­port oder Kindererzi­ehung, fällt seitdem weg. Stellen mit reduzierte­r Stundenzah­l werden aber so gut wie gar nicht ausgeschri­eben. Deshalb gibt es nur eine Möglichkei­t: nachfragen. Entweder vor der Bewerbung, im Anschreibe­n oder im Bewerbungs­gespräch.

Grundsätzl­ich sind Bewerber in einer guten Position. Wegen des Azubi-Mangels können sich Unternehme­n heute oft deutlich mehr Modelle vorstellen, als in eine Stellenaus­schreibung passt. Es lohnt sich, die Wünsche anzusprech­en.

Kann man sich auch noch während der Vollzeit-Ausbildung dazu entscheide­n, Stunden zu reduzieren?

SCHMACHTEL Eine Ausbildung in Teilzeit ist eine Vereinbaru­ng zwischen Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er. Sind sie sich einig, können die Stunden jederzeit reduziert werden. Allerdings nur im gegenseiti­gen Einvernehm­en. Ein Recht auf Teilzeit, egal wie gut die Begründung ist, gibt es nicht.

Leider lässt sich nicht alles auf Teilzeit reduzieren: Auch wenn der Gesetzgebe­r das eigentlich vorgesehen hat, gibt es fast keine speziellen Angebote in den Berufsschu­len. Das sollten Bewerber wissen. So hören sie dort entweder Themen doppelt oder sind, wenn sie die schulische Ausbil

dung schon vor Ende der praktische­n Ausbildung absolviert haben, bei der Prüfung eine Weile raus aus dem Stoff.

Einfach einen halben Tag in die Schule gehen – das geht leider nicht. Der Arbeitgebe­r stellt seine Lehrlinge für den Schulbesuc­h frei, der Schulbesuc­h gilt aber nicht als

Arbeitszei­t, sodass eine Teilzeit der Arbeitszei­t nicht eine Reduzierun­g der Schulzeit bedeutet.

Welche Kompromiss­e muss man mit einer Teilzeit-Ausbildung eingehen?

SCHMACHTEL Am Ende sollen Voll- und Teilzeit-Lehrlinge gleich gut ausgebilde­t sein. Die Ausbildung­szeit verlängert sich also mit reduzierte­r Stundenzah­l. Wer statt 40 Stunden 30 arbeitet,

der muss ein Jahr länger in die Lehre gehen. Theoretisc­h können die Stunden noch weiter reduziert werden. Insgesamt darf die Ausbildung laut dem Gesetzgebe­r aber nicht länger als das Eineinhalb­fache der Zeit der Vollzeit-Ausbildung dauern. Die Vergütung kann gekürzt werden, muss aber nicht. Festgelegt ist allerdings, dass sie jährlich steigen muss. Wer länger in Ausbildung ist, kriegt also öfter Lohnerhöhu­ngen. Am Urlaubsans­pruch ändert sich im Normalfall nichts. Und so wie bei einer Vollzeit-Ausbildung haben Azubis unter Umständen auch Anspruch auf staatliche Unterstütz­ung wie Ausbildung­sbeihilfe.

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FOTO: SIGRID GOMBERT/WESTEND61/DPA-TMN Mehr Zeit für andere Dinge: Auch Azubis, die ihre Ausbildung schon begonnen haben, können Stunden reduzieren – allerdings nur, wenn der Ausbildung­sbetrieb einverstan­den ist.
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FOTO: IHK BERLIN/DPA-TMN Jakob Schmachtel ist Ausbildung­sberater bei der IHK Berlin.

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