„Berliner“oder „Krapfen“? Mit Marmelade oder mit Eierlikör?
Die gefüllten Hefeteilchen werden in reichlich Fett ausgebacken. Zu Karneval gehen in Deutschland wieder Millionen Stück über die Bäckertheken.
(dpa) Wie nennen Sie einen gebratenen flachen Kloß aus Hackfleisch – Frikadelle? Bulette? Klops? Fleischpflanzerl? Faschiertes Laibchen? Oder noch mal ganz anders? Im Deutschen gibt es einiges, bei dessen Bezeichnungen man etwas über die Vielfalt der Sprache lernt und die Herkunft der sprechenden Person feststellen kann. Im Februar ist im deutschsprachigen Raum insbesondere folgende Frage geeignet: Wie heißt ein „in schwimmendem Fett gebackenes, meist mit Marmelade gefülltes, kugelförmiges Gebäckstück aus Hefeteig“?
Die von vielen – aber eben nicht von allen – Berliner genannte Backware ist ein Naschwerk, das traditionell gern zu Karneval (und zu Silvester) gegessen wird. Es wird meistens mit Puderzucker oder Zuckerguss verziert. Die jüdische Küche kennt mit Sufganijot (oft auch mit „y“statt „j“oder nur mit „i“geschrieben) ein sehr ähnliches Fettgebäck, das zum Chanukkafest gereicht wird. Neben der üblichen Fruchtfüllung gibt es beim Berliner auch Eierlikör-, Schokosoßen- oder
Vanillepuddingfüllung. Fans lieben den hefig-süßen Duft und die goldbraune Farbe – blass darf nur der Kragen sein, das ist der ungefähr daumendicke Rand rundherum, der idealerweise gleichmäßig ist. Natürlich gibt es wie bei jeder Speise auch viele Menschen, die das alles gar nicht mögen, die die Kalorienbombe sogar verabscheuen.
Nach Angaben vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks werden jedes Jahr mehr als 350 Millionen Berliner allein in Deutschland verkauft. Der vorherrschende Name stammt wohl daher, dass nach einer jahrhundertelangen Vorgeschichte unter anderem ein Bäcker aus Berlin im 18. Jahrhundert für eine weitere Verbreitung des Fettgebäcks gesorgt hat.
„Es gibt im Wesentlichen vier verschiedene Bezeichnungen im deutschsprachigen Raum“, sagt der Sprachforscher Stephan Elspaß von der Universität Salzburg, der einst das einschlägige populärwissenschaftliche Büchlein „Grüezi, Moin, Servus! Wie wir wo sprechen“mitverfasst hat. „Im Osten Deutschlands sagt man ‚Pfannkuchen’, im Westen – also Nordwesten, im Südwesten
und ganz im Westen, einschließlich Ostbelgien – ‚Berliner’; in Bayern, Österreich und Südtirol ‚Krapfen’ oder ‚Faschingskrapfen’ und hauptsächlich in Hessen ‚Kräppel’, das eine Lautvariante von ‚Krapfen‘ ist.“
„Berliner“und „Pfannkuchen“seien jeweils eigentlich nur Abkürzungen für „Berliner Pfannkuchen“. In Baden-Württemberg sowie im Raum Pfalz/Saarland sagten manche auch „Fastnachtsküchle“oder „Fastnachtsküchelchen“. Vergleichsweise wenige Menschen in Nordrhein-Westfalen sagen laut Elspaß auch noch „Berliner Ballen“(vor allem im Ruhrgebiet) oder „Puffel“(rund um Aachen: „Öcher Puffel“). Doch diese Gebiete seien gewissermaßen vom „Berliner“überrollt worden. „Je nachdem, wie man zählt, kommt man auf bis zu zehn verschiedene Wörter.“
Und welchen Begriff im Deutschen benutzen die meisten der etwa 90 Millionen Muttersprachler? „In unserer Umfrage von 2007 gaben fast die Hälfte der Leute ‚Berliner’ an, etwa ein Drittel ‚Krapfen’, ‚Faschingskrapfen’ oder ‚Kräppel’ sowie gut 17 Prozent ‚Pfannkuchen’“, sagt Elspaß, auch Mitautor des Buchs „Deutsche Sprache der Gegenwart – eine Einführung“. Es sei deshalb für Sprachforscher klar, „dass keine der Bezeichnungen für sich beanspruchen könnte, dass sie die einzig hochdeutsche sei“.
„Der Wortschatz des Standarddeutschen ist vielleicht zu circa 95 Prozent einheitlich – aber eben nicht hundertprozentig“, betont der Germanistik-Professor. „In manchen Bereichen gibt es ein Nebeneinander von verschiedenen Wörtern, die dasselbe bedeuten.“Jeder Dialekt habe grundsätzlich neben eigener Grammatik auch einen eigenen Wortschatz. „Im Standarddeutschen hat sich regionaler Wortschatz vor allem bei Ausdrücken erhalten, die auch in der Alltagssprache gern verwendet werden. Das betrifft insbesondere Wörter für Obst, Gemüse oder bestimmte Speisen.“Man denke zum Beispiel an die Heidel-/ Schwarz-/Blau-/Moosbeere, an Karotten/Möhren/gelbe Rüben/Rübli, an die Frikadelle/Bulette und so weiter.
Ein anschauliches Beispiel sind auch die Süßspeisen Palatschinken oder Plinsen, wie Elspaß erläutert. „Eine süße Omelette heißt in Deutschland meist Pfannkuchen, aber eben nicht da, wo Pfannkuchen etwas anderes bedeutet: Da muss man dann Eierkuchen oder das ursprünglich sorbische Wort Plinse sagen, um nicht die falsche Leckerei zu bekommen.“
Zurück zum Berliner Pfannkuchen, also dem Krapfen. In einigen Regionen gibt es die Sitte, zum Spaß und als kleine böse Überraschung einzelne Exemplare etwa mit Senf oder Zwiebeln statt Konfitüre zu füllen. Manche Bäcker erregten in den vergangenen Jahren außerdem mediale Aufmerksamkeit, indem sie zur Karnevalszeit gewöhnungsbedürftige Varianten anboten.
So hatte der Bäcker und Konditor Florian Perkmann aus dem oberbayerischen Miesbach schon einen Leberkas-Krapfen oder einen WurstKrapfen im Sortiment. Und im hessischen Nidda hatte die Familie und Bäckerei Rank in den vergangenen Jahren schon den Mett-Kräppel und den Thunfisch-Kräppel im Angebot, wobei er gern auch mit „e“geschrieben wird. Dieses Jahr soll es dort (mit Fleischsalat) den sogenannten Flaaschworscht-Kreppel geben.