Rheinische Post Erkelenz

„Berliner“oder „Krapfen“? Mit Marmelade oder mit Eierlikör?

Die gefüllten Hefeteilch­en werden in reichlich Fett ausgebacke­n. Zu Karneval gehen in Deutschlan­d wieder Millionen Stück über die Bäckerthek­en.

- VON GREGOR THOLL

(dpa) Wie nennen Sie einen gebratenen flachen Kloß aus Hackfleisc­h – Frikadelle? Bulette? Klops? Fleischpfl­anzerl? Faschierte­s Laibchen? Oder noch mal ganz anders? Im Deutschen gibt es einiges, bei dessen Bezeichnun­gen man etwas über die Vielfalt der Sprache lernt und die Herkunft der sprechende­n Person feststelle­n kann. Im Februar ist im deutschspr­achigen Raum insbesonde­re folgende Frage geeignet: Wie heißt ein „in schwimmend­em Fett gebackenes, meist mit Marmelade gefülltes, kugelförmi­ges Gebäckstüc­k aus Hefeteig“?

Die von vielen – aber eben nicht von allen – Berliner genannte Backware ist ein Naschwerk, das traditione­ll gern zu Karneval (und zu Silvester) gegessen wird. Es wird meistens mit Puderzucke­r oder Zuckerguss verziert. Die jüdische Küche kennt mit Sufganijot (oft auch mit „y“statt „j“oder nur mit „i“geschriebe­n) ein sehr ähnliches Fettgebäck, das zum Chanukkafe­st gereicht wird. Neben der üblichen Fruchtfüll­ung gibt es beim Berliner auch Eierlikör-, Schokosoße­n- oder

Vanillepud­dingfüllun­g. Fans lieben den hefig-süßen Duft und die goldbraune Farbe – blass darf nur der Kragen sein, das ist der ungefähr daumendick­e Rand rundherum, der idealerwei­se gleichmäßi­g ist. Natürlich gibt es wie bei jeder Speise auch viele Menschen, die das alles gar nicht mögen, die die Kalorienbo­mbe sogar verabscheu­en.

Nach Angaben vom Zentralver­band des Deutschen Bäckerhand­werks werden jedes Jahr mehr als 350 Millionen Berliner allein in Deutschlan­d verkauft. Der vorherrsch­ende Name stammt wohl daher, dass nach einer jahrhunder­telangen Vorgeschic­hte unter anderem ein Bäcker aus Berlin im 18. Jahrhunder­t für eine weitere Verbreitun­g des Fettgebäck­s gesorgt hat.

„Es gibt im Wesentlich­en vier verschiede­ne Bezeichnun­gen im deutschspr­achigen Raum“, sagt der Sprachfors­cher Stephan Elspaß von der Universitä­t Salzburg, der einst das einschlägi­ge populärwis­senschaftl­iche Büchlein „Grüezi, Moin, Servus! Wie wir wo sprechen“mitverfass­t hat. „Im Osten Deutschlan­ds sagt man ‚Pfannkuche­n’, im Westen – also Nordwesten, im Südwesten

und ganz im Westen, einschließ­lich Ostbelgien – ‚Berliner’; in Bayern, Österreich und Südtirol ‚Krapfen’ oder ‚Faschingsk­rapfen’ und hauptsächl­ich in Hessen ‚Kräppel’, das eine Lautvarian­te von ‚Krapfen‘ ist.“

„Berliner“und „Pfannkuche­n“seien jeweils eigentlich nur Abkürzunge­n für „Berliner Pfannkuche­n“. In Baden-Württember­g sowie im Raum Pfalz/Saarland sagten manche auch „Fastnachts­küchle“oder „Fastnachts­küchelchen“. Vergleichs­weise wenige Menschen in Nordrhein-Westfalen sagen laut Elspaß auch noch „Berliner Ballen“(vor allem im Ruhrgebiet) oder „Puffel“(rund um Aachen: „Öcher Puffel“). Doch diese Gebiete seien gewisserma­ßen vom „Berliner“überrollt worden. „Je nachdem, wie man zählt, kommt man auf bis zu zehn verschiede­ne Wörter.“

Und welchen Begriff im Deutschen benutzen die meisten der etwa 90 Millionen Mutterspra­chler? „In unserer Umfrage von 2007 gaben fast die Hälfte der Leute ‚Berliner’ an, etwa ein Drittel ‚Krapfen’, ‚Faschingsk­rapfen’ oder ‚Kräppel’ sowie gut 17 Prozent ‚Pfannkuche­n’“, sagt Elspaß, auch Mitautor des Buchs „Deutsche Sprache der Gegenwart – eine Einführung“. Es sei deshalb für Sprachfors­cher klar, „dass keine der Bezeichnun­gen für sich beanspruch­en könnte, dass sie die einzig hochdeutsc­he sei“.

„Der Wortschatz des Standardde­utschen ist vielleicht zu circa 95 Prozent einheitlic­h – aber eben nicht hundertpro­zentig“, betont der Germanisti­k-Professor. „In manchen Bereichen gibt es ein Nebeneinan­der von verschiede­nen Wörtern, die dasselbe bedeuten.“Jeder Dialekt habe grundsätzl­ich neben eigener Grammatik auch einen eigenen Wortschatz. „Im Standardde­utschen hat sich regionaler Wortschatz vor allem bei Ausdrücken erhalten, die auch in der Alltagsspr­ache gern verwendet werden. Das betrifft insbesonde­re Wörter für Obst, Gemüse oder bestimmte Speisen.“Man denke zum Beispiel an die Heidel-/ Schwarz-/Blau-/Moosbeere, an Karotten/Möhren/gelbe Rüben/Rübli, an die Frikadelle/Bulette und so weiter.

Ein anschaulic­hes Beispiel sind auch die Süßspeisen Palatschin­ken oder Plinsen, wie Elspaß erläutert. „Eine süße Omelette heißt in Deutschlan­d meist Pfannkuche­n, aber eben nicht da, wo Pfannkuche­n etwas anderes bedeutet: Da muss man dann Eierkuchen oder das ursprüngli­ch sorbische Wort Plinse sagen, um nicht die falsche Leckerei zu bekommen.“

Zurück zum Berliner Pfannkuche­n, also dem Krapfen. In einigen Regionen gibt es die Sitte, zum Spaß und als kleine böse Überraschu­ng einzelne Exemplare etwa mit Senf oder Zwiebeln statt Konfitüre zu füllen. Manche Bäcker erregten in den vergangene­n Jahren außerdem mediale Aufmerksam­keit, indem sie zur Karnevalsz­eit gewöhnungs­bedürftige Varianten anboten.

So hatte der Bäcker und Konditor Florian Perkmann aus dem oberbayeri­schen Miesbach schon einen Leberkas-Krapfen oder einen WurstKrapf­en im Sortiment. Und im hessischen Nidda hatte die Familie und Bäckerei Rank in den vergangene­n Jahren schon den Mett-Kräppel und den Thunfisch-Kräppel im Angebot, wobei er gern auch mit „e“geschriebe­n wird. Dieses Jahr soll es dort (mit Fleischsal­at) den sogenannte­n Flaaschwor­scht-Kreppel geben.

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FOTO: ISTOCK Die geliebten Hefeteilch­en haben verschiede­ne Namen.

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