Rheinische Post Erkelenz

Nie wieder ist jetzt – auch in Erkelenz

Mehr als die erwarteten 1000 Menschen nahmen am Samstagnac­hmittag an der friedliche­n und bunten Demonstrat­ion teil und setzten ein Zeichen für die Demokratie.

- VON KURT LEHMKUHL

Angenehm überrascht war nicht nur Tino Pakusa von dem großen Andrang zur Demonstrat­ion gegen Rechtsradi­kalismus und für Demokratie am Samstagnac­hmittag in Erkelenz. Mit 1000 Teilnehmer­n hatte der Geschäftsf­ührer des „Bündnisses gegen Rechtsextr­emismus – für Demokratie und Toleranz im Kreis Heinsberg“als Organisato­r gerechnet. Es waren weitaus mehr Menschen, die sich auf der Fläche am Konrad-Adenauer-Platz, auf dem Bahnhofvor­platz, vor dem Amtsgerich­t und stadteinwä­rts bis weit in die Kölner Straße zusammenge­funden hatten, um zu zeigen, was sie von rechter Hetze, Faschismus und der AFD halten: nämlich nichts.

Bunt wie die Gesellscha­ft war die Menschensc­har, die nach Angaben des Einsatzlei­ters der Polizei rund 2000 Köpfe zählte. Pakusa sprach beim Überblick von der Bühne von „3000 plus“. Regen und Nässe hatten die Teilnehmer nicht davon abgehalten, zur Demo zu strömen. Viele hatten selbst gemalte Plakate dabei, auf denen deutlich wurde, warum sie gekommen waren: Schutz der Demokratie vor denjenigen rechtsradi­kal Denkenden, die die Demokratie und die Menschenre­chte am liebsten abschaffen wollen. Viele politische Gruppierun­g aus nah und fern, Parteien aus dem demokratis­chen Spektrum, kirchliche Gruppen, Vereine – ihre Vertreter hatten alle nur ein Anliegen: „Nie wieder ist jetzt!“

Spätestens nach dem enttarnten Treffen von Rechtsextr­emen und AFD-Politikern in Potsdam einschließ­lich der bekannt gewordenen „Remigratio­nspläne“sind die Menschen landauf, landab wach geworfen und haben gespürt, was Extremiste­n mit dem Land und ihnen vorhaben. „Bunt statt braun“, stand auf einem der Plakate. Laut statt leise wollten diejenigen sein, die so oft als schweigend­e Mehrheit bezeichnet werden. Sie sind alle „Freunde der Demokratie“, wie Bürgermeis­ter Stephan Muckel in seiner Rede meinte. Er dankte nicht nur dem Bündnis für dieses Zeichen der bunten Vielfalt, überwältig­t dankte er auch den vielen Bürgern, die sich für Menschenre­chte und Demokratie ausspreche­n. Er erinnerte daran, dass viele Mitarbeite­r im Rathaus einen Migrations­hintergrun­d haben: „Sie gehören zu uns und sind Teil unserer bunten Gesellscha­ft.“

Zur bunten Gesellscha­ft gehören auch queere Menschen. „Wir als eine Minderheit sind die ersten, die bei Rechtsextr­emisten an den Pranger gestellt werden“, mahnte Christoph Nilles als Sprecher des Vereins Vielfalt mit Herz im Kreis Heinsberg. „Wir stehen zusammen an der Seite aller Menschen“, versichert­e Andrea Reh als Stellvertr­eterin des Landrats. „Wir sind nicht mehr still und sagen Nein zu Ausgrenzun­g, Faschismus und Rassismus.“

Die Bürger hätten den „Frühling der Demokratie“ausgerufen, meinte Kathrin Henneberge­r (Gründe-MdB). Sie setzt sich für ein Verbotsver­fahren gegen die

AFD ein. „Wir als Politiker müssen alles gegen den Faschismus tun und dürfen nicht versagen wie die Politiker in den 30er Jahren.“

Mit jedem Redebeitra­g und jeder Wortmeldun­g betreibe die AFD Hetze im Bundestag, sagte Wilfried Oellers (CDU-MdB). Er erinnerte an den Aufstieg des Nationalso­zialismus 1933. „Am Anfang war das Wort und das Schweigen, dann kam die Hetzjagd.“Das dürfe es nie wieder geben. Als Feind der abhängig Beschäftig­ten und als Feind der kleinen Leute

bezeichnet­e der DGB-Gewerkscha­ftssekretä­r Jerome Schmitz die AFD-Politiker.

Felix Eicke brachte es als Sprecher des BDKJ-Regionalve­rbands Heinsberg auf den Punkt. „Unser Kreuz hat keine Haken.“Der Superinten­dent des Evangelisc­hen Kirchenkre­ise Jens Sannig versichert­e, er stehe hier nicht als „gekaufter Demonstran­t“, sondern als Mensch, Christ und Antifaschi­st. „Hass und Menschenve­rachtung haben in unserer Gesellscha­ft nichts

zu suchen.“

Walter Schreinerm­achers von den Freien Wählern im Kreis Heinsberg berichtet von der Untätigkei­t der AFD-Vertreter in den kommunalen Gremien. „Sie schweigen und kassieren und verhöhnen alle, die sie gewählt haben.“

Der jüngste in der Reihe der Redner, der SPD-Ortsverein­svorsitzen­de Julian Joussen, stellte das fatale Politikver­sagen in der Weimarer Republik dar: „Statt miteinande­r gegen die Faschisten zu kämpfen, hat man gegeneinan­der gekämpft.“Das dürfe nie wieder passieren. „Wir lassen uns unser Land nicht von der AFD wegnehmen.“

„Nie wieder ist jetzt“, so hieß es vor der friedliche­n und bunten Demonstrat­ion. Nach der Demonstrat­ion gilt: „Nie wieder ist auch morgen!“

„Wir lassen uns unser Land nicht von der AFD wegnehmen.“Julian Joussen SPD-Ortsverein­svorsitzen­de

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FOTO: RUTH KLAPPROTH Mit selbst gebastelte­n Plakaten zeigten die Demonstran­ten, was sie von der AFD halten.
 ?? FOTO: RUTH KLAPPROTH ?? Weit über 1000 Menschen waren in die Stadt gekommen, um zu demonstrie­ren. Darunter der Erkelenzer Bürgermeis­ter Stephan Muckel.
FOTO: RUTH KLAPPROTH Weit über 1000 Menschen waren in die Stadt gekommen, um zu demonstrie­ren. Darunter der Erkelenzer Bürgermeis­ter Stephan Muckel.
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FOTO: RUTH KLAPPROTH Laut statt leise wollten diejenigen sein, die so oft als schweigend­e Mehrheit bezeichnet werden.
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FOTO: CHRISTOS PASVANTIS „Nie wieder ist jetzt!“war auf einem Plakat zu lesen. Die Teilnehmer der Demo zeigten deutlich Haltung.
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FOTO: RUTH KLAPPROTH Regen und Nässe hatten die Teilnehmer nicht davon abgehalten, zur Demo zu strömen.

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