Wenn Kammermusik jugendlich und ausgelassen klingt
Ein reifes Alterswerk und ein von jugendlichem Elan kündendes Frühwerk kombinierten sechs Musiker im Programm des zweiten Kammerkonzerts. Nachdem das erste Kammerkonzert krankheitsbedingt hatte abgesagt werden müssen, verwunderte es nicht, dass der Studiosaal des Theaters fast ausverkauft war, als hier das Vitus-Quartett antrat. Es gab offenbar Nachholbedarf.
Weil die vier Musiker zwei Sextette ausgewählt hatten, brauchten sie Verstärkung aus den Reihen der Niederrheinischen Sinfoniker. Die fanden Konzertmeisterin Chisato Yamamoto und Johanna Brinkmann (1. Violinen), Richard Weitz (Viola) und Raffaele Franchini (Cello) in der Bratschistin Laura Krause und dem Cellisten Leonard Rees.
„Antreten“trifft es genau, denn nur die Cellisten durften im Sitzen aus den Notenpulten spielen, die anderen standen im Halbrund, um mit viel Leichtigkeit und empathischer Tongebung zwei Meisterwerke der Kammermusikliteratur aufzuführen. Wobei das eröffnende Sextett des fast 80-jährigen Richard Strauss über diese Gattung hinausweist, handelt es sich doch um die Einleitung zu der einaktigen Konversationsoper „Capriccio“op. 85.
„Wir wollten nicht, dass unser Programm gleichförmig gerät“, erläuterte Richard Weitz vor Spielbeginn.
Und so stellten sie dem alten Strauss das 1860 komponierte Streichsextett Nr. 1 B-Dur op. 18 aus der Feder des 27-jährigen Johannes Brahms gegenüber. Ein Glück, dass der damals die Noten seinem Freund Joseph Joachim gezeigt hatte. Der war begeistert: „Ein Werk, das seines Meisters Lob singt!“, urteilte Joachim.
Im Konzert konnten die Musiker besonders mit dem zweiten Teil, dem Brahms-Sextett, glänzen. Gleich das erste, gemächlich wiegende Thema führt mitten hinein in tiefes Wohlbehagen. Lebhaft werfen sich die sechs Akteure die markanten Themenfragmente zu, zeigen auch in den Folgesätzen immer wieder, wie der junge Brahms hier im Keim sein späteres Prinzip der thematisch „durchbrochenen Arbeit“vorentwickelt. Die sechs sind in jeder Sekunde mit voller Konzentration im Spiel, verwöhnen mit kantablen Klangbögen und markanten Akzentuierungen. Jugendlich, ausgelassen, fröhlich, unprätentiös – so kommt der herzliche, durchaus auch mal raue Charakter unverfälscht im Publikum an.
Anders das voraufgegangene „Capriccio“-Sextett von Richard Strauss. Hier wirkten die sechs in kunstvoll verwobenen Motiven ein edles, aristokratisch-vornehmes Klangnetz aus hochverdichtetem Töne-Material. Eine unendliche Melodie, die zum Träumen einlud. Überraschende Heiterkeit strömte daraus, die man in jener Zeit brutalster Entmenschlichung wohl kaum erwartet hätte. Bravo!