Rheinische Post Erkelenz

Nicolas‘ gute Bilanz mit bitterer Note

Sein Fehler brachte die Bayern auf die Siegerstra­ße, ansonsten hatte Borussias Keeper erneut eine gute Partie gezeigt.

- VON THOMAS GRULKE

Bei einem Torwart ist der Weg vom Helden zur tragischen Figur mitunter extrem kurz – das bekam Moritz Nicolas am Samstag zu spüren. In der Vorwoche hatte er Borussia mit neun Paraden noch vor einer Niederlage in Leverkusen bewahrt, erstmals in der Saison hatte Bayer nicht getroffen, während Nicolas sein zweites Zu-Null-Spiel in der Bundesliga feiern durfte. Nun in München war dem 26-Jährigen gar nicht nach Feiern zumute – und auch nicht nach Reden.

Dafür sprachen andere Borussen über ihren Torwart, dessen Patzer die Niederlage gegen Bayern eingeleite­t hatte. Eine eigentlich harmlose Flanke Leon Goretzkas bekam Nicolas knapp vor seinem Fünfmeterr­aum im Luftkampf gegen Bayerns Thomas Müller nicht zu fassen, den Abpraller köpfte Harry Kane aus wenigen Metern zur Münchener 2:1-Führung in der 70. Minute ein.

Zwar wurde der Treffer überprüft, nachdem sich Nicolas und die Kollegen beim Schiedsric­hter beschwert hatten. Doch letztlich war der leichte Kontakt an den Beinen zwischen Müller und Nicolas nicht genug, um das Tor zurückzune­hmen. „Für mich ist es kein Foul, es gibt zwar einen leichten Kontakt, aber so viel Duell muss im Fußball sein“, gab auch Gladbachs Trainer Gerardo Seoane ehrlich zu, „Mo hat in einigen Spielen gezeigt, dass er sich die Bälle pflücken kann. In der Situation hat er ein bisschen gezögert“.

In der Tat dauerte es einen Sekundenbr­uchteil, ehe Nicolas der Bogenlampe entgegengi­ng – das genügte, um nicht mehr richtig an den Ball zu kommen. „Ja, da muss er ohne Rücksicht auf Verluste durchgehen. Aber daraus wird er lernen. Wir machen dem Jungen keinen

Vorwurf“, sagte Gladbachs Manager Roland Virkus zur verhängnis­vollen Szene. Und sie war zugleich bitter, weil es Borussia in der zweiten Halbzeit bis dahin ganz gut verstanden hatte, Bayerns Angreifer nicht in gefährlich­e Abschlussp­ositionen kommen zu lassen.

Zu Beginn des Spiels hatte das anders ausgesehen, da vergab vor allem Leroy Sané zweimal in aussichtsr­eicher Position. Hatte Nicolas da noch das Glück des Tüchtigen, zeigte er dann sein Können, als er einen Freistoß Kanes sehenswert aus dem Winkel fischte. Auch ansonsten knüpfte Borussias Torwart an die guten Leistungen der Vorwochen

an, einzig einen verunglück­ten Ball im Spielaufba­u musste er sich ankreiden lassen – und jene Szene in der 70. Minute.

So war der Patzer auch für den Keeper bitter, weil er die übrigen 90 Minuten überschatt­ete. Ob er auch entscheide­nd dafür war, dass Gladbach keinen Punkt bei den Bayern holte, das ist Auslegungs­sache. Schließlic­h waren nach dem 1:2 inklusive Nachspielz­eit noch knapp 25 Minuten zu spielen. Blöd gelaufen war es für Nicolas auf jeden Fall – so ähnlich wie schon beim 1:3 beim 1. FC Köln.

Auch da hatte es 1:1 gestanden – ebenfalls nach einem Gladbacher

Treffer durch Nico Elvedi –, als Nicolas im Luftduell eine unglücklic­he Figur machte, statt den Ball Kölns Luca Waldschmid­t im Gesicht traf. Der fällige Strafstoß führte zum 1:2, Gladbach war durch Manu Konés Rote Karte bereits in Unterzahl und kam nicht mehr zurück. Dass auch der dritte nennenswer­te Patzer des Keepers – beim 2:2 daheim gegen Werder Bremen – Punkte kostete, verleiht Nicolas‘ insgesamt doch so gute Bilanz einen bitteren Beigeschma­ck. Ihm war es bislang nicht vergönnt, einen dieser Fehler in einem Moment zu begehen, in dem er keine so große Auswirkung mehr auf den Spielausga­ng hatte.

Womöglich auch deswegen war es Virkus wichtig, die Gesamtsich­t auf seinen Keeper ins rechte Licht zu rücken: „Mo hat bis jetzt hervorrage­nde Spiele gemacht, er kommt viel zu schlecht weg.“Ersteres ist zweifelsfr­ei so. Nicolas agierte nach der Schulter-OP, die Borussias etatmäßige Nummer eins, Jonas Omlin, zur monatelang­en Pause zwang, derart sicher und souverän, dass schon eine Diskussion entbrannt ist, ob nach Omlins Rückkehr nicht trotzdem Nicolas im Tor bleiben müsse. Die Befürworte­r dieses Szenarios werden sicher ins Feld führen, dass der 26-Jährige den Gladbacher­n mit seinen Paraden auch schon so manchen Punkt gerettet hat – nicht zuletzt in Leverkusen.

In Erinnerung ist auch seine Großtat im DFB-Pokal-Achtelfina­le gegen den VfL Wolfsburg geblieben, als er gegen Jonas Wind das Gladbacher Aus kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit verhindert­e – Borussia gewann dann durch ein Tor Konés in der 120. Minute. Dieser Treffer öffnete die Tür zum Viertelfin­ale, das Gladbach nun am Mittwoch (20.45 Uhr) beim 1. FC Saarbrücke­n bestreitet. Gegen den Drittligis­ten wird Nicolas wieder im Borussen-Tor stehen. Dann soll es besser für ihn laufen – auch der Weg von der tragischen Figur zum Helden ist mitunter extrem kurz.

 ?? FOTO: IMAGO/KOLBRET-PRESS ?? Borussias Torwart Moritz Nicolas kann den Ball in dieser Szene nicht festhalten, Sekunden später trifft Harry Kane zum 2:1 für die Bayern.
FOTO: IMAGO/KOLBRET-PRESS Borussias Torwart Moritz Nicolas kann den Ball in dieser Szene nicht festhalten, Sekunden später trifft Harry Kane zum 2:1 für die Bayern.

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