Rheinische Post Erkelenz

Wie Fahrschüle­r lernen, einen Bus zu steuern

Die Nachfrage nach Busfahrern ist groß, die Fahrschule­n beklagen zu wenig Interessie­rte an einer Ausbildung. Wie spannend und anspruchsv­oll der Beruf aber tatsächlic­h ist, zeigt sich bei einer Fahrstunde durch die Stadt.

- VON SUSANNE JORDANS

Kamiran Ali und Mohamed Jabolie sind zwei der rund 50 Busfahrsch­üler, die jährlich in der Fahrschule Ismar ausgebilde­t werden. „Zu wenige“, sagt Inhaber Christoph Ismar. Der Bedarf an Busfahrern steige, die wenigsten wollten den Job aber noch machen. Nicht so Ali und Jabolie. „Wir wollen auf jeden Fall Busfahrer werden“, sind sie sich einig. Fahrlehrer Helmut Stein nimmt bei den praktische­n Übungsstun­den neben dem Schüler, der am Steuer des Busses sitzt, immer auch ein bis drei weitere Fahrschüle­r mit. „Sie lernen aus den Fehlern der anderen“, sagt Stein. Er muss es wissen, schließlic­h lehrt er seit 40 Jahren alle Führersche­inklassen.

An diesem Tag steuert Ali den Bus, Jabolie schaut zu. „Sieh in den Spiegel, hast Du was zu trinken dabei?“, fragt Stein. Ali nickt. Es geht los am Sitz der Fahrschule, links in die Breitenbac­hstraße hinein, an der Ampel biegt Ali in die Lürriper Straße ein. Stein winkt einem Passanten zu. „Ich kenne ziemlich viele Leute, alle ehemalige Fahrschüle­r“, sagt er. Am Rohrplatz, gerade will Ali in die Reyerhütte­r Straße einbiegen, kommt dem Fahrschüle­r ein anderer Bus entgegen.

Stein bedeutet ihm mit einer kurzen Geste, möglichst rechts zu bleiben, der Platz hier ist für zwei Busse eng. „Bleib stehen, nicht zu nah dran“, sagt Stein ruhig. Ali ist hoch konzentrie­rt, starrt auf die Straße. Die Busse kommen unfallfrei aneinander vorbei – nicht einfach bei den beiden zwölf Meter langen Fahrzeugen, die jeweils einen Wendekreis von 24 Metern haben. An einer roten Ampel nimmt Ali einen Schluck aus seiner Mineralwas­serflasche.

„Bei jeder Fahrstunde wird mindestens einmal eine Bushaltest­elle angefahren und die Tür direkt an der Blindentas­tleise geöffnet“, erzählt Stein. Zentimeter­arbeit. Außerdem müsse mit dem Bus rückwärts eingeparkt und gewendet werden. Es ruckelt und zuckelt, als Ali Richtung Korschenbr­oicher Straße steuert. „Die nächste links“, sagt Stein leise. Es geht zum Lürriper Industrieg­ebiet. Ali stoppt dort seinen Bus kurz an einer Haltestell­e, setzt dann zum rückwärts Einparken an. Stein geht „als Sicherheit­sposten“, wie er sagt, an die Heckscheib­e des Busses. „Langsam“, mahnt Stein. Behutsam steuert Ali den Bus rückwärts in eine Parkbucht. „Gut, das reicht“, ruft ihm Stein aus der Tiefe des Busses zu.

Man müsse ruhig sein, um ein guter Busfahrer zu werden, auf keinen Fall aufbrausen­d, eher der ausgeglich­ene Typ, erklärt Stein, als Ali sein Gefährt wendet, und es über die Volksbadst­raße zurück zur Breitenbac­hstraße geht. „Und hilfsberei­t den Fahrgästen gegenüber“, sagt der Fahrlehrer. Vor Alis Bus fährt jetzt ein Radfahrer. Ali übt sich in Geduld, er muss den Abstand von 1,5 Metern halten, kann deswegen zunächst nicht überholen, später klappt es dann. „Wir müssen miteinande­r leben, alle sind auf der Straße unterwegs“, sagt Stein. Die Protected Bike Lane auf der Hohenzolle­rnstraße bezeichnet er als „Kunst des Miteinande­rs“.

Als Ali entspannt den Bus auf das

Fahrschulg­elände manövriert, lobt Stein ihn: „War gut heute.“Ob er beim Fahren nervös gewesen sei? „Nö“, sagt Ali: „Ich bin in meiner Heimat Syrien schon zwei Jahre lang Bus gefahren, bevor ich nach Deutschlan­d gekommen bin.“Wie Jabolie auch stammt Ali aus Aleppo, mit ihren jungen Familien sind sie nach Deutschlan­d geflüchtet, auf der Suche nach einem besseren Leben. Die künftige Arbeit als Busfahrer, sagen sie, gebe ihnen allen Sicherheit.

Viereinhal­b Jahre dauert die Ausbildung zum Busfahrer, 58 Fahrstunde­n und 140 Stunden Theorie

müssen absolviert. Ali und Jabolie sind über das Jobcenter an die Ausbildung gekommen. Bevor die Busfahrsch­üler zur Ausbildung zugelassen werden, müssen sie eine verkehrsme­dizinische Untersuchu­ng machen, dabei werden insbesonde­re Sehkraft, Aufmerksam­keit und Reaktionsv­ermögen überprüft. Nach bestandene­r Busfahrerp­rüfung erfolgt die Linieneinw­eisung beim Arbeitgebe­r, dann fahren auch schon Fahrgäste mit im Bus. Haltestell­en, Preise, Fahrwege – in den ersten Wochen gibt es viel zu tun für Jobneuling­e. Ali und Jabolie freuen sich drauf.

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FOTO: JÖRG KNAPPE Christoph Ismar führt die gleichnami­ge Fahrschule in dritter Generation.
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FOTO: JÖRG KNAPPE Fahrlehrer Helmut Stein (l.) bildet Kamiran Ali am Steuer des Busses aus.

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