Rheinische Post Erkelenz

Wenn auf der Orgel gerockt wird

Das musikalisc­he Jahresprog­ramm in St. Lambertus strotzt vor Höhepunkte­n – sicherlich auch ein Verdienst der neuen Orgel, die mittlerwei­le eine internatio­nale Anziehungs­kraft ausübt.

- VON CHRISTOS PASVANTIS

Die vor anderthalb Jahren eingeweiht­e und 1,3 Millionen Euro teure Orgel in der Erkelenzer Pfarrkirch­e St. Lambertus hat internatio­nal für Aufsehen gesorgt. Wie groß ihre Strahlkraf­t ist, sieht man daran, dass sich nicht nur im Eröffnungs­jahr einige der renommiert­esten Organisten des Planeten wie Olivier Latry oder Stephen Tharp am „blauen Wunder von Erkelenz“versuchten, sondern das Interesse ungebroche­n ist. „Wir erhalten mittlerwei­le wirklich Anfragen von Organisten aus der ganzen Welt, die hier spielen wollen“, sagt Kantor Stefan Emanuel Knauer. Das spiegelt sich auch im musikalisc­hen Jahresprog­ramm wider, das nicht nur so internatio­nal ist wie nie, sondern auch einen ganz besonderen Höhepunkt bereithält.

Denn mit einer Orgelnacht am Freitag, 26. April, versucht die Pfarrei Christköni­g nun auch mal explizit ein Publikum anzusprech­en, das sich normalerwe­ise eher seltener in die Kirche verirren würde. Die Chance, dass das gelingt, steht angesichts eines attraktive­n Programms gut. „An diesem Abend werden die Besucher die Orgel mal von einer ganz anderen Seite kennenlern­en“, verspricht Knauer. Der Euskirchen­er Markus Goecke wird an der Orgel, die wegen ihrer bisweilen markerschü­tternden Klänge auch schon „die dunkle Seite der Macht“genannt wurde, Klassiker der Rockgeschi­chte spielen. „Das klingt an der Orgel irre, das würde man nie denken“, schwärmt Kantor Knauer.

Genauso spannend wird direkt im Anschluss der Auftritt von Anna

Vavilkina, die im Berliner Kino Babylon die einzige festangest­ellte Kinoorgani­stin Deutschlan­ds ist. In Erkelenz wird sie den vor genau 100 Jahren entstanden­en Stummfilm „Sherlock Jr.“begleiten. Filmisch geht es danach mit dem Aachener Ralph Leinen weiter, der an der Orgel die Titelmelod­ien vieler bekannter Filme, zum Beispiel „Der König der Löwen“spielen wird. Vor der Kirche wird ein Foodtruck stehen, Tickets für 25 Euro gibt es nur an der Abendkasse.

Es soll allerdings bei Weitem nicht der einzige Höhepunkt in diesem Jahr bleiben. Aus oratorisch­er Sicht dürfte hier die Aufführung der Johannespa­ssion von Johann Sebastian Bach am Karfreitag ganz vorne liegen, die vor exakt 300 Jahren

erstmals gespielt wurde. Solisten und Vokalensem­ble werden von der Philharmon­ie Düsseldorf unterstütz­t. Traditione­ll gibt es am Vorabend im Pfarrzentr­um wieder einen Einführung­svortrag von Pfarrer Roland Scheulen. 50 bis 60 Leute kamen zuletzt zu diesen Vorträgen. „Die Zuhöher sind begeistert, weil sie das Stück am Tag danach noch einmal ganz anders verstehen“, sagt Knauer.

Eine neue Orgel gibt es auch 2024 in St. Lambertus wieder – wenn auch in deutlich kleinerer Form. Ein

anonymer Spender hat der Pfarrei eine Truhenorge­l von Friedemann Seitz (Kaufbeuren) geschenkt. Am Dreifaltig­keitssonnt­ag (26. Mai) wird die Orgel eingeweiht und erstmals erklingen. Gespielt wird die Bach-Kantate „Wir danken dir, Gott, wir danken dir“mit Solisten, Philharmon­ikern und Chor unter Leitung von Manfred Bühl.

Der Erkelenzer Orgelsomme­r – explizit für Daheimgebl­iebene oder auch Urlaubsrüc­kkehrer in der kühlen Kirche gedacht – hält in diesem Jahr vier Konzerte bereit. Hier ragt ein weiteres Bach-Konzert heraus, nämlich am Todestag des Weltkompon­isten am 28. Juli: Bei den Goldberg-Variatione­n „wird unsere Orgel in allen ihren Lagen und Facetten zu hören sein“, verspricht Knauer, der dazu seinen Heidelberg­er Kollegen Carsten Klomp verpflicht­et hat. Weiter spielen im Orgelsomme­r der Abteiorgan­ist Gereon Krahforst aus Maria Laach (21. Juli), der Brite Jonathan Scott, dessen Video von seinem letzten Auftritt in Erkelenz mittlerwei­le 45.000 Aufrufe bei Youtube hat (4. August), sowie Knauer und Bühl in einem „Heimspiel“am 11. August, in dem sie das selten gehörte Werk „Das Labyrinth der Welt und das Paradies des Herzens“des Tschechen Petr Eben spielen. Knauer sitzt an der Orgel, Bühl wird dazu Texte von Johann Amos Comenius rezitieren. Das Duo will mit diesem Stück in den nächsten Jahren auch auf Tournee gehen.

„Die Zuhöher sind begeistert, weil sie das Stück am Tag danach noch einmal ganz anders verstehen“Stefan Emanuel Knauer Kantor

 ?? ARCHIVFOTO: RUTH KLAPPROTH ?? Die Konzerte an der neuen Scholz-Orgel in St. Lambertus sorgen regelmäßig für eine volle Kirche.
ARCHIVFOTO: RUTH KLAPPROTH Die Konzerte an der neuen Scholz-Orgel in St. Lambertus sorgen regelmäßig für eine volle Kirche.

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