„Sprachlosigkeit beim Thema Depression“
Die weltweit wohl häufigste psychische Erkrankung stößt in der Öffentlichkeit auf viel Unverständnis. Der Film „Expedition Depression“will aufklären und Wege zum Miteinander vorstellen.
Bei einem Beinbruch ist der Orthopäde schnell bei der Hand, bei Kariesbefall weiß der Zahnarzt genau, was er zu tun hat. Jeder Patient bekommt die passende Diagnose und Therapie. Wenn es allerdings um psychische Erkrankungen geht, ist die Skepsis groß. „Aber auch wir haben unser Rüstzeug und verstehen unser Handwerk, um zu helfen und zu heilen“, sagt Freia Hahn von der Kinder- und Jugendpsychiatrie der LVR-Klinik Viersen.
Insbesondere bei Depressionen sei in der Öffentlichkeit viel Unverständnis, oftmals aus Unwissenheit gegeben, obgleich die Depression die weltweit wohl häufigste psychische Erkrankung sei. Aufzuklären, Verständnis erwecken, Wege zum Miteinander von Erkrankten, Genesenen und nicht Betroffenen zu finden, das hat sich der Film „Expedition Depression“zum Thema gemacht. Gemeinsam mit der Deutschen Depressionsliga hat die Krankenkasse AOK den Film beauftragt, der von dem Arzt und Filmemacher Axel Schmidt und der Produzentin Michaela Kirst für die Kölner Film- und Fernsehproduktionsfirma Sagamedia gedreht wurde.
Entstanden ist ein Roadmovie – also ein Film, der auf der Straße spielt und von Reisen berichtet –, der fünf junge Erwachsene zeigt, die sich auf die Spuren ihrer Erkrankungen machen. Die AOK in Mönchengladbach bot Interessenten die Möglichkeit, sich diesen Film in der Cinefactory im Haus Zoar anzuschauen, um hautnah zu erfahren, was Ursachen für Depressionen sind, wie sich die Betroffenen fühlen, welche Möglichkeiten es gibt, die Erkrankung zu heilen oder zumindest zu beherrschen. Die Depression sei ein Thema, bei dem große Sprachlosigkeit herrsche, meinte die Moderatorin des Abends, Tanja Kulig-Braß. Man wolle Mut machen, darüber zu reden, ergänzte der Facharzt für Psychiatrie, Axel Schmidt.
Die Erkrankung Depression sei immer noch ein Tabuthema, sie werde von vielen Außenstehenden im Jugendalter oft nicht erkannt. Umso wichtiger sei es, Betroffene zu Wort kommen zu lassen, so AOK-Regionaldirektorin Marion Schröder. Denn Depressionen seien, wie Freia Hahn versicherte, behandelbar – je früher sie erkannt werden, desto besser. Der Film „Expedition Depression“gibt der Erkrankung ein Gesicht. „Wir möchten Betroffenen und Angehörigen Mut machen und aufklären“, sagte Schröder.
Das Roadmovie, das einen tiefen Einblick in die Gefühlswelt von Menschen mit Depressionen gibt, begleitet fünf Protagonisten auf einer außergewöhnlichen Reise: Zwei Wochen war das Quintett, das von
Schmidt zusammengestellt worden war, in Deutschland unterwegs. Die fünf jungen Menschen kannten sich vorher nicht, wussten allenfalls von ihrer Erkrankung – und waren auf den Spuren ihrer Depression unterwegs. Sie besuchten eine Kinderund Jugendpsychiatrie, campierten auf einem Zeltplatz, machten eine Alpenwanderung und erlebten einen Sporttherapie-Tag. Sie offenbarten ihre Ängste, suchten Erklärungen für den Ausgangspunkt der Erkrankungen, stellten ihre Situation im alltäglichen Geschehen dar und kamen zu der Erkenntnis, die für alle gelten soll: Reden ist besser als Schweigen, Aufklären besser als Verdrängen.
„Ich habe ein gutes Leben“, sagt eine depressiv Erkrankte im Film. Sie hat sich geöffnet und weiß, mit der Erkrankung umzugehen. Viele, insbesondere Jugendliche, schweigen über ihre Depression, geben sich oft selbst die Schuld dafür, dass sie anders, isoliert, antriebslos, fast schon überflüssig sind. „Du bist nicht gut genug“, ist ein Satz, mit dem sich depressive Kinder und Jugendliche selbst geißeln, wie die Protagnisten wissen. Selbstverletzungen sind Ausdruck der Hilflosigkeit.
Die fünf Protagonisten aus dem Film haben ihren Weg mit der Depression gefunden, haben nach wie vor Kontakt und sind gelegentlich mit in Diskussionsrunden, wenn der Film gezeigt wird. Die Krankheit ist für jeden einzelnen ein Teil der individuellen Geschichte, das machte jeder der jungen Leute deutlich. Die Depression ist kein Stempel, der den Betroffenen markiert und ausgrenzt. „Wir müssen miteinander reden“, so der Appell von Hahn und Schmidt. Kinder und Jugendliche, aber auch Eltern und Umfeld sind gefordert. Aufklärung tut not. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn man mit Menschen über die Depression reden kann, die wissen, worüber sie reden“, sagte Monika Mausberg, die seit 18 Jahren eine Selbsthilfegruppe für depressiv Erkrankte organisiert.