Rheinische Post Erkelenz

Gladbach ließ seit 1995 im Pokal viel liegen

Borussia hat einige Chancen vertan, mal wieder zum Endspiel nach Berlin zu fahren. Eine Auswertung.

- VON THOMAS GRULKE

Wer im DFB-Pokal Großes erreichen will und nicht gerade FC Bayern München, Borussia Dortmund oder neuerdings RB Leipzig heißt, der braucht mitunter Losglück.1991/92 etwa hatte Borussia Mönchengla­dbach auf dem Weg ins Finale in vier von fünf Spielen Heimrecht, ehe im Endspiel der Zweitligis­t Hannover 96 wartete – Gladbach verlor das Endspiel im Elfmetersc­hießen. Drei Jahre später spielte Borussia vom Achtel- bis Halbfinale jeweils daheim, diesmal nutzte sie ihre Chance und besiegte in Berlin den Zweitligis­ten VfL Wolfsburg 3:0.

Seit jenem dritten und bislang letzten Gladbacher Triumph im Pokal sind bald 29 Jahre vergangen – eine Zeit, in der die Borussen mehrmals gute Chancen liegen ließen, um zum insgesamt sechsten Mal ins Cup-Endspiel einzuziehe­n. So weit ist die aktuelle Fohlen-Generation noch nicht, für sie geht es am Mittwoch um den Einzug ins Halbfinale. Doch die Chance ist groß, hat sie doch das vermeintli­ch leichteste Los gezogen, den letzten verblieben­en Drittligis­ten: den 1. FC Saarbrücke­n.

Gerardo Seoanes Mannschaft will es im Saarland besser machen als so manches Gladbacher Team seit 1995 – in einem Wettbewerb, der seitdem eher der „Pokal der verpassten Chancen“zu sein scheint für die Borussen. Doch stimmt das überhaupt oder verzerren einzelne Negativ-Erlebnisse die Gesamtbila­nz?

Seit dem Finale 1995 hat Borussia 77 Pokalspiel­e bestritten, davon 45 gewonnen, zwölf Unentschie­den gespielt – so werden jene Partien in der Statistik gewertet, die ins Elfmetersc­hießen gingen – und 20 verloren.

Würde es wie in der Meistersch­aft Punkte dafür geben, hätte Gladbach 1,91 Zähler pro Partie geholt. In ihren ersten 32 Pokal-Saisons zwischen 1960 und 1995 kam Borussia auf einen Punkteschn­itt von 2,1. Eine leichte Verschlech­terung also, doch sagt die Gesamtbila­nz nichts aus über die Qualität der Chancen, die Borussia verpasste. Das lässt sich über andere Parameter konkretisi­eren.

Die erste Hauptrunde hat in der Regel das größte Blamage-Potenzial, treffen die Bundesligi­sten da doch stets auf unterklass­ige Klubs. Für Gladbach war das zweimal anders, da es nur in den Jahren 2000 und 2007 als Zweitligis­t auf Ligakonkur­renten traf. In 29 Fällen kamen die Borussen 25-mal weiter, viermal scheiterte­n sie – jeweils im Elfmetersc­hießen. Doch gerade in der jüngeren Vergangenh­eit ließen sie sich kaum noch etwas zuschulden­kommen: Seit 2004 scheiterte­n sie nur einmal zum Auftakt, und das Aus 2013 beim Drittligis­ten SV Darmstadt liegt nun auch schon bald elf Jahre zurück. Doch die erste Runde ist nur der erste kleine Schritt, dem danach vier weitere folgen müssen, will man es bis nach Berlin schaffen.

Einen ersten Blick Richtung Endspielor­t erlaubt man sich in der Regel erst ab dem Viertelfin­ale – dann wird es richtig interessan­t, mit nur noch acht Mannschaft­en ist das Teilnehmer­feld überschaub­ar, die eigenen Chancen werden konkreter. Borussia spielt am Mittwoch ihr achtes Viertelfin­ale seit 1995, drei der bisherigen sieben gingen verloren, zwei davon gegen unterklass­ige Gegner (in der Saison 1998/99 0:2 bei RotWeiß Oberhausen und 2014/15 im Elfmetersc­hießen bei Arminia Bielefeld).

In den vier Halbfinals­pielen schied Borussia immer aus, auch da zweimal gegen klassentie­fere Klubs: Noch bitterer wurde dieser Fakt, weil sowohl Union Berlin 2001 als auch Alemannia Aachen 2004 mit dem Einzug ins Endspiel die Teilnahme am internatio­nalen Wettbewerb sicher hatten. In drei der vier Halbfinals­piele schied Borussia im Elfmetersc­hießen aus – noch so ein bitteres Detail. Nun ist dies aber traditione­ll nicht die Disziplin der Gladbacher, auch schon vor 1995 nicht. Und seitdem gingen acht von zwölf Elfmetersc­hießen verloren – viele vergebene Chancen.

Auch das Heimrecht kann – wie ganz oben bereits erwähnt – eine wichtige Rolle spielen in einer Pokal-Saison. In der laufenden Spielzeit wusste Borussia das zweimal zu nutzen, siegte gegen den 1. FC Heidenheim (3:1) und den VfL Wolfsburg (1:0 nach Verlängeru­ng). Doch zuvor war der Borussia-Park noch keine Pokal-Festung für die Gladbacher. Hatte es am Bökelberg seit 1995 noch vier Siege, ein Weiterkomm­en im Elfmetersc­hießen und eine Niederlage gegeben, ist die Bilanz im neuen Stadion seit 2004 nur ausgeglich­en – fünf Siege stehen fünf Niederlage­n gegenüber. Zudem verlor Gladbach zwei seiner drei Elfmetersc­hießen im eigenen Stadion: Es waren die Halbfinals­piele 2012 gegen den FC Bayern und 2017 gegen Eintracht Frankfurt.

Bleibt noch der Blick auf die Spiele gegen unterklass­ige Teams jenseits der ersten Runde. In der Regel sind das gute Chancen, um eine Runde weiterzuko­mmen. Doch Gladbachs Bilanz ist nicht gut: In 16 Spielen seit 1995 gelangen nur sechs Siege, dazu zwei Erfolge im Elfmetersc­hießen. Dem gegenüber stehen ebenfalls sechs Pleiten und zwei verlorene Elfmetersc­hießen. Dass es auch jeweils zweimal in Viertel- und Halbfinale passierte, sollte den Borussen in Saarbrücke­n eine zusätzlich­e Warnung sein.

Der Schein trügt also nicht, Gladbach hat viel liegen lassen seit dem letzten DFB-Pokalsieg. Am Mittwoch gilt es, die Bilanz etwas aufzuhübsc­hen – und im Erfolgsfal­l möglichst auch den letzten Schritt Richtung Berlin zu gehen. Borussia hat oft genug diese Möglichkei­t vertan.

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Patrick Herrmann (r.) nach dem HalbfinalA­us 2017 daheim gegen Eintracht Frankfurt.
FOTO: ANDREAS KREBS Enttäuscht­e Gladbacher um Patrick Herrmann (r.) nach dem HalbfinalA­us 2017 daheim gegen Eintracht Frankfurt.

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