Gladbach ließ seit 1995 im Pokal viel liegen
Borussia hat einige Chancen vertan, mal wieder zum Endspiel nach Berlin zu fahren. Eine Auswertung.
Wer im DFB-Pokal Großes erreichen will und nicht gerade FC Bayern München, Borussia Dortmund oder neuerdings RB Leipzig heißt, der braucht mitunter Losglück.1991/92 etwa hatte Borussia Mönchengladbach auf dem Weg ins Finale in vier von fünf Spielen Heimrecht, ehe im Endspiel der Zweitligist Hannover 96 wartete – Gladbach verlor das Endspiel im Elfmeterschießen. Drei Jahre später spielte Borussia vom Achtel- bis Halbfinale jeweils daheim, diesmal nutzte sie ihre Chance und besiegte in Berlin den Zweitligisten VfL Wolfsburg 3:0.
Seit jenem dritten und bislang letzten Gladbacher Triumph im Pokal sind bald 29 Jahre vergangen – eine Zeit, in der die Borussen mehrmals gute Chancen liegen ließen, um zum insgesamt sechsten Mal ins Cup-Endspiel einzuziehen. So weit ist die aktuelle Fohlen-Generation noch nicht, für sie geht es am Mittwoch um den Einzug ins Halbfinale. Doch die Chance ist groß, hat sie doch das vermeintlich leichteste Los gezogen, den letzten verbliebenen Drittligisten: den 1. FC Saarbrücken.
Gerardo Seoanes Mannschaft will es im Saarland besser machen als so manches Gladbacher Team seit 1995 – in einem Wettbewerb, der seitdem eher der „Pokal der verpassten Chancen“zu sein scheint für die Borussen. Doch stimmt das überhaupt oder verzerren einzelne Negativ-Erlebnisse die Gesamtbilanz?
Seit dem Finale 1995 hat Borussia 77 Pokalspiele bestritten, davon 45 gewonnen, zwölf Unentschieden gespielt – so werden jene Partien in der Statistik gewertet, die ins Elfmeterschießen gingen – und 20 verloren.
Würde es wie in der Meisterschaft Punkte dafür geben, hätte Gladbach 1,91 Zähler pro Partie geholt. In ihren ersten 32 Pokal-Saisons zwischen 1960 und 1995 kam Borussia auf einen Punkteschnitt von 2,1. Eine leichte Verschlechterung also, doch sagt die Gesamtbilanz nichts aus über die Qualität der Chancen, die Borussia verpasste. Das lässt sich über andere Parameter konkretisieren.
Die erste Hauptrunde hat in der Regel das größte Blamage-Potenzial, treffen die Bundesligisten da doch stets auf unterklassige Klubs. Für Gladbach war das zweimal anders, da es nur in den Jahren 2000 und 2007 als Zweitligist auf Ligakonkurrenten traf. In 29 Fällen kamen die Borussen 25-mal weiter, viermal scheiterten sie – jeweils im Elfmeterschießen. Doch gerade in der jüngeren Vergangenheit ließen sie sich kaum noch etwas zuschuldenkommen: Seit 2004 scheiterten sie nur einmal zum Auftakt, und das Aus 2013 beim Drittligisten SV Darmstadt liegt nun auch schon bald elf Jahre zurück. Doch die erste Runde ist nur der erste kleine Schritt, dem danach vier weitere folgen müssen, will man es bis nach Berlin schaffen.
Einen ersten Blick Richtung Endspielort erlaubt man sich in der Regel erst ab dem Viertelfinale – dann wird es richtig interessant, mit nur noch acht Mannschaften ist das Teilnehmerfeld überschaubar, die eigenen Chancen werden konkreter. Borussia spielt am Mittwoch ihr achtes Viertelfinale seit 1995, drei der bisherigen sieben gingen verloren, zwei davon gegen unterklassige Gegner (in der Saison 1998/99 0:2 bei RotWeiß Oberhausen und 2014/15 im Elfmeterschießen bei Arminia Bielefeld).
In den vier Halbfinalspielen schied Borussia immer aus, auch da zweimal gegen klassentiefere Klubs: Noch bitterer wurde dieser Fakt, weil sowohl Union Berlin 2001 als auch Alemannia Aachen 2004 mit dem Einzug ins Endspiel die Teilnahme am internationalen Wettbewerb sicher hatten. In drei der vier Halbfinalspiele schied Borussia im Elfmeterschießen aus – noch so ein bitteres Detail. Nun ist dies aber traditionell nicht die Disziplin der Gladbacher, auch schon vor 1995 nicht. Und seitdem gingen acht von zwölf Elfmeterschießen verloren – viele vergebene Chancen.
Auch das Heimrecht kann – wie ganz oben bereits erwähnt – eine wichtige Rolle spielen in einer Pokal-Saison. In der laufenden Spielzeit wusste Borussia das zweimal zu nutzen, siegte gegen den 1. FC Heidenheim (3:1) und den VfL Wolfsburg (1:0 nach Verlängerung). Doch zuvor war der Borussia-Park noch keine Pokal-Festung für die Gladbacher. Hatte es am Bökelberg seit 1995 noch vier Siege, ein Weiterkommen im Elfmeterschießen und eine Niederlage gegeben, ist die Bilanz im neuen Stadion seit 2004 nur ausgeglichen – fünf Siege stehen fünf Niederlagen gegenüber. Zudem verlor Gladbach zwei seiner drei Elfmeterschießen im eigenen Stadion: Es waren die Halbfinalspiele 2012 gegen den FC Bayern und 2017 gegen Eintracht Frankfurt.
Bleibt noch der Blick auf die Spiele gegen unterklassige Teams jenseits der ersten Runde. In der Regel sind das gute Chancen, um eine Runde weiterzukommen. Doch Gladbachs Bilanz ist nicht gut: In 16 Spielen seit 1995 gelangen nur sechs Siege, dazu zwei Erfolge im Elfmeterschießen. Dem gegenüber stehen ebenfalls sechs Pleiten und zwei verlorene Elfmeterschießen. Dass es auch jeweils zweimal in Viertel- und Halbfinale passierte, sollte den Borussen in Saarbrücken eine zusätzliche Warnung sein.
Der Schein trügt also nicht, Gladbach hat viel liegen lassen seit dem letzten DFB-Pokalsieg. Am Mittwoch gilt es, die Bilanz etwas aufzuhübschen – und im Erfolgsfall möglichst auch den letzten Schritt Richtung Berlin zu gehen. Borussia hat oft genug diese Möglichkeit vertan.