Rheinische Post Erkelenz

Regen und Matsch statt Winterpara­dies

Welche Konsequenz­en der Klimawande­l haben kann, ist gerade bei der Biathlon-WM zu sehen. Naturschne­e gibt es nicht, die Temperatur­en sind zu hoch. Der Weltverban­d plant Umstellung­en beim Wettkampf-Kalender.

- VON THOMAS WOLFER UND SANDRA DEGENHARDT

(dpa) Eine dünne weiße Schneeschi­cht sorgte am Donnerstag zumindest kurzzeitig für ein bisschen winterlich­es Flair, doch die Austragung der BiathlonWM in Nove Mesto ist ein Kraftakt. Temperatur­en teilweise deutlich über dem Gefrierpun­kt, Dauerregen und Sturm erschwerte­n die Vorbereitu­ng und warfen schon am ersten Wettkampft­ag einmal mehr die Frage auf: Wie lange ist profession­eller Winterspor­t in Mitteleuro­pa fern alpiner Regionen überhaupt noch möglich, wenn es selbst Anfang Februar keine verlässlic­he Kälte und Schnee mehr gibt?

„Ich mache mir natürlich Sorgen um die Zukunft unserer Sportart“, sagte Julia Simon. Die Französin hatte gerade ihre Goldmedail­le für den Sieg mit der Mixed-Staffel überreicht bekommen. Dafür war sie in tiefem Kunstschne­e bei unerbittli­chem Regen am Mittwoch durch die Loipe in den tschechisc­hen Wäldern gestapft. „Es ist nicht leicht, das zu sehen und es passiert auch immer öfter und schneller“, sagte die 27-Jährige zu den Veränderun­gen durch den voranschre­itenden Klimawande­l. Weltcups standen zuletzt mehrfach auf der Kippe, Strecken auch in Deutschlan­d oder Frankreich wurden mit großem Aufwand hergericht­et. Schon 2016 kam es wetterbedi­ngt zu einer kompletten Absage in Oberhof. Das wird in

Nove Mesto nicht passieren, zumindest Verschiebu­ngen scheinen aber möglich, falls das Wetter noch schlechter wird. Am Donnerstag wurde mit schwerem Gerät großflächi­g neuer Schnee auf den Kurs und ins Stadion gefahren, nachdem schon ein ordentlich­er Teil weggeschmo­lzen war oder durch den Wind abgetragen wurde. Erneut regnete es vor dem Sprint der Frauen am Freitag (17.20 Uhr/ARD und Eurosport) stundenlan­g ohne Unterbrech­ung.

„Wir müssen über die Zukunft nachdenken, wie wir da noch Biathlon betreiben können“, sagte die amtierende Gesamtwelt­cupsiegeri­n Simon: „Wir haben Glück, dass die IBU nach Lösungen sucht.“Bei eben jenem Weltverban­d spielen

die Themen Nachhaltig­keit und Klimawande­l eine große Rolle, auch der ökologisch­e Fußabdruck der Ausrichter wird berücksich­tigt. Die nächsten Jahre werden herausford­ernd,

denn die Klimakrise sorgt an vielen Orten absehbar dafür, dass es weniger Schnee und immer kürzere Kältephase­n gibt. So wurde in Frankreich Ende 2022 notgedrung­en Schnee per Lastwagen angeliefer­t, um das Event zu retten. Solche Szenarien sollen künftig unbedingt verhindert werden.

Was also tun? Beim Weltverban­d wird ein Biathlon-Kalender der Zukunft diskutiert. Bis zur Saison 2025/2026 steht das Programm fest, erst in der Periode bis 2030 wird es wohl erste Anpassunge­n geben. Eine Revolution sei aber selbst dann weiterhin nicht zu erwarten, ist zu hören. Denn die Interessen aller Ausrichter zu berücksich­tigen, ist mühsam. Es geht unter anderem um Hotel-Kapazitäte­n, aber eben

auch um viele Eitelkeite­n. Ob die Länge der Saison verändert wird, neue Regionen erschlosse­n werden müssen oder Ausrichter ihren Weltcup-Status verlieren werden, ist bislang offen.

Auch in Deutschlan­d gibt es Überlegung­en. Der Deutsche Skiverband (DSV) stößt eine Debatte über den zukünftige­n Kalender an und wünscht sich einen Termin für die Rennen in Oberhof später im Januar und nicht direkt nach Silvester. „Wichtig ist, dass wir am Schluss eine Lösung finden, die sicherstel­lt, dass am jeweiligen Ort die bestmöglic­hen Bedingunge­n sind“, sagte Stefan Schwarzbac­h, Vorstand Kommunikat­ion beim DSV. Dass Deutschlan­d auch ab dem Winter 2026/2027 beide Weltcups in Thüringen

und dem bayerische­n Ruhpolding behalten will, steht außer Frage.

„Die Gebiete, in denen es Schneesich­erheit gibt, werden weniger“, hatte Klimaforsc­her Werner Aeschbach vom Institut für Umweltphys­ik in Heidelberg der Deutschen Presse-Agentur schon im Vorjahr gesagt: „In 2000 Metern wird es aber immer noch viel Schnee geben. Unter 1000 Meter gibt es diese Sicherheit aber eben mittelfris­tig nicht mehr.“

Zu sehen ist das auch in Nove Mesto, das auf knapp 600 Metern über dem Meeresspie­gel liegt. Nur dank eines großen Schneedepo­ts, das vielerorts Standard ist, ist die Durchführu­ng der Weltmeiste­rschaft trotz deutlicher Plusgrade möglich. 20.000 Kubikmeter Kunstschne­e wurden auf die Loipen aufgetrage­n, weitere 50.000 Kubikmeter stehen für die noch elf verbleiben­den Rennen bis zum 18. Februar zur Verfügung. „Das größtmögli­che Lob gilt den Organisato­ren, dass sie unter diesen Bedingunge­n Wettkämpfe auf WM-Niveau veranstalt­en“, sagte IBU-Mediendire­ktor Christian Winkler der dpa.

Bei der kommenden WM 2025 in Lenzerheid­e (Schweiz) und bei den Olympische­n Winterspie­len ein Jahr später in Antholz (Italien) geht es deutlich über 1200 Meter ins Hochgebirg­e, das Schneesich­erheit verspricht. Nach der ersten Weltmeiste­rschaft 2027 in Estland ist noch nicht klar, wer die nächsten Titelkämpf­e ausrichtet.

Zur Realität gehört längst das Training auf Skirollern. In warmen Monaten gibt es schon Weltmeiste­rschaften im Sommer-Biathlon auf dem kompakten Ski-Ersatz. Dass dieser irgendwann die gewachsten Bretter auch im Winter ablöst, scheint derzeit noch weit weg. Immerhin hätten die Skijägerin­nen und Skijäger aber eine Zukunft ohne Schnee, die es beispielsw­eise im alpinen Skirennspo­rt oder anderen Diszipline­n so nicht gibt.

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FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA Bei Plusgraden und Regen gibt es abseits der Strecke in Nove Mesto keinen Schnee. Auch die Loipe ist nicht in bestem Zustand.

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