So stürmisch kann Altweiber sein
Das Wetter hat die Närrinnen und Narren nicht vom Feiern an Altweiber abhalten können. Die Vitusstadt ist nun in den Händen der Jecken.
Eigentlich hätte das Regenwetter den Verteidigern des Giesenkirchener Rathauses in die Karten spielen müssen. Tat es aber nicht. Der Plan von Bezirksvorsteher Volker Küppers ging nicht auf, zu gewaltig war die Übermacht der Möhnen auf dem Konstantinplatz. Strotzend vor Kraft und mit Unterstützung durch Ratsherr Ralf Kremer und Bürgermeister Hajo Siemes – verkleidet als grüner Landmann – rief er der Obermöhne Simone Stephan von der Karnevalsgesellschaft Botterbloom zu, dass „staatse Käls“das Rathaus verteidigten. Zu diesem Zeitpunkt wusste er nicht, dass die beiden Polizeihauptkommissare Jürgen Jansen und Dietmar Dohmen mit Verwaltungsstellenleiter Michael Linke, der als Krokodil durch die Reihen lief, und seine Stellvertreterin „Schmetterling“Andrea Caspers das Rathaus bereits verlassen hatten. Eine schwere Schwächung der Verteidiger, die allerdings dem ersten Ansturm durch das Werfen von süßen Geschossen standhalten konnten.
Unten sammelten Besucher des Spektakels Popcornbeutel, kleine Bälle, eingepackte Gummibärchen, Chips und Speckseile auf. Dazu hatten sich Catrin Stresius und Tochter Lena mit einem Schirm gerüstet, den Mutter Catrin auf den Kopf stellte und Lena fleißig füllte. Schmetterling Daniela beklagte derweil ihre kalten Zehen und forderte für das kommende Jahr eine Fußbodenheizung für den Platz vor dem Rathaus. Die Lala Boys unterhielten mit ihren Liedern das Publikum und rüsteten so moralisch die Möhnen auf, die plötzlich Verstärkung bekamen. Von zwei Seiten rückten in stattlicher Anzahl die Prinzengarden aus Rheydt und Gladbach mit dem Prinzenpaar und dem MKV vor. Prinzessin Elke, die an Altweiber das Sagen hatte, beriet mit den Möhnen einen neuen Schlachtplan, dem sich Prinz Jost anschließen musste. So gestärkt fand ein zweiter Ansturm statt. Das reichte für die „staatse Käls“: Volker Küppers kapitulierte unter dem Jubel der Angreiferinnen und gab das Rathaus verloren. Das später eintreffende Kinderprinzenpaar Niklas Quade und Hanna Brüggen konnte den Ansturm nur noch als eiserne Reserve begleiten.
ODENKIRCHEN Eine einsame Möhne tanzte unterm Regenschirm auf dem Wingertsplatz, als in Odenkirchen traditionell um 11.11 Uhr der Straßenkarneval startete. „Wir sind die Eisbrecher des Gladbacher Karnevals“, meinte Edgar Daniels, Präsident der Karnevalsfreunde (KF) Schwarz-Gold Odenkirchen, von der Bühne zu den unverdrossenen Jecken, die sich von Nässe und Kälte nicht vom munteren Treiben abhielten. In diesem Jahr waren Daniels, Mitorganisator Stefan Zimmermann und das gesamte Team der KF weniger als Eisbrecher, sondern mehr als bemühte Regenvertreiber im Einsatz. Da kam der Trost von Prinzessin Niersia Elke (Fünfstück), die gemeinsam mit Prinz Jost I. gekommen war, gerade recht: „Die Regentropfen sind die Freudentränen des Karnevals“, rief sie den frohgelaunt den Narren zu, die unter Regenschirmen oder dem Dach des Getränkestands Schutz gesucht hatten. Die KF und noch mehr die wenigen Möhnen hatten keine Mühe, dem Gardisten Felix Heinrichs die Stadtrechte zu rauben: „Niemals“, rief der Oberbürgermeister fast schon flehentlich, doch wurde sein leises Rufen schnell übertönt vom „Okerke Alaaf“. Damit war unmissverständliche klar, wer in den nächsten Tagen das Sagen hat in Odenkirchen: die Freunde des karnevalistischen Frohsinns. „Wir wollen miteinander feiern, nicht streiten“, sagte Daniels, der auch das Kinderprinzenpaar Niklas II. und Hannah I. begrüßen durfte.
HARDTERBROICH-PESCH Sobald sich eine Tür an der Zugstrecke öffnete, warfen die Kinder vom Kinder- und Familienzentrum Pfiffikus einen Schwung Kamelle auf die Stufen. So mancher wollte vielleicht nur die Post aus dem Briefkasten holen, und bekam eine Ladung Bonbons, Riegelchen und Gummibärchen bis in den Hausflur serviert. Aber die Kinder und Erzieher hatten es ja schon angekündigt: Reichlich Wurfmaterial hatten die Eltern gespendet – und das sollte auch an den Mann, die Frau und vor allem an andere Kinder gebracht werden. Der jüngste Mönchengladbacher Karnevalszug sorgte am Altweibermorgen für Aufsehen: Angeführt von einer kleinen Kutsche mit Pony, das als Friedens-Einhorn verkleidet war, zogen etwa 70 Kinder sowie Erzieher, Auszubildende und Eltern mit acht Bollerwagen zum Motto „Wir wollen Frieden“bis zum DRK-Haus am Volksgarten.
GLADBACH/RHEYDT Zur StandardAusstattung beim Altweibertreiben auf dem Sonnenhausplatz und dem Rheydter Markt gehörten notgedrungen Regenschirme und Ponchos. So blieben beide Orte aufgrund der Wetterlage trotz des abwechslungsreichen Live-Programms mit viel Musik leerer als geplant. „Bei den Fußballern hätten wir wahrscheinlich wieder Spielabbruch und sie hätten gar nicht erst angepfiffen. Wir Narren in Mönchengladbach trotzen dem Wetter“, sagte Jürgen Ponto, Vorsitzender der KG Stadtmitte, auf dem kurzerhand umbenannten „Regenhausplatz“in Gladbach. Und die Jecken machten das Beste aus der Situation. „Das lasse ich mir doch nicht entgehen“, meinte beispielsweise Lea Huras, die zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tante in die Innenstadt gekommen war. Das sieht Sigrid Poos ähnlich: „Das ist einfach ein Muss“, sagte sie, die mit ihren Freundinnen von der KG Rheer Mösche erst den Rathaussturm in Giesenkirchen, dann das Altweibertreiben in Rheydt besuchte. Man dürfe sich nicht vom Feiern abhalten lassen. „Die Zusammenkunft mit Freunden ist das, was den Karneval ausmacht“, betonte Begleiterin Anita Quasten.albo/capf