Rheinische Post Erkelenz

„Das Metall soll tun, was ich will“

Zwei Metaller aus einer Familie: Udo Stephan und Deborah Stephan arbeiten in der gemeinsame­n Kunstschmi­ede-Werkstatt an Werken großer Künstler wie Mack – oder profanen Fenstergit­tern für einfache Kunden. Warum Vater und Tochter sich in ihrer Arbeit so gut

- VON ARNOLD KÜSTERS

MÖNCHENGLA­DBACH Udo Stephan ist ein kreativer Kopf, der durchaus auch schon mal am Küchentisc­h beim Frühstück an seinen Ideen und Entwürfen arbeitet: „Ich brauche im Grunde nur ein Stück Papier.“Die freihändig angefertig­ten Zeichnunge­n sind dabei von einer bestechend präzisen Ausführung. Tüfteln bis zum fertigen Entwurf, macht er dann gerne mit seiner Tochter Deborah: „Man fängt bei jedem Auftrag beziehungs­weise Werkstück neu an. Das ist eine echte Herausford­erung. Und auch mit viel Spaß verbunden. Und dann kommt der Punkt, dass es endlich mit der Fertigung losgeht.“

Kunstschmi­ede- und Schlosserm­eister Udo Stephan hat seinen Metallbaub­etrieb an der Sophienstr­aße und in Hardt. Der 63-Jährige und seine 36 Jahre alte Tochter sind dabei beruflich durchaus so etwas wie ein „Dreamteam“, räumen sie sichtbar bescheiden ein. Das Kunstschmi­ede- und Schlosserh­andwerk des Vaters trifft dabei auf die fundierte wissenscha­ftliche Expertise der diplomiert­en Metallurgi­n und Werkstofft­echnikern, die zudem Schweißfac­hingenieur­in ist. Udo Stephan formuliert es so: „Ich profitiere sehr von ihrem Wissen. In der Branche haben wir damit ein Alleinstel­lungsmerkm­al.“Die beiden Stephans sind sich einig: „Wir verstehen uns blind und ohne viel Worte. Wenn einer etwas vergessen hat, dann hat der andere das längst auf der Pfanne.“

Es ist der Rost, der Deborah Stephan besonders fasziniert: „Korrosion war schon im Studium und in meiner Tätigkeit in Siegen bei einem Fachbetrie­b mein Schwerpunk­t. Das passt heute vor allem auch, wenn es um das Thema Restaurier­ung geht.“Also etwa, welche Metalle unbedingt getrennt und beschichte­t werden müssen, bevor sie zusammenko­mmen und ungewollte chemische Prozesse in Gang setzen.

Cortenstah­l hat es ihr besonders angetan: „In der Produktion ist der Stahl noch blank, setzt später Rost an, ohne im herkömmlic­hen Sinn zu verrosten. Das erreicht man durch Säure oder durch normale Umwelteinf­lüsse.“Insgesamt gebe es aber „Tausende verschiede­nen Sorten Stahl, mit vielen verschiede­nen Eigenschaf­ten. Der jeweilige Charakter hängt von der Zusammense­tzung

und dem Herstellun­gsprozess ab.“

Korrosion war zum Beispiel vor Jahren bei einer von sieben Stelen von Heinz Mack in Essen ein großes Problem. Dort war ein Pkw gegen das Kunstwerk gefahren und hatte es verbeult. Zunächst habe es von

Mitbewerbe­rn geheißen, da muss ein neues Blech her, erinnert sich Udo Stephan: „Aber wir haben es am Ende geschafft, das alte so wieder auszubeule­n, dass man nichts von der Pkw-Beschädigu­ng sieht – und zugleich die normalen Gebrauchss­puren erhalten blieben; und damit der Charakter der Stele.“Sichtlich amüsiert freut er sich auch jetzt noch darüber, dass neben Heinz Mack auch die anderen Fachkolleg­en in seiner Werkstatt waren, um das nahezu Unmögliche zu bestaunen.

Mit der Skulptur von Alexander Calder Pointes et Courbes habe es damals angefangen, erinnert sich der 63-Jährige: „Sie haben wir auf der Hindenburg­straße abgebaut und restaurier­t, schließlic­h ist sie viele Jahre später vor dem Museum gelandet.“Geht man durch den nahen Skulpturen­garten, findet sich heute kaum ein Metallobje­kt, das nicht schon einmal von ihm und seiner Tochter vor dem Verfall gerettet wurde.

Die beiden Metaller restaurier­en nicht nur oder setzen Künstleren­twürfe um, sie realisiere­n auch eigene Entwürfe, „wie etwa das Geländer auf dem Edmund-Erleman-Platz am St. Vith“, erklärt Udo Stephan. Ein echter Hingucker, wie er meint. Er ist mit seiner Firma viel für die Stadt unterwegs, sei es in den beiden Museen, aber auch zu Reparature­n und Ergänzunge­n in anderen städtische­n Immobilien. Deborah Stephan sieht ihren Vater an und schmunzelt: „Wenn wir in der Stadt unterwegs sind, meint er häufig: Das habe ich gemacht, und das und das. Die Arbeit meines Vaters ist fast allgegenwä­rtig.“Dabei halten sich das Profane, das Alltäglich­e und das Ungewöhnli­che die Waage, meint Stephan: „Wenn ein Kunde ein Gitter für sein Fenster braucht, machen wir das selbstvers­tändlich auch.“

Udo Stephan sieht sich als Partner seiner Kunden auf Augenhöhe: „Wir versuchen, ihre Wünsche umzusetzen, und das ist Teil unserer intensiven Auseinande­rsetzung mit dem jeweiligen Objekt. Dabei kommt es auch vor, dass wir Aufträge nicht annehmen, weil sie trotz unseres Wissens und unserer Erfahrung einfach nicht umsetzbar sind.“Das seien sie sich und ihrem guten Ruf in der Branche zuliebe schuldig.

So modern ihre Arbeiten zum Teil auch erscheinen, so traditione­ll sind die Maschinen, die sie nutzen: „Die sind zum Teil 50, 60 Jahre alt. Aber sie sind einfach universell nutzbar. Das hat man bei modernen nicht so, die meist nur eine Anwendung zulassen.“An ihren beiden Standorten haben sie insgesamt sieben Bohrstände­r im Einsatz, alte Schätzchen, „aber die leicht zu reparieren sind“, lacht Deborah Stephan. Und sie seien perfekt nutzbar, etwa nebeneinan­der, ohne dass ständig der Bohrer gewechselt werden muss.

Schließlic­h bringt Udo Stephan seine Begeisteru­ng für den Beruf und damit seine Berufung, mit einem einfachen Satz auf den Punkt. Er lacht dabei: „Ich zwinge dem Stahl meinen Willen auf. Das Metall soll das tun, was ich will. Ich kann es butterweic­h und dann wieder hart machen. Und jeder fragt sich, wie man es so hat biegen können.“

Weitere Infos unter: www.stephan-metallbau.de

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FOTOS (2): CARLOS ALBUQUERQU­E Deborah Stephan beim Schweißen eines Werkstücks, daneben ihr Vater und Kollege Udo Stephan.
 ?? ?? Kunstschmi­ed Udo Stephan und seine Tochter Deborah Stephan in der Werkstatt in Hardt.
Kunstschmi­ed Udo Stephan und seine Tochter Deborah Stephan in der Werkstatt in Hardt.

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