Rheinische Post Erkelenz

Wenn Hunde Lungenkreb­s erschnüffe­ln

Ein Mönchengla­dbacher und Erkelenzer und ihre Hunde bilden zusammen „Dogscan“. Das Start-up entwickelt­e eine Möglichkei­t, Lungenkreb­s frühzeitig zu erkennen. Was es damit auf sich hat und wie Mensch und Tier von Mund zu Nase arbeiten.

- VON MAREN KASTER

ERKELENZ Lu schaut zu ihrer Trainerin Franziska Fasbender auf. Übermütig, enthusiast­isch, voller Motivation. Es sieht aus, als ob sie nichts und niemand ablenken könnte. Das Kommando von Fasbender kommt: Lu läuft von Napf zu Napf und hält in jeden kurz ihre gefleckte Nase hinein. Jeder der Näpfe, die eigentlich Suchboards heißen, enthält eine Stoffmaske. Nun ist jeder Übermut verflogen, stattdesse­n wirkt Lu hoch konzentrie­rt und zielstrebi­g. Beim 14. Board macht sie kehrt. In Nummer 13 scheint etwas anders zu sein. Sie sucht Blickkonta­kt mit Fasbender, ein vertrautes Klickern ertönt: Das Zeichen, dass sie richtig lag.

Was wie ein Spiel aussieht und für Lu definitiv eines ist, bedeutet für die andere Seite der Maske – den Menschen, der sie getragen hat – unter Umständen einen Kampf um Leben und Tod. Denn Lu wurde dazu ausgebilde­t, unter vielen Masken die eine zu finden, deren Träger an Lungenkreb­s erkrankt ist.

Hinter Lu und Fasbender stehen Alexander Maßen und Florian Wienen. Sie sind die Gründer von „Dogscan“, einem Vorsorgeto­ol für Lungenkreb­s. „80 Prozent derjenigen, denen Lungenkreb­s diagnostiz­iert wird, sterben an der Krankheit“, sagt Wienen. „Das liegt vor allem daran, dass es bisher keine Vorsorge gibt. Wenn schließlic­h Symptome auftreten, ist es oft zu spät.“Lungenkreb­s zählt zu den drei häufigsten Krebsarten.

Maßen verlor seinen Vater an Lungenkreb­s. Die Ausbildung seines eigenen Hundes führte ihn zu Wienen. Er ist Hundetrain­er, betreibt eine Hundeschul­e in Erkelenz und hat früher Sprengstof­fspürhunde ausgebilde­t. In gemeinsame­n Gesprächen entstand die Idee, die heute „Dogscan“heißt.

„Der Vorteil an unserem Produkt ist, dass es eine Krebsvorso­rge ohne Schamgefüh­l und großen Zeitaufwan­d ermöglicht“, sagt Wienen. „Das erhöht die Anzahl derjenigen, die es wahrnehmen.“Über die Website von „Dogscan“bestellt man eine Box. Diese enthält eine Anleitung, eine Stoffmaske, Handschuhe und einen frankierte­n Rücksendeu­mschlag. Die Maske soll fünf Minuten getragen werden. Dann wird sie an „Dogscan“zurückgese­ndet. Dort angekommen, landet sie in einem der Suchboards, die Lu und ihre Hundekolle­gen beschnuppe­rn. „Auch Hunde können mal einen schlechten Tag haben. Deshalb werden die Masken immer noch zwei Hunden unabhängig beschnuppe­rt“, sagt Wienen. So könne

eine Erfolgsrat­e von 99,75 Prozent garantiert werden.

Durch Kooperatio­nen mit Lungenärzt­en, aber auch durch Aufrufe bei sozialen Netzwerken bekommen Wienen und Maßen Masken von Patienten mit einer positiven Diagnose. So können sie optimal trainieren. „Anfangs waren wir uns nicht sicher, ob Behandlung­en wie Bestrahlun­g vielleicht den Geruch verändern“, sagt Wienen. „Doch wir haben festgestel­lt, dass das kein

Problem ist. Zusätzlich können die Hunde unterschie­dliche Stadien und Unterarten des Lungenkreb­ses riechen.“Durch die Früherkenn­ung würden sich Heilungsch­ancen auf 70 Prozent erhöhen.

Eine der größten Hürden, die es für das Start-up aktuell zu nehmen gilt, ist es, als medizinisc­hes Produkt anerkannt zu werden. Denn weil dies bisher nicht der Fall ist, reicht ein Schreiben von „Dogscan“nicht aus, um einen Arzt zu verpflicht­en, ihrem Vorsorgeer­gebnis nachzugehe­n. „Laut Strahlenve­rordnung ist unser Schreiben kein Anlass, den Patienten zu röntgen“, sagt Wienen. Die Hoffnung ist dennoch groß. „In anderen Ländern ist es normal, Tiere in den medizinisc­hen Bereich einzubezie­hen“, sagt der Hundetrain­er. „Besonders Hunden trauen wir beispielsw­eise als Diabetiker­hunde oder Blindenhun­de so viel zu. Wieso nicht bei der Krebsvorso­rge?“

Am 16. März geht „Dogscan“auf den Markt. Bis dahin steht für Lu und ihre Schnupper-Kollegen noch das ein oder andere Training an. Gerade schaut die Hündin erneut zu Fasbender hinauf. Sie hat Lust auf mehr.

Also gut, noch eine Runde. Voller Elan läuft sie von Suchboard zu Suchboard – und bleibt zuverlässi­g wie beim ersten Mal vor dem Behälter stehen, in dem die Maske einer krebskrank­en Person liegt.

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FOTOS (3): MAREN KASTER Florian Wienen, Franziska Fasbender, Alexander Maßen und Hündin Lu (v.l.) in der Trainingsh­alle in Erkelenz.
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Die Suchboards sind durchnumme­riert und werden mit Masken bestückt.
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Lu geht konzentrie­rt auf Schnüffelk­urs.

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