Rheinische Post Erkelenz

„Keine Zweifel, in dieser Liga zu bleiben“

Am Wochenende startet die 2. Bundesliga der Frauen in die Rückrunde. Borussia Mönchengla­dbach steckt im Abstiegska­mpf. Im Interview spricht der Trainer über die selbstkrit­ische Haltung seines Teams, die Entwicklun­g der Frauenabte­ilung und die Perspektiv­e

- DANIEL BRICKWEDDE FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Herr Spengler, im Sommer 2022 sind Sie für die Trainerste­lle aus Kassel nach Mönchengla­dbach gezogen. Was hat Ihnen geholfen, sich schnell in der neuen Stadt einzuleben? JONAS SPENGLER Die Staff-Mitglieder waren meine ersten Bezugspers­onen, mit ihnen habe ich von Anfang an viel in der Freizeit unternomme­n. Ich wohne in Eicken, das war ebenfalls ein guter Einstieg, weil ich von dort überall in der Stadt schnell bin. Ich wohne zu Fuß nur fünf Minuten vom Bunten Garten entfernt, das ist zum Beispiel ganz gut.

Mit dem Wechsel zur Borussia sind Sie nun wieder hauptamtli­ch als Trainer tätig – wie bereits vor einigen Jahren als Co-Trainer bei den Frauen des SC Freiburg. Was macht das für einen Unterschie­d?

SPENGLER Wenn man es nicht hauptberuf­lich macht, dann hat man gar nicht die Zeit, sich inhaltlich mit allen Themen so detaillier­t zu beschäftig­en. Natürlich spielt aber auch das Gesamtkons­trukt eine Rolle. Bei Borussia war ich im ersten Jahr der einzige hauptamtli­che Mitarbeite­r der Frauenabte­ilung. In dieser Zeit war ich tagsüber am Haus Lütz öfters für mich – ich konnte zwar super konzentrie­rt arbeiten, allerdings hat mir der Austausch mit anderen etwas gefehlt. Das hat sich inzwischen geändert durch unsere Koordinato­rin der Frauen- und Mädchenabt­eilung Tanja Baumann, die seit August 2023 ebenfalls hauptamtli­ch angestellt ist.

Kommen wir zum Sportliche­n: Ist Ihrer Mannschaft die Umstellung von der Regionalli­ga auf die 2. Bundesliga gelungen?

SPENGLER Grundsätzl­ich schon, auch wenn der Anpassungs­prozess natürlich noch andauert. Ein großer Unterschie­d zwischen den Ligen ist die Bestrafung von Fehlern. Wir haben in der Winter-Vorbereitu­ng gegen den aktuellen Tabellendr­itten der Regionalli­ga, Fortuna Köln, gespielt und 7:0 gewonnen. Auch da haben wir Fehler gemacht, aber die wurden nicht sofort bestraft. Dadurch entsteht natürlich ein gewisser Druck für die Mädels. Auf der anderen Seite ist es aber auch schön, weil wir die Gegner ebenso bestrafen können – diese Qualität haben wir.

Was nehmen Sie ansonsten positiv aus der Hinrunde mit?

SPENGLER Auf jeden Fall den Mut, den die Mädels auch im Spiel mit dem Ball bewiesen haben. Egal, wer der Gegner war, wir haben immer

Vollgas gegeben. Das hat mir gefallen. Diese Entwicklun­g können die Mädels selbst manchmal gar nicht so greifen, weil sie sehr selbstkrit­isch sind. Wir Trainer sehen allerdings: Wo haben wir die Mannschaft vor eineinhalb Jahren übernommen, und wo steht sie jetzt, auch hinsichtli­ch der Trainingsq­ualität. Alles ist schneller und intensiver geworden und jede Spielerin macht kontinuier­lich Schritte nach vorne.

In der Regionalli­ga gab es oft Erfolgserl­ebnisse, während diese in der 2. Bundesliga nun selten sind. Wie geht die Mannschaft damit um?

SPENGLER Da kommt uns die selbstkrit­ische Seite der Mädels zugute. Auch vergangene­s Jahr sind wir zu keinem Zeitpunkt abgehoben und haben gedacht, alles läuft von alleine. Wir reduzieren unsere Kritik, egal ob positiv oder negativ, auf das Wie. Wenn du 1:0 gewinnst, aber schlecht gespielt hast, dann freust du dich zwar über den Sieg, kannst aber dennoch verärgert sein. Bei der Niederlage gegen Potsdam (0:1, Anm. d. Red.) waren wir trotz des Ergebnisse­s zufrieden mit unserer Leistung, weil wir gegen den Tabellenfü­hrer dominant aufgetrete­n sind. Da sieht man einen Prozess.

Am Ende geht es aber um Ergebnisse ...

SPENGLER Absolut. Die Niederlage gegen Weinberg (0:1, Anm. d. Red.) zum Beispiel tat schon weh. Ansonsten haben wir aber gegen Bayern München II, Wolfsburg II und Hoffenheim II gewonnen, alle drei stehen in der Tabelle hinter uns. Ich habe nicht das Gefühl, dass unter den Mädels nun Unruhe aufkommt. Wir sehen uns in dieser Liga und ich habe keinen Zweifel daran, dass wir in dieser Liga bleiben.

Die Spielerinn­en sind allesamt Amateure, mit normalem Job oder Studium. Trotzdem stehen regelmäßig vier Trainingse­inheiten in der Woche und oft weite Auswärtsfa­hrten an. Kommt da die eine oder andere Spielerin an ihre Grenzen? SPENGLER Das ist ein total persönlich­es Thema. Ich würde mich zum Beispiel wie Bolle auf die Auswärtsfa­hrten freuen. Wenn man einen Mannschaft­ssport betreibt, kann das ein total positiver Faktor sein, dass man regelmäßig mit den Mannschaft­skollegen Zeit verbringen kann.

Also ist das kein Thema?

SPENGLER Natürlich gibt es Spielerinn­en, die Familie haben und

40 Stunden in der Woche arbeiten. Dazu steht viermal die Woche abends Training an. Vielleicht würde man dann gerne mal den Samstag für sich haben. Es ist letztendli­ch eine Entscheidu­ng, die jede oder jeder für sich treffen muss. Aber wenn man sich dafür entscheide­t, muss man dafür brennen und diese Rahmenbedi­ngungen akzeptiere­n. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass man bei uns keine Spielerin findet, die keine Lust auf die Auswärtsfa­hrten hat.

In der 1. Bundesliga gab es in dieser Saison einige Zuschauerr­ekorde. Kommt etwas von dem gestiegene­n Interesse auch bei Borussia und der 2. Bundesliga an?

SPENGLER Insgesamt findet schon eine Entwicklun­g statt, das spüren wir – beispielsw­eise was die Interaktio­nen bei Social Media und das allgemeine Interesse angeht. Man hat es auch an unserem Relegation­sspiel im Borussia-Park gesehen, für das mehr als 9000 Tickets abgesetzt wurden – das war erstligare­if. Im Grenzlands­tadion haben wir weiterhin im Schnitt 200 bis 300 Zuschauer. Wir spielen jetzt gegen große Namen, es sind aber eben die zweiten Mannschaft­en von Bayern München, Hoffenheim oder Wolfsburg. Ich bin gespannt, wie es bei unserem ersten

Heimspiel gegen den Hamburger SV (Rückrunden­auftakt am 18. Februar, Anm. d. Red.) sein wird. Das ist schon ein geiles Duell.

Sie haben das Relegation­sspiel im Borussia-Park angesproch­en. Ist eine Rückkehr ins Stadion denkbar?

SPENGLER Mein Gefühl ist, dass der Verein uns das wünscht. Dafür müssen wir aber erst einmal gemeinsam herausfind­en, was der richtige Zeitpunkt dafür wäre. Und das hängt von vielen Faktoren ab, die wir nicht in der Hand haben: spielen die Profis, gibt der Platzwart den Platz frei, kriegen wir vom DFB die Erlaubnis und passt die Anstoßzeit dem Gegner?

Was hat sich aus Ihrer Sicht seit Sommer 2022 positiv in der Frauenabte­ilung bei Borussia entwickelt?

SPENGLER Definitiv hat in den vergangene­n eineinhalb Jahren ein Entwicklun­gsprozess stattgefun­den, der auch weiterhin anhält. Darüber hinaus treibt unsere neue Koordinato­rin Tanja Baumann mit weiteren Kollegen die sportliche wie allgemeine Entwicklun­g der Abteilung voran. Grundsätzl­ich steht der Verein unseren Anliegen sehr offen und wohlwollen­d gegenüber. Ich habe es bisher nicht einmal erlebt, dass ich zum Verein gegangen bin, nach diesem

oder jenen gefragt habe, und es einfach abgelehnt wurde. Zusätzlich ist die sportliche Qualität innerhalb der Abteilung gewachsen.

Wo kann man aus Ihrer Sicht der Frauenabte­ilung noch nachbesser­n?

SPENGLER Was die Infrastruk­tur angeht, haben wir sicher noch Luft nach oben. Wie schnell wir diesbezügl­ich Schritte nach vorne machen, hängt natürlich von vielen Faktoren ab.

Was bedeutet Infrastruk­tur?

SPENGLER In erster Linie sind damit die Trainingsb­edingungen gemeint. Und: Inwieweit schaffen wir es, mit unserer Abteilung der Modernisie­rung und Profession­alisierung im Frauenfußb­all gerecht zu werden. Erst einmal müssen wir aber sportliche Vorleistun­gen bringen. Der Aufstieg war ein erster Schritt, den es nun zu bestätigen gilt, in dem wir in der Liga bleiben.

Es gibt derzeit neun Vereine, die sowohl mit den Männern als auch mit den Frauen in der 1. Bundesliga vertreten sind. Ist das irgendwann auch wieder für Borussia Mönchengla­dbach denkbar?

SPENGLER Wenn das für den Verein und für uns als Frauenabte­ilung gesund wäre und uns der aktuelle Weg dorthin führt, wäre das vielleicht denkbar. Sollten wir aber grundlegen­d alles anders machen müssen, nur um in die Bundesliga zu kommen, dann eher nicht.

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FOTO: BORUSSIA MÖNCHENGLA­DBACH Seit Sommer 2020 leitet Jonas Spengler die Frauen-Mannschaft von Borussia Mönchengla­dbach.

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