„Wege zum Frieden aufzeigen“
Ruprecht Polenz (77) gilt in der CDU als polarisierend und ist Experte für Außenpolitik. Im Kreis Heinsberg sprach er nun über den Nahost-Konflikt – und übte auch Kritik an Israel.
Eines machte Ruprecht Polenz deutlich beim „Politischen Frühstück“, zu dem der CDU-Kreisverband Heinsberg am Sonntag ins Mercator-Hotel nach Gangelt eingeladen hatte: „Wir sind im Konflikt im Gaza-Streifen als Deutschland nicht neutral, sondern stehen freundschaftlich an der Seite Israels.“
Polenz, 19 Jahre lang Bundestagsabgeordneter für Münster von 1993 bis 2013, acht Jahre lang Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, ehemaliger Generalsekretär der Bundespartei und kenntnisreicher wie meinungsstarker Kommentator des politischen Zeitgeschehens, ist auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag ein politisches Schwergewicht. „Er ist CDU-Vordenker und versierter Außenpolitiker“, sagte die Kreisvorsitzende Anna Stelten bei der Vorstellung des Gastes. Sie wie die Besucher wurden von dem 77-jährigen Vor- und manchmal auch „diplomatischen Querdenker“über eine Situation informiert, die ihren Anfang nicht erst mit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 hatte, bei dem mehr als 1100 Israelis ermordet wurden.
„Gibt es eine Chance auf Frieden? Ist die Zwei-Staaten-Lösung tot? Was kann Deutschland für die Sicherheit Israels beitragen? Eine komplizierte Geschichte, eine unübersichtliche Lage und ein vielschichtiges Thema selbst für Experten“, so die CDU in ihrer Einladung zum Vortrag von Polenz, der eigentlich schon 2017 im Kreisgebiet sprechen sollte. Dann war die Einladung für 2020 vorgesehen, wurde aber durch Corona verhindert. „Das Pulverfass Nahost – (k) ein Frieden in Sicht?“, so das Thema, das 2017 aktuell war und 2024 noch an Brisanz hinzugewonnen hat,
meinte CDU-Schatzmeister Christoph Kaminski, der den Kontakt zu Polenz hergestellt hatte.
Polenz informierte über die geschichtliche Dimension ebenso wie über die politische. Der Wunsch von Israel nach Sicherheit könne nur dann erfüllt werden, wenn alle arabischen Nachbarn mitmachen würden. Das allerdings sei schon deshalb problematisch, weil unter den arabischen Ländern Uneinigkeit herrsche. Eine Lösung des Konflikts könne nur gelingen, wenn man den Konflikt als einen Konflikt um Grenzen versteht und nicht als einen Konflikt aus religiösen Gründen. „Sofern ein Konflikt ‚religionisiert‘ wird, gibt es keine Lösung und keinen Kompromiss.“
Israel habe durch eine expansive Siedlungspolitik den Lebensraum der Palästinenser immer mehr eingeschränkt, die Hamas sehe sich getrieben zum einen durch eine Annäherung von Israel zu den arabischen
Staaten, zum andern durch den Verlust an Einfluss. Der Terrorakt vom Oktober sei auch der Versuch, eine friedliche Annäherung von Israel und der arabischen Welt zulasten des palästinensischen Volkes zu verhindern.
Einen Krieg habe der gewonnen, der seine politischen Ziele durchsetze, so Polenz. Die Hamas käme diesem Ziel immer näher, je mehr sich die arabischen Nachbarn mit ihr solidarisieren durch die Aktionen
des israelischen Militärs im Gazastreifen.
Die Vernichtung des Staates Israel und die Tötung der jüdischen Bevölkerung sei das erklärte Ziel der Hamas. Dass die gegenwärtige israelische Regierung unter Premierminister Netanjahu seit Jahren wenig dazu beiträgt, den Konflikt zu befrieden, stattdessen durch eine aggressive Siedlungspolitik im Westjordanland das Leben palästinensischer Zivilisten teils unerträglich macht, mache wenig Hoffnung auf Frieden.
Die Verhandlungen über eine Zweistaaten-Regelung seien längst ins Stocken geraten. Es sei sowohl im russischen als auch im chinesischen Interesse, dass der Konflikt im Nahen Osten schwele. Auch verhielten sich die USA als Schutzmacht für Israel reserviert. „Israel denkt daran, im Zweifel auch ohne Unterstützung seine Existenz zu sichern“, erklärte Polenz. In diesem Zusammenhang betonte der Politiker die Rolle Deutschlands: „Wir können als Freunde beraten und Wege zum Frieden aufzeigen. Als Freunde können wir auch Kritik üben und zeigen, was falsch ist. Aber wir dürfen uns nicht aktiv gegen Israel stellen, wenn Israel Krieg führen muss.“Die Bundesregierung müsse Israel zu der klaren Aussage bewegen, die Ansiedlungen im Westjordanland zu stoppen. Das sei ein erster Schritt zum Frieden.