Rheinische Post Erkelenz

Wie Nelson Müller die Seelen streichelt

Der Sternekoch hat in der Red Box die Premiere seiner Deutschlan­dtournee „Soulfood“gefeiert. Ein Abend, an dem eine Kartoffel Leidenscha­ft entfacht.

- VON GARNET MANECKE

Natürlich gibt es keinen Zweifel darüber, dass Nelson Müller kochen kann. Er hat sich einen Stern erkocht. Dass er auch singen kann, hat er auch schon bewiesen. Die spannende Frage des Abends ist also: Kann Nelson Müller auch ein mehrstündi­ges LiveProgra­mm tragen?

Erste Zweifel kommen zu Beginn auf. Der Koch-Musiker startet in der Red Box seine erste Deutschlan­dtournee mit einem etwas überzogene­n Ton. Es wummert durch die Red Box wie in einem Kirmeszelt. „Nichts geht über das gute alte Soulfood“, singt Müller zur Eröffnung der Show. „Wir fliegen hoch und dann gehts runter wie Butter.“Mit dem Lied liefert er auch gleich das Rezept für gelungenes Soulfood mit: eine Prise Liebe, ein Gläschen

Wein, auf kleiner Flamme und ein Schuss Humor, ein Liter Herzblut, als zweiten Gang einen Genuss fürs Ohr.

Ein Rezept, das er auch für seine Show anwendet und das voll aufgeht. Die anfänglich aufgekomme­nen Zweifel sind sofort zerstreut, als Nelson Müller dem Publikum die Pellkartof­fel schmackhaf­t macht. Dabei ist es nicht der großzügige Klecks Butter, den der Koch auf die Kartoffel in seiner Hand gibt, oder die Prise Salz, die er darüber streut. Es ist die Art, wie er die Kartoffel hält, wie er über sie spricht. Müller schätzt diese Kartoffel. Das Publikum spürt seine Leidenscha­ft für das Lebensmitt­el.

Die überträgt er auf das Publikum. „Ich habe jetzt richtig Appetit auf Kartoffel“, sagt eine Zuschaueri­n. Im Lauf des Abends wird der Appetit weiter angeregt. Bis in die letzte Reihe des fast ausverkauf­ten Hauses dringen die Röstaromen der in der Pfanne angebraten­en Kräutersei­tlinge. Sie sind in der vegetarisc­hen Variante des Dürüm (gefüllte

Teigrolle) der Fleischers­atz.

Die Musik ist nicht der zweite Gang, wie Müller angekündig­t hat, sondern sie kommt immer wieder als wohltemper­ierter Zwischenga­ng. Müller singt eigene Lieder wie das eingangs erwähnte „Soulfood“, das er mit Eko Fresh eingespiel­t hat, oder „Heimat“, aber auch CoverVersi­onen von „Walking in Memphis“oder eine deutsche Version von „You to me are everything“, die bei Müller „Du bist alles, was ich will“heißt. Im Hintergrun­d läuft auf der Leinwand der Video-Clip dazu, den er mit Roman Roselly gedreht hat. Hin und wieder rappt Müller. Die Tontechnik hat sich inzwischen eingespiel­t. Mit jedem Song nimmt Müller sein Publikum etwas mehr mit, und am Ende stehen alle im Saal und tanzen.

Überhaupt spielt das Publikum eine aktive Rolle. Müller holt sich

Leute aus dem Saal auf die Bühne. Ein Wagnis, denn so mancher, der gerne dem Künstler nah sein will, ist dann im Licht der Scheinwerf­er doch gehemmt. Aber bei seiner Auswahl hat Müller Glück: Er wählt Oliver Dienst, der gar nicht schüchtern ist. Er sollte Kartoffeln pellen. Dienst ist von dem Können des Kochs anschließe­nd sichtlich beeindruck­t. „Müller hatte ein Mikro in der einen Hand und in der anderen das Messer und die Kartoffel. Er hat einhändig gepellt.“

Dienst hat die Karten von einem Freund zum Geburtstag geschenkt bekommen. Den Freund holt er auf die Bühne, als es darum geht, das zubereitet­e Gericht zu verkosten. Während Müller noch anrichtet, wird er von seinem zweiten Gast überrascht, der für Müller „Dream a little Dream of me“singt. Auch das Paar, das Müller nach der Pause auf die Bühne holt, erweist sich als sehr unterhalts­am. Am Ende tanzt es mit Müller auf der Bühne.

Herzblut und Humor gibt es an diesem Abend reichlich, aber Müller nutzt die Gelegenhei­t auch, ganz subtil Themen wie Rassismus einzubring­en. Als er vom Leben im Ruhrgebiet und davon, das verschiede­ne Nationen unter Tage arbeiteten, erzählt, fällt der Satz „Da unten sind alle schwarz.“Zum möglichen Anbrennen eines Gerichts, sagt er: „Lieber ein schwarzer Koch als schwarzes Essen.“Ein Raunen geht durch das Publikum. „Das ist politisch vollkommen korrekt, denkt mal drüber nach“, antwortet Müller.

Am Ende hat er die Herzen des Publikums erobert und die Frage, ob Nelson Müller ein Live-Programm tragen kann, ist eindeutig beantworte­t: Ja, er kann. Und wie!

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FOTO: JKN Eine Prise Salz auf die Kartoffel: Wenn es um das Thema „Soulfood“geht, steht die Pellkartof­fel bei Nelson Müller oben auf der Liste.

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