Rheinische Post Erkelenz

Viele neue Fragen im Fall Dorota

Die Zeugen, die am zweiten Verhandlun­gstag aussagten, sorgten für ein unterschie­dliches Bild, das sie von Dorota und Manfred G. und deren Ehe zeichneten. Auf Fragen gibt es vorerst keine schlüssige­n Antworten.

- VON ANKE BACKHAUS

Wie tief geht der Fall wirklich? Am zweiten Verhandlun­gstag im Mordprozes­s um die 2016 verschwund­ene Dorota G., deren zerstückel­te Leiche im vergangene­n Sommer aufgefunde­n wurde, tun sich immer mehr Fragen auf. Nach wie vor schweigt dazu der Angeklagte – Manfred G. wird dies wohl aller Voraussich­t nach weiter tun.

Die Aussagen der Zeugen, die Roland Klösgen, der Vorsitzend­e Richter, am Dienstag in den Gerichtssa­al bat, sorgten für ein höchstunte­rschiedlic­hes Bild der Eheleute G., darüber hinaus warfen deren Aussagen noch mehr Fragen auf, als überhaupt schon auf der Liste stehen.

Da war das Ehepaar S. aus Höngen, die Frau 69 Jahre alt, der Mann 71. Sie sind die Pflegeelte­rn von Konrad (15), dem Sohn von Dorota und Manfred. Das Ehepaar S. war so etwas wie die erste Anlaufstel­le für Dorota und Manfred, die in Polen geheiratet hatten. Dorota war zum Zeitpunkt der Hochzeit gerade erst 17 Jahre alt. Das Ehepaar S. hatte den beiden jungen Leuten eine Wohnung geboten, man habe von Anfang an ein sehr gutes Verhältnis gehabt, betonte Maria S. in ihrer Aussage. Irgendwann sei Dorota schwanger geworden. Maria S. sei die Erste gewesen, die den kleinen Konrad im Arm halten durfte nach der Geburt. Die junge Familie zog daraufhin in das Haus an der Annastraße 20 in Süsterseel.

Das neue Glück sei allerdings getrübt gewesen, weil die Schwangers­chaft in Manfred G. Fragen aufgeworfe­n hatte. „Ein Unfall in früheren Jahren hat dazu geführt, dass er keine Kinder mehr zeugen kann“, sagte Maria S. aus. Ihr Mann habe ihn schließlic­h zu einer urologisch­en Untersuchu­ng nach Geilenkirc­hen begleitet. Manfred G. habe Johann S. nach der Untersuchu­ng erklärt, dass er tatsächlic­h zeugungsun­fähig sei. Einen schriftlic­hen Beleg darüber habe S. aber nicht gesehen, auch sei er bei der Untersuchu­ng nicht dabei gewesen. Laut Maria S. soll der Angeklagte aber dennoch geäußert haben, für das Kind da sein zu wollen. Manfred G. sei ein liebevolle­r Vater, unterstric­h Maria S. in ihren Ausführung­en.

Probleme habe es aber gegeben,

als Dorota kurz nach der Geburt des ersten Kindes erneut schwanger wurde. Noch bevor sie überhaupt wusste, erneut schwanger zu sein, sei Dorota nach Polen zu ihrer Familie gefahren. Sie sei lange dort geblieben, und zwar so lange, dass das zweite Kind in Polen geboren wurde. Der Angeklagte sei nach der Geburt selbst nach Polen gereist, zuvor habe er in dem Wohnhaus noch ein Kinderzimm­er für das zweite Kind, erneut ein Sohn, Viktor, hergericht­et. Nur sieben Monate nach seiner Geburt starb das Kind, der plötzliche Kindstod soll verantwort­lich gewesen sein.

Richter Klösgen thematisie­rte das zweitgebor­ene Kind am zweiten Verhandlun­gstag auffallend oft – es geht um die Klärung der Frage, ob die Eheleute G. nach dem Tod des Kindes zu gegenseiti­gen Vorwürfen kamen. Was aber ebenso offen ist: Das Kind sollte offenbar obduziert werden, was vor allem Manfred G. sehr aufgebrach­t habe. Und: Nach wie vor ist nicht klar, ob der Angeklagte tatsächlic­h der Vater beider Kinder ist.

Dorotas Schwestern (zwei von ihnen begleiten den Prozess als Nebenkläge­rinnen)

sagten aus, dass ihre Schwester stets betont habe, Manfred G. sei der Vater. Wusste Dorota von der Zeugungsun­fähigkeit? Dem gegenüber stehen die Ausführung­en des Ehepaars S.: Johann S. sagte, Dorota sei fremdgegan­gen, „dass es krachte“. Unter anderem sei sie von ihrer Schwiegerm­utter mit einem Mann namens Jarek im Bett bei sexuellen Handlungen erwischt worden. Jarek wohnte zeitweise bei Dorota und Manfred G. im Haus. Außerdem soll sie Affären mit einem PizzeriaBe­treiber in Süsterseel (dieser hatte Dorota aufreizend­e Unterwäsch­e geschenkt) sowie einem Mann namens

Pawel gehabt haben. Mit Letzterem soll Dorota eine Zukunft in Bayern geplant haben, wovon deren Schwestern übrigens nichts gewusst haben wollen.

Insgesamt stützte das Ehepaar S. dem Angeklagte­n den Rücken, dieser sei immer sehr fleißig und um seine Familie bemüht gewesen, beide gaben aber auch an, G. sei auch kein einfacher Mensch. Derweil merkte Johann S. noch an: Nach der ersten Festnahme des Angeklagte­n unmittelba­r nach dem Verschwind­en sei Manfred G. „völlig von der Rolle“zurückgeke­hrt, G. habe ihm berichtet, von den ermittelnd­en Beamten geschlagen worden zu sein. Sichtbare Verletzung­en hatte S. nicht ausmachen können.

Das Ehepaar M. bot ein ganz anderes Bild: Man war mit Dorota und Manfred befreundet gewesen. Bis zur Geburt des ersten Kindes sei die Ehe normal verlaufen. In der Folge lernte man den Angeklagte­n auch mal impulsiv kennen, „und zwar so, dass ich nicht mehr allein mit ihm in einem Raum sein wollte“, äußerte die Frau. Der Mann sagte aus, dass der Bruder des Angeklagte­n, Arnold, nach dem Verschwind­en von Dorota, sehr nervös geworden sei, als der Mann mit Manfred G. über das Geschehene sprechen wollte. Gegenüber dem Mann soll der Angeklagte nach der Geburt des zweiten Kindes gesagt haben: „Ich hasse das Kind.“

Weitere Zeugen berichtete­n von finanziell­en Problemen und davon, wie sich Manfred G. vor und nach dem Verschwind­en seiner Frau mit mysteriöse­n Aussagen wie „Wenn meine Frau mich verlässt, bringe ich sie um.“oder „Die Alte muss weg.“verdächtig machte. Der Prozess wird am Freitag fortgesetz­t.

 ?? FOTO: ANKE BACKHAUS ?? Vor dem Aachener Landgerich­t wird der Mordfall Dorota G. verhandelt.
FOTO: ANKE BACKHAUS Vor dem Aachener Landgerich­t wird der Mordfall Dorota G. verhandelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany