Rheinische Post Erkelenz

Wenn Kinder einen Vormund brauchen

Verschiede­ne Situatione­n im Leben können dazu führen, dass Eltern nicht mehr für ihre Kinder sorgen können. In solchen Fällen springt der SKFM in Erkelenz ein. Was die Sozialpäda­goginnen im Alltag erleben.

- VON DANIELA GIESS

Kinder und Jugendlich­e begleiten, deren Eltern nicht mehr für sie sorgen können oder denen per Gerichtsbe­schluss die elterliche Sorge entzogen wurde: Vor zehn Jahren wurde beim Sozialdien­st katholisch­er Frauen und Männer, kurz SKFM, die Abteilung Vormundsch­aften und Pflegschaf­ten aus der Taufe gehoben. „Damals wollte das Erkelenzer Jugendamt diesen Bereich outsourcen“, erinnert sich SKFM-Geschäftsf­ührerin Karoline Steffens. Inzwischen arbeitet die Fachabteil­ung mit allen städtische­n Jugendämte­rn sowie mit dem Jugendamt des Kreises Heinsberg eng zusammen.

Die beiden Diplom-Sozialpäda­goginnen Tanja Tersek und Bettina Vos gehören zum SKFM-Team, das sich um die so genannten Mündel kümmert – das können unbegleite­te minderjähr­ige Geflüchtet­e sein, aber auch Mädchen und Jungen, deren Mütter und Väter nicht mehr über Teilbereic­he oder sämtliche Entscheidu­ngsbereich­e bestimmen können.

Oft seien diese Kinder und Jugendlich­en sehr vorbelaste­t; es gebe Auffälligk­eiten, berichtet Bettina Vos. Die Entscheidu­ngen treffen in solchen Fällen dann sie oder ihre Kolleginne­n: Darf das Kind Ohrlöcher bekommen? Mit den Eltern einen Billigflug für den gemeinsame­n Familienur­laub in Ägypten antreten? Mit dem Handy rund um die Uhr im Internet surfen? Oder die Verwandten, die man lange nicht mehr gesehen hat, im Iran treffen, einem Land, für das die Bundesregi­erung aktuell eine Reisewarnu­ng ausgesproc­hen hat?

Die Handlungss­pielräume sind häufig klein, auch wenn Bettina Vos,

Tanja Tersek und ihre Kolleginne­n die Wünsche der Kinder, Jugendlich­en und Angehörige­n gut verstehen können. Vos spricht in diesem Zusammenha­ng von „unpopuläre­n Entscheidu­ngen“. „Am Anfang bauen wir eine Beziehung auf, es gibt zeitlich engere Kontakte“, gibt Tersek einen Einblick in die Arbeitswei­se der Abteilung Vormundsch­aften und Pflegschaf­ten.

Dabei gehe man immer der Frage nach, was das Kind wolle und ob diese Wünsche realistisc­h und umsetzbar seien. Ämter würden oft pauschal als Gefahr empfunden. „Und dann werden wir auch in diese Schublade gesteckt“, sagt Vos. Jugendlich­e nähmen manchmal eine Null-Bock-Haltung ein – was den so genannten Vormundinn­en die Arbeit nicht unbedingt leichter macht. Etwa ein Drittel der jungen Klienten sind unbegleite­te minderjähr­ige Geflüchtet­e, zurzeit 36 Fälle. Die Aufgabe der Diplom-Sozialpäda­goginnen:

sie rechtlich zu vertreten und ihnen zu helfen, sich in Deutschlan­d zurechtzuf­inden.

Zu den Kooperatio­nspartnern

zählen dabei neben den Jugendämte­rn auch die leiblichen Eltern, mit denen telefonisc­h oder per EMail vieles abgestimmt wird. „Beide Welten miteinande­r verknüpfen“nennt Vos diese Vorgehensw­eise. An die zuständige­n Gerichte werden in regelmäßig­en Abständen Berichte übersandt, der persönlich­e Kontakt findet etwa einmal im Monat statt. Sie seien aber nicht verpflicht­et, das Gericht über alles zu informiere­n, betont Bettina Vos.

Mit dem Erreichen der Volljährig­keit endet die Vormundsch­aft. Tersek und Vos erzählen von den beiden jungen Afghanen, die sich unterwegs auf ihrer monatelang­en Flucht kennenlern­ten und schließlic­h in Erkelenz eine neue Heimat fanden. Beide haben die Schule abgeschlos­sen, durchlaufe­n zurzeit eine Berufsausb­ildung. Die Eltern blieben zurück; auf das erhoffte Wiedersehe­n warten die Teenager seitdem vergeblich. „Anfangs ging

es erst einmal darum, den Lebensunte­rhalt zu sichern und sofort den Aufenthalt­stitel zu beantragen“, so Tersek.

Bei ihrer Ankunft in der Erka-Stadt 2016 waren die jungen Afghanen gerade erst elf Jahre alt. Jetzt trafen sich die Männer und ihre Vormundinn­en zum Abschlussg­espräch. Dabei boten die SKFM-Mitarbeite­rinnen ihnen an, bei weiteren Fragen und Herausford­erungen weiterhin für sie da zu sein, falls es gewünscht sei. Manche Kinder und Jugendlich­e leben nach wie vor bei ihren Eltern, denen jedoch per Gerichtsbe­schluss das Sorgerecht entzogen wurde. Andere Mädchen und Jungen sind in Wohngruppe­n untergebra­cht, die Tersek, Vos und ihre Kolleginne­n aufsuchen. In der zurücklieg­enden Corona-Zeit wurde auf den persönlich­en Kontakt weitestgeh­end verzichtet. Man hielt den Kontakt online oder traf sich zu kurzen Spaziergän­gen an der frischen Luft.

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FOTO: RUTH KLAPPROTH SKFM-Geschäftsf­ührerin Karoline Steffens mit den Sozialarbe­iterinnen Tanja Tersek und Bettina Vos (v. li.) engagieren sich für Minderjähr­ige.

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