Wenn Kinder einen Vormund brauchen
Verschiedene Situationen im Leben können dazu führen, dass Eltern nicht mehr für ihre Kinder sorgen können. In solchen Fällen springt der SKFM in Erkelenz ein. Was die Sozialpädagoginnen im Alltag erleben.
Kinder und Jugendliche begleiten, deren Eltern nicht mehr für sie sorgen können oder denen per Gerichtsbeschluss die elterliche Sorge entzogen wurde: Vor zehn Jahren wurde beim Sozialdienst katholischer Frauen und Männer, kurz SKFM, die Abteilung Vormundschaften und Pflegschaften aus der Taufe gehoben. „Damals wollte das Erkelenzer Jugendamt diesen Bereich outsourcen“, erinnert sich SKFM-Geschäftsführerin Karoline Steffens. Inzwischen arbeitet die Fachabteilung mit allen städtischen Jugendämtern sowie mit dem Jugendamt des Kreises Heinsberg eng zusammen.
Die beiden Diplom-Sozialpädagoginnen Tanja Tersek und Bettina Vos gehören zum SKFM-Team, das sich um die so genannten Mündel kümmert – das können unbegleitete minderjährige Geflüchtete sein, aber auch Mädchen und Jungen, deren Mütter und Väter nicht mehr über Teilbereiche oder sämtliche Entscheidungsbereiche bestimmen können.
Oft seien diese Kinder und Jugendlichen sehr vorbelastet; es gebe Auffälligkeiten, berichtet Bettina Vos. Die Entscheidungen treffen in solchen Fällen dann sie oder ihre Kolleginnen: Darf das Kind Ohrlöcher bekommen? Mit den Eltern einen Billigflug für den gemeinsamen Familienurlaub in Ägypten antreten? Mit dem Handy rund um die Uhr im Internet surfen? Oder die Verwandten, die man lange nicht mehr gesehen hat, im Iran treffen, einem Land, für das die Bundesregierung aktuell eine Reisewarnung ausgesprochen hat?
Die Handlungsspielräume sind häufig klein, auch wenn Bettina Vos,
Tanja Tersek und ihre Kolleginnen die Wünsche der Kinder, Jugendlichen und Angehörigen gut verstehen können. Vos spricht in diesem Zusammenhang von „unpopulären Entscheidungen“. „Am Anfang bauen wir eine Beziehung auf, es gibt zeitlich engere Kontakte“, gibt Tersek einen Einblick in die Arbeitsweise der Abteilung Vormundschaften und Pflegschaften.
Dabei gehe man immer der Frage nach, was das Kind wolle und ob diese Wünsche realistisch und umsetzbar seien. Ämter würden oft pauschal als Gefahr empfunden. „Und dann werden wir auch in diese Schublade gesteckt“, sagt Vos. Jugendliche nähmen manchmal eine Null-Bock-Haltung ein – was den so genannten Vormundinnen die Arbeit nicht unbedingt leichter macht. Etwa ein Drittel der jungen Klienten sind unbegleitete minderjährige Geflüchtete, zurzeit 36 Fälle. Die Aufgabe der Diplom-Sozialpädagoginnen:
sie rechtlich zu vertreten und ihnen zu helfen, sich in Deutschland zurechtzufinden.
Zu den Kooperationspartnern
zählen dabei neben den Jugendämtern auch die leiblichen Eltern, mit denen telefonisch oder per EMail vieles abgestimmt wird. „Beide Welten miteinander verknüpfen“nennt Vos diese Vorgehensweise. An die zuständigen Gerichte werden in regelmäßigen Abständen Berichte übersandt, der persönliche Kontakt findet etwa einmal im Monat statt. Sie seien aber nicht verpflichtet, das Gericht über alles zu informieren, betont Bettina Vos.
Mit dem Erreichen der Volljährigkeit endet die Vormundschaft. Tersek und Vos erzählen von den beiden jungen Afghanen, die sich unterwegs auf ihrer monatelangen Flucht kennenlernten und schließlich in Erkelenz eine neue Heimat fanden. Beide haben die Schule abgeschlossen, durchlaufen zurzeit eine Berufsausbildung. Die Eltern blieben zurück; auf das erhoffte Wiedersehen warten die Teenager seitdem vergeblich. „Anfangs ging
es erst einmal darum, den Lebensunterhalt zu sichern und sofort den Aufenthaltstitel zu beantragen“, so Tersek.
Bei ihrer Ankunft in der Erka-Stadt 2016 waren die jungen Afghanen gerade erst elf Jahre alt. Jetzt trafen sich die Männer und ihre Vormundinnen zum Abschlussgespräch. Dabei boten die SKFM-Mitarbeiterinnen ihnen an, bei weiteren Fragen und Herausforderungen weiterhin für sie da zu sein, falls es gewünscht sei. Manche Kinder und Jugendliche leben nach wie vor bei ihren Eltern, denen jedoch per Gerichtsbeschluss das Sorgerecht entzogen wurde. Andere Mädchen und Jungen sind in Wohngruppen untergebracht, die Tersek, Vos und ihre Kolleginnen aufsuchen. In der zurückliegenden Corona-Zeit wurde auf den persönlichen Kontakt weitestgehend verzichtet. Man hielt den Kontakt online oder traf sich zu kurzen Spaziergängen an der frischen Luft.