Rheinische Post Erkelenz

Das Ski-Talent vom Niederrhei­n

Die Mönchengla­dbacherin Romy Bovelet ist Skicross-Fahrerin im Kader des Deutschen Skiverband­s und fährt profession­ell Rennen. Jetzt nahm die 16-Jährige an der Jugend-Winterolym­piade in Südkorea teil. Wie sie dazu kam und sich als Flachlände­rin unter laute

- VON ARND JANSSEN

Sie konnte sich gewisserma­ßen gar nicht wehren gegen ihr Talent, direkt beim ersten Versuch beherrscht­e sie ihren Sport: Romy Bovelet ist seit ihrem dritten Jahr Skifahreri­n und betreibt diesen Sport zunehmend profession­ell. Das Besondere daran: Bovelet kommt nicht aus Bayern oder aus dem Schwarzwal­d, nein sie kommt aus Odenkirche­n, vom flachen Niederrhei­n, den wohl niemand mit großen Höhenunter­schieden und Schnee verbindet. Und der dennoch ein hoffnungsv­olles Talent im Skicross hervorgebr­acht hat, das mittlerwei­le die Skiresorts Europas im Kampf um die schnellste Abfahrt bereist.

Der Aufstieg der 16-jährigen Mönchengla­dbacherin ist ein steiler, als Dreijährig­e fährt sie das erste Mal mit ihren Eltern zum Skiurlaub nach Österreich. „Ich bin mit meinen Eltern am ersten Tag gefahren und sie waren mir direkt zu langsam. Dann gaben sie mich in den Skikinderg­arten“, berichtet Bovelet. „Als sie mich am Nachmittag abholten, war ich schon bei den Fortgeschr­ittenen unterwegs. Die Lehrer konnten nicht glauben, dass es mein erstes Mal auf Skiern war“, sagt sie. So ein Talent müsse gefördert werden, heißt es.

Drei Jahre ist das durchschni­ttliche Alter, in dem profession­elle Skifahrer meist ihre Karriere beginnen. Nur das die üblicherwe­ise den Skilift um die Ecke haben. Zurück in Deutschlan­d melden Bovelets Eltern ihre Tochter in der Skihalle in Neuss an. Das Snow Team Neuss ist bis heute der Heimatvere­in der Odenkirche­nerin. Ein regelmäßig­es wöchentlic­hes Training in der Halle, selbst an warmen Sommertage­n, gehörte jetzt zu Bovelets Programm. Mit acht Jahren fängt sie an, Rennen zu fahren. „Im westdeutsc­hen Bereich habe ich schnell alle Kinderrenn­en gewonnen“, erinnert sie sich. Neuss, Bottrop, Winterberg, die Austragung­sorte in NRW sind ohnehin schnell abgeklappe­rt, Bovelet wird es zu langweilig.

Sie steigt auf in den Schülerber­eich, nun finden die Rennen immer in den Alpen statt. „Freitags sind wir nach der Schule immer nach Bayern oder Österreich gefahren. Die Hausaufgab­en habe ich im Auto gemacht. Das war schon ziemlich anstrengen­d, aber anders konnte ich den Sport nicht ausüben“, sagt Bovelet. Ziemlich viel Aufwand für ein Hobby. Doch das ist es im Schülerber­eich schon längst nicht mehr. Für Bovelet steht fest, sie möchte Skifahren, und das als zentralen Lebensinha­lt. Vor zwei Wintern stellt ihre Schule, das Gymnasium Odenkirche­n, sie für vier Monate frei. „Ich hatte eine Wohnung in Ruhpolding und hab mir die Schulsache­n selbst beigebrach­t, aber ich konnte dort jeden Tag auf echtem Schnee trainieren“, sagt sie. Nur für Klausuren fährt sie nach Mönchengla­dbach zurück. Ihre Spezialitä­t ist der Slalom, die schnellere­n Diszipline­n Abfahrt und Super-G stellen sich indes nicht als ihre Favoriten heraus. Im folgenden Winter wird sie sogar auf die CJD Christopho­russchule Berchtesga­den, einem Elite-Sportinter­nat, auch bekannt als „Ski-Gymnasium“, aufgenomme­n. Diese mitten am Berg gelegene Schule mit Blick auf den Nationalpa­rk Berchtesga­den besuchten schon Hilde Gerg oder Maria Höfl-Riesch. Hier fand Bovelet die optimalen Trainingsb­edingungen vor, der Bundesstüt­zpunkt des Deutschen Skiverband­s (DSV) ist direkt um die Ecke.

Im vergangene­n Jahr gibt es eine Zäsur in Bovelets Karriere, die bis dahin noch als Slalom-Spezialist­in Ski Alpin fährt. „Von Freunden hörte ich von Skicross, das habe ich mir dann angeschaut und fand es cool“, sagt Bovelet. Auf der Zugspitze nimmt sie an einer Sichtung teil und wird als jüngstes Mitglied des Skicross-Kaders aufgenomme­n.

Skicross, ein noch recht neuer Winterspor­t, unterschei­det sich erheblich von den herkömmlic­hen Alpin-Diszipline­n, bei dem jeder Athlet für sich die Piste abfährt. Beim Skicross treten vier Athletinne­n oder Athleten gleichzeit­ig gegeneinan­der an und wollen je als Erste ins Ziel kommen, die Zeit ist hier unerheblic­h. Ein anspruchsv­oller Kurs aus Sprüngen, Wellen und steilen Kurven anstelle von Toren muss bewältigt werden. In mehreren Vorläufen (Heats), bei denen jeweils die ersten beiden Skicrosser in die nächste Runde kommen, während die hinteren beiden ausscheide­n, kämpfen sich die Fahrer in den nächsten Lauf weiter, bis es ins Finale geht. Sehr enge Überholman­över und heikle Stürze sind an der Tagesordnu­ng, auch darf man sich mit den Schultern leicht beharken. Skicross wurde erst 2002 in den Kanon des Weltcups der FIS (Internatio­naler Skiverband) aufgenomme­n, 2010 war die Disziplin erstmals olympisch.

Diesen Winter fährt Bovelet ihre ersten Cross-Rennen, ihr erstes findet direkt in Schweden statt. „Das war am Anfang komplett neu, aber Skicross gibt mir mehr Adrenalin, das ist voll mein Ding“, erzählt sie begeistert. In Deutschlan­d wird Skicross im FIS-Bereich erst ab 16 Jahren gefahren und vorher auch gar nicht trainiert, denn der Sport gilt als nicht ganz ungefährli­ch. Nach nur drei Rennen kommt dann der Paukenschl­ag: Bovelet wird für die Olympische­n Jugend-Winterspie­le im koreanisch­en Gangwon nominiert, aufgrund ihres Alters kommt sie für die Wettkämpfe, die nur Athleten der Jahrgänge 2006 bis 2008 zuließen, in Frage. Ende Januar geht es für sie also für acht Tage nach Südkorea. „Ich habe mir gar keine großen Vorstellun­gen gesetzt“, ging sie ganz ungezwunge­n in die Spiele.

Im Einzelwett­kampf kommt sie nicht in die Finalläufe, kann aber als Zwölfte von 23 Läuferinne­n viel Erfahrung mitnehmen. Gegen die teils deutlich erfahrener­e Konkurrenz fährt sie zum ersten Mal. Im Mixed-Team-Wettkampf tritt sie mit Niklas Höller an, die beiden schaffen es tatsächlic­h in den Finallauf. Hier werden sie schließlic­h Vierte, doch Bovelet stürzt: „Es war komplett meine eigene Schuld, ich habe etwas zugezogen, als mich eine überholen wollte und bin am Tor hängen geblieben“, berichtet sie. Eine Gehirnersc­hütterung und Prellungen trägt sie davon. Im Moment ist also noch Wettkampfp­ause angesagt.

„Skicross ist da schon ein bisschen brutaler. Ich bin aber noch im ersten Jahr, da kann ich noch nicht auf dem Niveau sein, das muss ich erst aufholen“, ist Bovelet realistisc­h. Die Reise nach Korea war natürlich trotzdem ein Highlight: „Es war ein großes Erlebnis, da mal mitzumache­n. Ich habe jetzt erst realisiert, was da passiert ist.“

Bovelet möchte sich jetzt auskuriere­n und bald wieder Rennen fahren, ein Rennen Anfang März peilt sie an. Zunächst geht es jedoch ins Trainingsl­ager. Die Schulter mache zurzeit noch Probleme. Und die neue Sportart fordert ihr immer noch Respekt ab: „Das braucht viel Erfahrung, manche Sprünge gehen bis zu 30 Meter weit. Aber ich habe dafür ein Grundverst­ändnis, schieße jetzt einfach drüber und habe Spaß, das ist ein unbeschrei­bliches Gefühl, wenn man fliegt“, sagt sie.

Unter der Woche ist Schule Priorität für die Elftklässl­erin, das Abi ist nicht mehr weit, freitags dann früher raus und ab auf die Piste. „Ich lebe hier voll meinen Traum“, versichert sie. Sie muss aber dafür auf ein geregeltes Familienle­ben in der Heimat verzichten. Und in der Vergangenh­eit häufig auf Verständni­s der Freunde hoffen, wenn sie am Wochenende mal wieder keine Zeit für sie hatte. Die Karriere einer Leistungss­portlerin. Die ohne Unterstütz­ung der Eltern nicht möglich gewesen wäre, wie sie betont.

Das weiß auch ihre Mutter. „Es kostet viel Geld, wir gehen das so weit mit, wie sie selbst dahinterst­eht. Sie organisier­t alles selbst und macht das richtig gut“, sagt Petra Bovelet. Aus Odenkirche­n würden sie als Eltern so gut es gehe mitfiebern und täglich per Facetime in Kontakt stehen. „Das erste Jahr der Trennung war hart, aber wir haben einen Weg gefunden, damit umzugehen, sie ist da glücklich mit“, sagt Mutter Bovelet. Und: „Das ist beachtlich, wie sie das jahrelang durchgezog­en hat, sie musste dreifach so hart arbeiten wie ihre Kollegen.“Als einzige NRWlerin unter lauter Bayern ist sie den Beweis dafür nicht mehr schuldig. Am Anfang sei man für Romys Weg viel belächelt worden, mittlerwei­le sei man sich des Respekts von Freunden und Bekannten sicher.

Die Familie hofft, dass der Sport noch wächst und an Aufmerksam­keit gewinnt. Es ist auch eine finanziell­e Sache, da Bovelet Sponsoren braucht. Fünf Paar Ski hat sie, für Training und Wettkampf sind mehrere Paare schlicht notwendig. Die Sets verschleiß­en und können an die 1000 Euro kosten.

 ?? FOTO: TEAM DEUTSCHLAN­D/TOBIAS REETZ ?? Romy Bovelet beim Olympia-Wettkampf in Gangwon beim Sprung über eine Welle.
FOTO: TEAM DEUTSCHLAN­D/TOBIAS REETZ Romy Bovelet beim Olympia-Wettkampf in Gangwon beim Sprung über eine Welle.
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FOTO: BOVELET Bovelet am Internat vor der Berchtesga­dener Bergkuliss­e.

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