„Mönchengladbach wird bald Nebenschauplatz“
Die Schriftstellerin Susanne Goga lebt und arbeitet in Mönchengladbach. Über ihre Liebe zu Krimis und das Verhätlnis zur Lektorin.
MÖNCHENGLADBACH Susanne Gogas neunter Band ihrer Krimi-Reihe „Leo Wechsler“mit dem Titel „Der Teufel von Tempelhof“ist gerade erschienen. Die gebürtige Gladbacherin hat allerdings noch ein zweites berufliches Standbein und ist als literarische Übersetzerin tätig.
Sie sind in Mönchengladbach geboren und aufgewachsen. Warum sind Sie Ihrer Heimatstadt treu geblieben?
SUSANNE GOGA Ich fühle mich hier wohl. Meine Familie und die meines Mannes leben hier. Unsere Kinder sind in der Stadt aufgewachsen. Außerdem hat Mönchengladbach eine Toplage und man ist von hier aus schnell in Köln, Düsseldorf oder im Ruhrgebiet.
Was lieben Sie an Mönchengladbach?
GOGA Mir gefällt, dass Gladbach ein bisschen bodenständiger ist als beispielsweise Düsseldorf. Hier ist alles vertraut, und ich mag es, dass die Stadt so grün ist. Ich liebe die Schlösser, Wälder, das Theater und die Museen.
Sie sind Übersetzerin und Schriftstellerin. Gibt es Verbindendes?
GOGA Dadurch, dass ich schreibe, profitiert auch mein Übersetzen. Denn ein Buch ins Deutsche zu übersetzen, heißt eigentlich, es neu zu schreiben. Da hilft es, wenn man mit der Sprache sehr vertraut ist und auch selber schreibt. Beim Übersetzen schaue ich selbstverständlich sehr genau auf den Text, genauer als der Leser. Ich sehe, was ist gut gemacht, was nicht. Eventuell auch, was ich mir abgucken kann. Beide Felder befruchten sich gegenseitig.
Was muss man beim Übersetzen von Literatur als Kunstform, außer die Sprache zu beherrschen, können?
GOGA Ich denke, einen gewissen Hintergrund in Sprachwissenschaft und Literaturwissenschaft zu haben, hilft. Das lässt mich zum Beispiel kulturelle oder literarische Anspielungen einordnen. Bei einem Gedicht sollten das Metrum und die Gedichtform adaptiert werden können, da hilft mir der theoretische Hintergrund auch heute noch.
Hatten Sie schon einmal eine Schreibblockade?
GOGA Tatsächlich noch nicht. Es gibt natürlich bessere und schlechtere Tage, aber eine Blockade hatte ich zum Glück noch nicht. Ich habe Lust, zu schreiben und zu übersetzen, und bin immer motiviert. Ich denke, das hat mich bisher vor einer Blockade geschützt. Und wenn es passiert, muss ich wohl damit klarkommen.
Was gibt Ihnen das Schreiben? Könnten Sie ohne Schreiben leben?
GOGA Schreiben ist ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens. Und das ist anders als beim Übersetzen. Da sitze ich am Schreibtisch, und wenn ich das Tagespensum erfüllt habe, ist das abgeschlossen. Das ist beim Schreiben anders. Schreiben ist immer da, es beschäftigt mich den ganzen Tag, nicht nur beim Schreiben direkt. Oft kommen mir auch Ideen, wenn ich ganz andere Sachen mache, unterbewusst. Schreiben ist persönlicher, und ich habe die Freiheit, mir die Geschichte selbst auszudenken.
Wer ist der erste Mensch, der Ihre neuen Romane lesen darf?
GOGA Vor der Veröffentlichung erhält nur meine Lektorin den kompletten Roman zum Lesen. Einzelne Szenen lese ich schon mal meinem Mann vor oder je nach Thema auch meinen Kindern, um zu erfahren, ob die Szene so funktioniert, wie ich mir das vorgestellt habe. Aber ganz dürfen das Manuskript nur meine Lektorinnen lesen. Die mir übrigens sehr wichtig sind.
Haben Sie immer die gleichen Lektoren oder Lektorinnen? Entsteht so etwas wie eine Beziehung?
GOGA Seit 2004 arbeite ich bei dtv, wo meine Krimis erscheinen, mit derselben Lektorin zusammen. Und ich kann gar nicht beschreiben, wie wichtig sie für mich ist. Ihre Arbeit geht weit über stilistische Fragen hinaus. Wir arbeiten an der Geschichte, und sie kennt über die Jahre die Charaktere, besonders Leo Wechsler, den Kommissar. Sie weist mich auch auf Motive und Erzählstränge hin, die ich noch einmal aufgreifen kann, oder findet Schwächen in der Charakterdarstellung. Wenn ich mal nicht die richtige Idee an der richtigen Stelle habe, dann hat sie die. Wahnsinnig wichtig sind Lektorinnen, wenn sie einen auf Dinge stoßen, die logisch nicht stimmen.
Dann fällt es Ihnen auch nicht schwer, Passagen umzuschreiben?
GOGA Schön ist das nie. Gerade bei größeren Änderungsvorschlägen weiß ich, ändere ich die Stelle, muss ich 20 andere auch ändern. Aber letztlich ist es bisher immer so gewesen, dass es dadurch besser wird. Das erkenne ich sehr schnell. Dann ändere ich, denn alle wollen am Ende die bestmögliche Geschichte haben.
Ihre Krimireihe spielt im Berlin der 1920er Jahre. Was hat Ihre Leidenschaft für Krimis geweckt?
GOGA Ich habe nie daran gedacht, einen Roman zu schreiben, der in der Gegenwart spielt. Die Zeit um die Jahrhundertwende bis in die 30er hat mich schon immer fasziniert. Mein erstes Manuskript spielte im Ersten Weltkrieg, aber das war damals beim Publikum nicht gefragt. Das brachte mich auf die Idee eines 20er-Jahre-Krimis, weil ein Kriminalroman ein breitgefasstes Genre ist. Es gibt politische, historische, sozialkritische oder witzige Krimis: Alles ist möglich. Es gibt eigentlich nichts, was man nicht im Krimi erzählen könnte. Der Ermittler gelangt in Berlin in unterschiedliche Milieus und so kann ich die unterschiedlichen Lebenswelten, die nebeneinander existieren, auch historisch beleuchten. Das hat mich wahnsinnig gereizt.
Wenn Sie in die historische Zeit eintauchen, müssen Sie viel recherchieren. Wie kommen Sie an Ihre Informationen?
GOGA Ich habe inzwischen ein gewisses Fundament an Wissen, auf das ich zurückgreifen kann. Aber bei jedem Buch tauchen je nach Thema neue Fragen auf. Da sind die Quellen *
ganz unterschiedlich: In erster Linie Bücher, das Internet durchforste ich auch regelmäßig und immer wieder frage ich Menschen vom Fach. Ich schreibe die Leute auch an. Meinen Gynäkologen habe ich zum Beispiel gefragt, wie und ob man erkennen kann, ob eine Frau schon einmal ein Kind geboren hat. Dabei ging es um die Obduktion einer Frauenleiche.
Das sind allgemeingültige Dinge. Wie erfahren Sie Berlin-Spezifisches?
GOGA Da habe ich mittlerweile eine große Bibliothek. Auch in Berlin habe ich meine Kontakte. Im neuen Roman kommt beispielsweise ein Kloster vor. Dazu habe ich im Internet jemanden gefunden, der zum Jubiläum der Pfarrgemeinde eine Broschüre rausgegeben hat. Ein Exemplar war noch vorhanden, das der Autor mir geschickt hat. Dort war die ganze Geschichte des Klosters mit Fotos abgebildet. Das war ein Glücksgriff. Aber ich habe generell die Erfahrung gemacht, dass die allermeisten Menschen ausgesprochen hilfsbereit sind und sich freuen, über ihr Fachgebiet erzählen zu können. Für mich ist das ein tolles Gefühl, Dinge von jemandem persönlich zu erfahren, der sich damit auskennt.
Wie planen Sie Ihre Romane? Wird die Geschichte auf dem Reißbrett geplant oder entsteht die Handlung erst mit dem Schreiben?
GOGA Bei meinen Krimis habe ich eine ungefähre Vorstellung, wer ermordet wird und warum. In der Regel kenne ich vorher auch den Täter, eventuell noch ein paar wichtige Schauplätze, aber das ist es schon. Die Art des Schreibens muss man für sich finden, andere planen sehr genau. Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn nicht von Anfang an alles in Stein gemeißelt ist, bin ich flexibler. Wenn mir zwischendurch noch eine tolle Idee kommt, kann ich die leichter einbauen, als wenn ich Kapitel eins bis 30 schon stehen hätte. Mit dieser Arbeitsweise habe ich immer gute Erfahrungen gemacht.
Mit Blick auf die Gegenwart: Haben Sie Angst, dass sich Geschichte wiederholt?
GOGA Geschichte wird sich nicht eins-zu-eins wiederholen. Aber momentan geht es in eine Richtung, in der sich Dinge in veränderter Form wiederholen. Zu sehen, wie sich das Vokabular in den vergangenen zehn Jahren verändert hat, ist schon beängstigend. Und es ist schlimm genug, wenn sich Teile wiederholen.
Ich kann mich erinnern, dass ich 2016 das erste Mal in einer Lesung gefragt worden bin, ob ich Parallelen zur Gegenwart sehe – das war die Pegida-Zeit. Das war mir bis dahin noch nie passiert. Aber seitdem hat es auch nicht mehr aufgehört.
Wurmt es Sie manchmal, dass Sie die Erste waren, die einen Kriminalkommissar im Berlin der 1920er Jahre ermitteln ließen, aber Volker Kutschers Romane mit „Babylon Berlin“verfilmt werden? GOGA Es ist natürlich schon interessant, wenn ein Buch verfilmt wird. Andererseits ist es so, wenn man die Bücher mit der Serie vergleicht, ist von Kutschers Original nicht mehr viel übriggebelieben. Man gibt den Stoff aus der Hand und muss dann damit leben, dass Figuren verändert werden. Ich fände das schlimm, wenn meinem Leo Wesenszüge zugeschrieben würden, die nicht mit meiner Vorstellung übereinstimmen.
Dann schreiben Sie doch selbst ein Drehbuch.
GOGA Ich habe tatsächlich von „Leo Berlin“eine Theaterfassung geschrieben. Falls jemand Interesse hat, bitte melden! Das hat Riesenspaß gemacht. Spannend war, die Geschichte in ein anderes Medium zu übersetzen. Es geht viel mehr um das Geschehen zwischen den Figuren, die Dialoge und Figurenkonstellationen, denn die atmosphärischen oder Schauplatzbeschreibungen fallen weg. Das auszuprobieren, war eine ganz neue Erfahrung.
Können Sie eigentlich noch ein Buch „einfach so“lesen, ohne den Blick als Schriftstellerin oder Übersetzerin?
GOGA Doch, schon. Es passiert natürlich, dass ich an manchen Stellen denke: oje. Andererseits bin ich auch fasziniert von tollen Wendungen oder sprachlich schönen Stellen. Bis zu einem gewissen Grad kann ich aber abschalten und zum Vergnügen lesen.
Haben Sie bereits Ihren nächsten Roman in Arbeit?
GOGA Ja. Der Hauptteil der Handlung spielt im April 1919 in Düsseldorf, aber ein wichtiger Nebenschauplatz ist Mönchengladbach. Die Hauptfiguren, Bruder und Schwester, sind gebürtig aus der Stadt. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.
Wochenende, strömender Regen, Couchwetter: Greifen Sie zu einem guten Film oder Buch?
GOGA Da kann ich mich nicht entscheiden. Ich gucke gerne gute Filme oder Serien, aber ich lese selbstverständlich auch gerne. Die Wahl ist dann stimmungsabhängig.
Was lesen Sie gerade?
GOGA Ich lese gerade ein sehr schönes Buch: „Ich bin meine eigene Frau“von Charlotte von Mahlsdorf.