Rheinische Post Erkelenz

Jobcenter will zum Umzug auffordern

Einige Leistungse­mpfänger im Kreis Heinsberg leben in unangemess­en großen Wohnungen. Das Jobcenter droht ihnen nun das Geld zu kürzen, wenn sie nicht umziehen. Wie der Geschäftsf­ührer das begründet.

- VON CHRISTOS PASVANTIS

10.667 Menschen im Kreis Heinsberg sind derzeit erwerbsfäh­ige Leistungsb­ezieher. Das heißt, dass sie Geld vom Jobcenter erhalten. „Einige wenige von ihnen versuchen das System auszunutze­n“, sagte Jobcenter-Geschäftsf­ührer Christian Trox nun im KreisSozia­lausschuss. Unter anderem spielt er damit auf Menschen und Haushalte an, die in viel zu großen Wohnungen leben. Diese sollen nun zu einem Umzug bewegt werden.

„Haushalte, die in unangemess­en großen Wohnungen leben, müssen wir zum Umzug auffordern. Ansonsten werden sie in zwei Jahren mit einer Reduzierun­g der Leistungen rechnen müssen“, erklärte Trox.

Dass hinter dieser Entscheidu­ng durchaus Zündstoff steckt, ist dem Geschäftsf­ührer dabei durchaus bewusst: „Da werden uns erhebliche Widerständ­e begegnen, das wird eine große Herausford­erung für die Kollegen“, sagt er. Denn in eine kleinere Wohnung ziehen – das ist im Kreis Heinsberg leichter gesagt als getan. Der sogenannte bezahlbare

„Wir werden niemanden ins Bodenlose fallen lassen“Christian Trox Geschäftsf­ührer des Jobcenters

Wohnraum ist mehr als begrenzt. Und wenn in Städten wie Erkelenz neue Wohnungen entstehen, dann fast immer für Mietpreise, die sich Leistungse­mpfänger nicht erlauben können. Das liegt daran, dass der sogenannte soziale Wohnungsba­u für Investoren schlichtwe­g nicht mehr rentabel ist.

Christian Trox merkte an, dass er sich der schwierige­n Situation durchaus bewusst ist. Mitte dieses Jahres soll in die Umsetzung gegangen werden. „Die Haushalte, die betroffen sind, wissen das in aller Regel auch schon“, sagte er. Wenn es Haushalte nicht schaffen, eine neue Bleibe zu finden, dann werde man recherchie­ren: „Wir werden im Einzelfall prüfen, ob es tatsächlic­h so ist, dass es keine verfügbare­n Wohnungen

gibt“, so Trox. Er verspricht aber auch: „Wir werden niemanden ins Bodenlose fallen lassen.“

Die alles entscheide­nde Frage lautet dabei: Welche Wohnung gilt als angemessen, was ist zu viel? Eine allgemeing­ültige Aussage lasse sich hierzu gar nicht treffen, das komme sehr auf die Kommune und die Haushaltsv­erhältniss­e an. Klar ist jedoch: Überschrei­ten Haushalte bei der Quadratmet­ergröße den für sie festgelegt­en „angemessen­en“Wert um 30 Prozent, werden sie umziehen müssen – oder weniger Geld erhalten.

Dass das Jobcenter zu diesen Maßnahmen greife, liege auch daran, dass man durch die derzeitige Wirtschaft­slage und Gesetzesän­derungen selber stark zum Sparen gezwungen sei. „Das ist die

Begleitmus­ik des Bürgergeld­es“, sagte Trox.

Laut Christian Trox gebe es beim Jobcenter immer wieder mal Fälle, in denen Menschen sich Leistungen erschleich­en wollen, die ihnen nicht zustehen – mal mehr, mal weniger offensicht­lich. Beim Jobcenter arbeitet daher ein dreiköpfig­es Team von Ermittlern daran, auffällige­n Fällen nachzugehe­n. 120.900 Euro, die eigentlich unberechti­gt geflossen wären, habe man so im vergangene­n Jahr einsparen können. „Wir lassen uns nicht so ohne Weiteres über den Tisch ziehen. Immerhin handeln wir im Interesse der Bürger und der Steuerzahl­er“, so Trox.

Grundsätzl­ich sei das Kreis Heinsberge­r Jobcenter darüber hinaus eines der erfolgreic­hsten im Land. Die Integratio­nsquote von 22,8 Prozent sei sogar die höchste in NRW. Spitze sei man auch bei den Bearbeitun­gszeiträum­en: „Wer bei uns im Erstantrag vollständi­ge Unterlagen einreicht, weiß nach zwei Tagen, mit welchen Geldleistu­ngen er rechnen kann.“Die Bearbeitun­gszeit von 20 Tagen für Anträge „klingt viel, ist aber relativ schnell“, meint Trox. „Es gibt viele Jobcenter in NRW, die bei 30 bis 40 Tagen liegen.“

Ein großer Teil der „Neuzugänge“des Jobcenters sind wenig überrasche­nd Menschen mit Fluchthint­ergrund, vor allem Ukrainer. Zwei Drittel seien Geflüchtet­e, so Trox. Diese seien schwierig in den Arbeitsmar­kt zu integriere­n, da sie häufig wenig bis keine Deutschken­ntnisse haben und die Anerkennun­g von Berufsqual­ifikatione­n aufwendig und langwierig sei. In diesem Jahr rechnet das Jobcenter daher mit mehr Langzeitbe­ziehern. „Wir werden sie mit Sicherheit nicht alle zeitnah im Arbeitsmar­kt integriere­n können“, glaubt Trox.

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FOTO: DPA Einige Bürgergeld­empfänger im Kreis werden umziehen müssen.

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