Vier-Tage-Woche auf dem Prüfstand
Arbeiten an vier statt fünf Tagen bei vollem Lohnausgleich? Das Rechenzentrum Hartmann aus Mönchengladbach beteiligt sich an einer deutschlandweiten Studie, in der die Auswirkungen dieses Arbeitsmodells untersucht werden. Wie das funktioniert.
Wer das Firmengebäude von Rechenzentrum Hartmann betritt, steht vor UraltDisketten, dicken Monitoren und Steinzeit-Rechnern wie LochkartenSortiermaschinen. Die aussortierten Geräte dienen als aparte Ausstellungsstücke im Foyer. Ein bisschen Historisches darf sein in dem Neubau, den das 1965 gegründete Unternehmen 2017 bezogen hat. Der Mönchengladbacher Spezialist für Lohnbuchhaltung ist dort im BigData-Zeitalter unterwegs. „Wir sind ein HR-Dienstleister mit mehreren Zehntausend Abrechnungsfällen pro Monat. Wir übernehmen immer mehr Sachbearbeitung für Lohnund Gehaltsabrechnungen“, sagt die geschäftsführende Gesellschafterin Caroline Hartmann-Serve.
Was die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden angeht, tüftelt das Unternehmen in einem Pilotprojekt an der Zukunft. Das Rechenzentrum Hartmann ist eines von 45 Unternehmen, das an einer Studie zur Vier-Tage-Woche teilnimmt. Im vergangenen Jahr hatte die Beratungsfirma Intraprenör dazu aufgerufen. Die Betriebe kommen aus der Industrie, dem Handel, der Unterhaltung, der Energieversorgung und der IT. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von der Universität Münster, die Unternehmen sollen durch Trainings und Netzwerktreffen unterstützt werden.
„Aus der Überlegung, was Arbeit attraktiv macht, entstand die Idee, die Vier-Tage-Woche auszuprobieren“, sagt Ann-Kathrin Serve, die bei Hartmann das Projekt betreut. „Die Studie traf sich deshalb gut mit unseren Überlegungen zur Flexibilität von Arbeitszeit und Arbeitsplatz.“Und Thorsten Peltzer, Kaufmännische Leitung, bekräftigt: „Wir wollen herausfinden, ob das eine Möglichkeit ist, die Arbeitgeber-Attraktivität zu erhöhen und Fachkräfte zu finden
oder zu halten.“
Das funktioniert so: 45 Beschäftigte arbeiten in der Testphase seit Anfang Februar bis Anfang August aufgeteilt in Teams entweder von montags bis donnerstags oder von dienstags bis freitags. Die Arbeitszeit wird um zehn Prozent auf 36 Stunden pro Woche verringert, die auf vier Tage verteilt sind – und das bei vollem Lohnausgleich. Die restliche Belegschaft arbeitet weiter in den gewohnten Arbeitszeiten. „So sind wir nach wie vor an allen fünf Werktagen für unsere Kunden mit unseren Dienstleistungen erreichbar“, sagt Ann-Kathrin Serve.
Die Ergebnisse werden durch die Münsteraner Forscher evaluiert. Dazu dienen Befragungen bei den Teilnehmenden und der Vergleichsgruppe. „Es gibt freiwillige Interviews mit unseren Mitarbeitenden. Es gibt Leute, die freiwillig Fitnesstracker tragen, um Gesundheitsdaten und das Stresslevel zu messen“, sagt Ann-Kathrin Serve. „Das Pilotprojekt ist für uns die beste Möglichkeit, das Modell abbilden zu können. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind für uns wichtig,
um einschätzen zu können, ob wir das für das ganze Unternehmen darstellen können. Die Produktivität muss gleich oder vielleicht sogar besser sein. Dann kann die Studie ein Schritt in veränderte Arbeitswelten sein.“
Möglicherweise könnte dies bei entsprechend positiven Erkenntnissen dazu führen, im Rennen um Fachkräfte Pluspunkte gegenüber
der Konkurrenz zu sammeln. „Wir haben viele Lohn- und Gehaltsbuchhalter beschäftigt, also in der Regel Kaufleute, die sich auf diesen Bereich spezialisiert haben, da es leider kein Ausbildungsberuf ist. Da stehen wir auch im Wettbewerb mit großen Konzernen“, sagt Thorsten Peltzer.
Wie verbreitet ist die Vier-Tage-Woche denn in Mönchengladbach?
Genaue Kennzahlen dazu gibt es nicht, am verlässlichsten dürften Ergebnisse einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein sein. Die wollte im Oktober 2023 von den teilnehmenden Unternehmen wissen, ob die Vier-Tage-Woche bereits praktiziert oder zumindest geprüft wird. Das Ergebnis war eindeutig: 6,1 Prozent der Betriebe gaben an, dass sie das Modell anbieten, weitere 8,5 Prozent wollten dies prüfen. Für mehr als 85 Prozent der befragten Unternehmen spielt dieses Modell aber keine Rolle. „Es gibt in unserer Region keinen Trend zur Vier-Tage-Woche“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich kann gut nachvollziehen, dass sich die Unternehmen in Zeiten von Rezession, schwierigen Wettbewerbsrahmenbedingungen und Fachkräftebedarf eher nicht damit beschäftigen.“Steinmetz räumt aber ein: „Im Einzelfall kann das sicherlich eine gute Lösung für Unternehmen sein zur Arbeitgeberattraktivität und Rekrutierung von neuem Personal.“