„Ulrik war ein ganz großer Borusse“
Ulrik Le Fevre ist im Alter von 77 Jahren gestorben. Er stand 1969 für vieles, was Hennes Weisweilers erstes Meisterteam ausmachte. Berti Vogts würdigt den Dänen.
Friedhelm Frontzeck und Ulrik Le Fevre, die beide in der vergangenen Woche verstorben sind, hatten etwas gemeinsam: Beide haben mit Borussia Geschichte geschrieben. Frontzeck 1960, als er mit dem Gladbacher Team sensationell erstmals den DFB-Pokal gewann. Und Le Fevre 1970 und 1971, als er zu Borussias erstem Meisterteam gehörte, das dann, auch das hatte zuvor kein Klub geschafft, den Titel auch verteidigte.
„Die erste der beiden Meisterschaften, die er mit Gladbach einfuhr, ging nicht zuletzt auf sein Konto“, schreibt Holger Jenrich in seinem Borussia-Lexikon über Le Fevre. Er war 1969 einer von drei Neulingen im Team von Hennes Weisweiler, indes: Er war der, der des Trainers Spielphilosophie am besten verkörperte als schneller, wendiger Linksaußen – der gemachte Mann für den Konterfußball der Fohlenelf.
„Ulrik war einer von denen, die Günter Netzer auch mal Widerworte gaben – aber er ist immer steil gegangen, damit Günter seine Pässe aus der Tiefe des Raumes spielen konnte. Und er ist immer wieder ins Eins-gegen-Eins gegangen. Ulrik hat unser Spiel mitgeprägt“, sagt Ur-Borusse Berti Vogts im Gespräch mit unserer Redaktion über Le Fevre, der 77 Jahre alt wurde.
Luggi Müller und Klaus-Dieter Sieloff, die 1969 mit Le Fevre kamen, der in seiner Heimat gerade das Examen als Mittelschullehrer abgelegt hatte, waren Abwehrrecken. Sie wurden der Rückhalt der fröhlichen Offensive der Borussen, in der wiederum Le Fevre als Nachfolger Klaus Ackermanns wirbelte. Das Trio, das im Sommer 1969 kam,
stand also für alles, was Weisweilers erstes Meisterteam ausmachte: wildes Offensivspiel ebenso wie standhafte Abwehrarbeit.
Le Fevre war zwar keine personifizierte Torfabrik (27 Treffer in 108 Gladbach-Spielen), doch traf er immer wieder in wichtigen Momenten. Wie am 29. November 1969, als er in der 88. Minute das 1:0-Siegtor beim 1. FC Köln erzielte, „das war mein wichtigstes Tor für Gladbach“, sagte er rückblickend. Mit seinem schönsten schrieb er wieder Geschichte: Er lupfte den Ball über den ersten, dann über den zweiten Schalker, dann nahm er ihn noch, bevor dieser den Boden berührte, direkt – und machte so 1971 beim 7:0 gegen Schalke das erste „Tor des Jahres“der ARD-Sportschau.
Drei Tage zuvor hatte er auch bei Borussias wohl bestem Spiel aller Zeiten mitgewirkt, beim 7:1 gegen Inter Mailand, das wegen des legendären Büchsenwurfs annulliert wurde. Le Fevre erzielte an jenem Abend zwei Tore, auch hier ein wichtiges: das 2:1, das nach Inters Ausgleich alle Dämme brechen ließ bei den Italienern. Das Spiel, das es offiziell nicht gab, war nicht nur das beste Borussias, sondern wohl auch das beste Le Fevres. Inters CatenaccioSpezialisten waren überfordert mit dem niederrheinischen Dänen.
Auch als solcher steht Le Fevre in den Gladbacher Geschichtsbüchern. Er war der erste von nunmehr 19 Dänen, die zu Gladbach kamen. Der zweite Däne, Allan Simonsen, kam wie er und später Steen Thychosen von Vejle BK zu Borussia. Simonsen wurde prägend für die zweite Generation „Fohlenelf“, mit 117 Toren in 249 Spielen ist der kleinste Däne immer noch der größte in Gladbach. Simonsen und Henning Jensen (60 Tore in 182 Spielen, † 2017) kamen 1972, als Le Fevre, der Ursprung der guten Beziehung zwischen Gladbach und skandinavischen Kickern, zum belgischen Top-Klub FC Brügge gewechselt war.
2005 war es Kasper Bögelund, der als zweiter Däne nach Le Fevre für Gladbach ein „Tor des Jahres“erzielte. Der letzte Däne, den Borussia holte, ist Mittelfeld-Mann Oscar Fraulo, der 2022 kam. Er ist derzeit an den FC Utrecht ausgeliehen. Ganz so prägend wie in den großen 70ern waren die Gladbacher Dänen aber später nicht mehr.
„Unsere Dänen waren wie Brüder, ganz feine Kerle. Ulrik, Henning und Allan – tolle Teamplayer, klasse Fußballer. Wenn es was zu feiern gab, waren sie auch trinkfest. Und immer gut drauf. Wenn wir mal verloren haben, kam Ulrik und sagte: Komm‘ Berti, Kopf hoch, im nächsten Spiel mache ich zwei Tore, dann passt es wieder“, berichtet Vogts. Für ihn gibt es keine Zweifel: „Ulrik war einer der ganz großen Borussen.“