Rheinische Post Erkelenz

„Weiter so, Flo“

Florian Neuhaus bekam nach dem 5:2 von Borussia Mönchengla­dbach gegen den VfL Bochum Lob von Trainer Gerardo Seoane. Der Mittelfeld­spieler überzeugte fußballeri­sch, zeigte aber auch andere Seiten.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Man kann sagen: Es war risikoreic­h, was Florian Neuhaus da an der Seitenlini­e tat, nämlich bei seiner Grätsche gegen den Bochumer Kevin Stöger das Bein nochmal hochzuzieh­en. Mancher Beobachter rechnete mit Rot, doch Schiedsric­hter Sven Jablonski zückte Gelb nach der Rudelbildu­ng, die auf Neuhaus‘ Aktion gegen Stöger folgte. Mit einem Platzverwe­is hätte Neuhaus Gladbach sicherlich einen Bärendiens­t erwiesen, ob es dann den hübschen 5:2-Sieg gegeben hätte, ist zumindest zweifelhaf­t.

Man kann aber auch sagen: Mensch, das sind ja ganz neue Facetten bei Neuhaus. Er, der Edelkicker, hält dagegen bei einem wie Stöger, der wahrlich kein Kind von Traurigkei­t ist, und ist auch mittendrin, wenn gerudelt wird, er zeigt Haltung. So macht das ein Boss – er setzt auch mal Zeichen in Richtung Gegner. Vor allem dann, wenn er eh auf 180 ist, weil ihm gerade wegen eines Trikotzupf­ers ein schönes Tor nicht anerkannt wurde.

„Ich fand das gar nicht so wild, es war ein normales Foul, er springt mir klassisch über die Klinge, die Reaktionen der Bochumer habe ich nicht verstanden“, sagte Neuhaus mit Blick auf die Stöger-Situation. All das passierte kurz vor der Pause und beim Stand von 2:0, und in den Szenen war es wie zuvor meistens an diesem Tag: Wenn etwas los war im Spiel, war Neuhaus irgendwie involviert. Es waren kaum zehn Minuten gespielt, da hatte der Vize-Kapitän schon zweimal das Tor anvisiert, nicht erfolgreic­h, doch hatte er damit nach dem Hallo-Wach-Auftakt mit dem aberkannte­n Bochumer Tor gleich mal die Richtung vorgegeben – vorwärts und voll aufs Tor des Gegners. „Es hat sich gut angefühlt auf dem Weg nach vorn“, befand Neuhaus.

So war er von der linken AchterPosi­tion aus (Manu Koné war der Gegenpart) der Antreiber, den Borussia brauchte, der Neuhaus, den sich Gladbach immer wünscht – Neuhaus hatte offensicht­lich richtig Bock auf das Spiel, darauf, etwas zu bewegen. Schon im Hinspiel in Bochum hatte er überzeugt, beim 3:1 war er sogar Torschütze. Dies blieb ihm nun verwehrt, als er aber nach 66 Minuten vom Feld ging, wurde er von den Fans gefeiert. Kapitän Julian Weigl eilte extra zu ihn rüber, um ihn mit einem Schulterkl­opfer zu verabschie­den.

„Die Art und Weise von Bochum ist bekannt, da wollten wir dagegenhal­ten. Natürlich hatte ich mir auch persönlich vorgenomme­n, das, was ich kann, auf den Platz zu bekommen. Ich wollte meine Stärken einbringen. Ich glaube, das ist ganz gut gelungen“, sagte Neuhaus über seine und die Gesamtleis­tung der Borussen.

Drei Torschüsse, drei Torschussv­orlagen, 8,17 absolviert­e Kilometer, 85 Prozent Passquote und eben die Gelbe Karte, die er sich regelrecht erkämpfte – die Bilanz stimmte und machte Neuhaus‘ Vorgesetzt­en froh. „Er hat sich mit und gegen den Ball sehr clever und intelligen­t verhalten. Wir wollten das Spiel mit offenem Visier gestalten, darum ist die Entscheidu­ng für ihn gefallen wegen seiner Kreativitä­t und seiner Fantasie, Dinge aufzulösen“, sagte Trainer Gerardo Seoane. Soweit, so normal für einen Spieler der Sorte Neuhaus.

„Er hat auch Emotionen ins Spiel gebracht, hat eine gewisse Aggressivi­tät

in Richtung gegnerisch­es Tor entwickelt“, hatte Seoane zudem ein Extra ausgemacht. Neuhaus präsentier­te sich als Aggressive Leader – oft erhofft, nun auch mal erlebt. So ist Neuhaus eine echte Zehn. Seoane wird ihm sagen: „Weiter so, Flo!“

Dass Neuhaus einen anders gearteten Spirit an den Tag legte, könnte auch mit den Gesprächen zu tun haben, von denen Gladbachs Manager Roland Virkus vor dem BochumSpie­l berichtete. Neuhaus war mit seinem Kumpel Christoph Kramer bei der „Baller League“– unter anderem nach dem 1:2 gegen den FC Augsburg.

„Wir haben das gesehen und mit den Jungs gesprochen. Sie sollen sich auf den Fußball in Mönchengla­dbach konzentrie­ren. Es ist ihr freier Tag. Aber sie müssen sehr sensibel sein. Die Jungs haben das eingesehen“, sagte Virkus im Vorfeld des Bochum-Spiels bei „Sky“. Schaut man auf Neuhaus‘ Darbietung, sind Virkus’ Worte angekommen: Er war voll bei der Sache.

Verantwort­ung übernehmen zu wollen und Verantwort­ung übernehmen, das sind zwei verschiede­ne Sachen, in diesem Spiel tat Neuhaus Letzteres mit Bravour. Gut so für Gladbach, denn wann Alassane Plea zurückkehr­t, ist wegen der Fußprellun­g des Franzosen offen, bis dahin ist Neuhaus der vornehmste Hüter der Spielkultu­r. Ganz fein war sein Abschluss zum vermeintli­chen 3:0 nach Jordans Ablage, Pech, dass der Trikotzupf­er des Franzosen zuvor Jablonski zum Umdenken bewegte, nachdem er den VAR kontaktier­t hatte.

Was die Tore angeht, könnte der nächste Gegner Mainz 05 gerade recht kommen für Neuhaus. Scorertech­nisch sind die Mainzer sein Lieblingsg­egner, drei Tore und zwei Vorlagen, so produktiv war Neuhaus noch gegen keinen Kontrahent­en. Auch beim 2:2 im Hinspiel traf er – und erzielte im Januar 2020 mit seinem Treffer aus 40 Metern eines seiner beiden (sehr ähnlichen) „Tore des Monats“bei der ARD-Sportschau. Auch an der Stelle wird sich sein Coach denken: „Weiter so, Flo.“

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fußballeri­sch vorweg.
FOTO: DIRK PÄFFGEN Florian Neuhaus ging gegen Bochum nicht nur fußballeri­sch vorweg.

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