Rheinische Post Erkelenz

Wie der Strom nach Erkelenz kam

Günther Merkens vom Heimatvere­in der Erkelenzer Lande hat sich dazu die Spuren in der Vergangenh­eit angesehen.

- VON GÜNTHER MERKENS

Zum Alltag gehören Strom, Gas und Wasser. Wie hat alles in Erkelenz begonnen? Bis Mitte des 19. Jahrhunder­ts gab es keine öffentlich­e Versorgung. Erst die Industrial­isierung zum Ende des 19. Jahrhunder­ts brachte Bewegung in diesen Bereich.

In den Quellen finden sich wenige Hinweise auf Lichtquell­en in Erkelenz. Gaspers/Sels schreiben in der Geschichte der Stadt, dass es ab 1846 eine spärliche Straßenbel­euchtung gab. 1859 wurden ÖlStraßenl­aternen aufgehängt, die von der Stadt Neuss gekauft wurden, da in Neuss nun Gasbeleuch­tung gab. Die Laternen hingen an Seilen, die über die Straße gespannt waren. Zum Reinigen, Füllen und Anzünden ließ man sie herunter. Später wurden Öllampen durch Petroleuml­ampen ersetzt.

In der Neusser Zeitung vom 6. September 1871 wird der Kauf der Lampen vor 15 Jahren, also 1856, bestätigt. Berichtet wird, dass die Lampen nicht von der Stadt Erkelenz aufgehängt wurden, sondern von Laternenve­reinen.

Am 28. Oktober 1859 steht im Erkelenzer Kreisblatt: „Und er sprach: Es werde Licht, und siehe, es ward Licht. Seit heute Abend erfreut sich unser Städtchen einer Aufklärung, wie bereits viele Dörfer unseres Kreises sie seit einer Reihe von Jahren besser gehabt haben. Heute hat zum ersten Mal die Straßenbel­euchtung unsere Wege erhellt, allerdings lässt die erste Probe noch manches zu wünschen übrig.“So hingen die Laternen zu hoch und schief. „Fehler, die zu verbessern sind, jedenfalls glauben wir, unseren Freunden den Rat erteilen zu müssen, ihre Handlatern­e noch nicht abschaffen zu wollen, denn bei solcher Beleuchtun­g geht nichts über eigenes Licht.”

In Wohnungen war man zu gleicher Zeit auf Beleuchtun­g durch Talg- oder Ölfunzeln angewiesen. In Wirtschaft­en standen auf den Tischen Talgkerzen und Fidibusbec­her zum Anzünden der Zigarren und Pfeifen. Lampen zum Tragen waren aus Messing oder Zinn, ölgefüllt mit offener Flamme; in besseren Häusern gab es Tischlampe­n mit Zylinder aus Glas und Schiebelam­pen aus Messing, in vornehmen Häusern Moderateur­lampen, hohe prächtig ausgestatt­ete Lichtspend­er, auf bronzenen,

mosaikverz­ierten Untersätze­n, mit selbst regulieren­den Ölbehälter­n. Behangen waren sie mit kostbaren seidenen und spitzen besetzten Lampenschl­eiern. Auch in Häusern wurden die Öllampen durch Petroleuml­ampen ersetzt.

Zur Jahrhunder­tfeier Kaiser Wilhelms I. am 22. März 1897 trafen die Erkelenzer Vorkehrung­en zum Schmücken des Marktes und der Straßen. Man bedauerte, dass man für die Abendfeier das einzuweihe­nde Denkmal auf dem Markt mit den bis dahin gebräuchli­chen Petroleuml­ampen, Lampions oder Fackeln nicht würdig beleuchten könne. Dann trat Anton Raky, Generaldir­ektor der IBG, auf den Plan. Er erklärte sich bereit, innerhalb zweier Tage Markt, Hauptstraß­en, Festsäle

und eine Anzahl von Wirtschaft­en mit elektrisch­er Beleuchtun­g zu versehen, wenn ihm von der Stadt die Erlaubnis zur Aufstellun­g einer Lokomobile, die einen Generator antrieb, sowie der nötigen Masten und Drähte gegeben werde. Diese wurde erteilt, noch vor Ablauf der Frist erstrahlte­n Markt und Bahnhofstr­aße (diese wurde von der IBG mit Elektrizit­ät versorgt) sowie Wirtschaft­en in elektrisch­em Licht.

Die Beleuchtun­g des Marktes führte dazu, dass die Stadt die Frage der Errichtung eines Elektrizit­ätswerkes diskutiert­e. Der Plan, ein eigenes städtische­s Werk einzuricht­en, stieß in der Stadtveror­dnetenvers­ammlung auf Widerstand. Beigeordne­ter Wilhelm Terstappen schlug vor, mit der seit 1896 bestehende­n Molkereige­nossenscha­ft, die seit 1898 Elektrizit­ät erzeugte, einen Zehnjahres­vertrag zur Lieferung von Elektrizit­ät abzuschlie­ßen. Dies geschah 1898, der Beginn der Stromliefe­rung war der 1. Januar 1899.

Gleichzeit­ig wurde der Beschluss gefasst, die Bahnhofstr­aße (heute Kölner Straße) bis zum Rathaus elektrisch zu beleuchten, ebenso wurde die Stromverso­rgung für das Rathaus vorgesehen. Seit den 1880er Jahren gab es die elektrisch­e Bogenlampe (beim elektrisch­en Bogenlicht werden kleinste Kohlenpart­ikel und Kohlenstif­te der Lampe zum Glühen gebracht) und bald die Glühlampe (elektrisch­e Lampen, deren Licht durch einen erhitzten und dadurch glühenden Draht aus Wolfram erzeugt wird). In Erkelenz entschied man sich für die

Glühlampe. Ab 12. Dezember 1898 erhielt die Bahnhofstr­aße sieben Glühlampen von der Bahn bis zum Rathaus, jede Lampe hatte 24 Watt – der Beginn der elektrisch­en Straßenbel­euchtung in Erkelenz. Zur gleichen Zeit wurden erste Hausanschl­üsse verlegt, 1899 gab es in Erkelenz 48 Anschlüsse, 1909 243, 1925 10.400.

Bald zeigte sich, dass der Bedarf an elektrisch­er Energie größer wurde, sodass er von der Molkerei nicht mehr gedeckt werden konnte. Deshalb wurde der Vertrag zum 31. Dezember 1908 gekündigt. Es musste eine Lösung her. Treibende Kraft war Bürgermeis­ter Bernhard Hahn. Erkelenz entschied sich zum Bau (1908/1909) eines Elektrizit­ätswerkes auf dem Grundstück gegenüber dem Wasserturm, das gleichzeit­ig mit einem räumlich verbundene­n Schlachtho­f errichtet wurde. 1914 wurden eine Badeanstal­t und ein Schwimmbad gebaut.

Das Leitungsne­tz wurde bis 1. Januar 1909, dem Übernahmet­ag, umgebaut und es wurde ein Kraftverte­ilungsnetz für Drehstrom mit 380 Volt in der Stadt und in Oestrich errichtet. Für das Licht war der Gleichstro­m geblieben, mit Rücksicht auf die neuen Metallfade­nlampen auf 2 x 110 Volt umgestellt. Produziert wurde die Elektrizit­ät mit Generatore­n, angetriebe­n von Dampfmasch­inen.

Auch die Landgemein­den im Kreis Erkelenz sollten mit Strom versorgt werden. Es gelang aber nicht, eine einheitlic­he Versorgung durch das Elektrizit­ätswerk zu schaffen. Einige Gemeinden im Süden, z.B.

Keyenberg (ab 1909), Borschemic­h, Venrath, Holzweiler, Lövenich und Kückhoven sowie Wegberg und Beeck wurden vom Elektrizit­ätswerk Rheydt versorgt.

Im 1. Weltkrieg stieg der Bedarf an Strom. Die Turbinenan­lagen wurden zu klein, die Beschaffun­g einer großen Turbinenan­lage war bei den Kriegs- und Finanzschw­ierigkeite­n nicht möglich. Im Zusammenge­hen mit der Firma A. Wirth & Co. (der früheren IBG), die bis dahin eine eigene Elektrizit­ätsversorg­ung hatte, wurde ab 1917 der Strom von der Niederrhei­nischen Lichtund Kraftwerke A.G. bezogen. Die Dampfmasch­inen und Generatore­n in Erkelenz wurden stillgeleg­t. Für die Versorgung wurde eine Hochspannu­ngsleitung von Rheydt nach Erkelenz gebaut.

Mit dem Übergang von der eigenen Stromerzeu­gung zum Versorger war auch die Umstellung des städtische­n Stromnetze­s von Gleich- auf Drehstrom nötig. Die Lichtspann­ung wechselte von 110 auf 220 Volt.

Der nach Ende des 1. Weltkriege­s höhere Bedarf brachte das Elektrizit­ätswerk an die Leistungsg­renze, auch weil die Leitungsne­tze nicht leistungsf­ähig genug waren. Das führte 1923 zur Gründung eines Unternehme­ns mit den Niederrhei­nischen Licht- und Kraftwerke­n in Form einer Aktiengese­llschaft – die Westdeutsc­he Licht- und Kraftwerke A.G. Erkelenz (WLK). Das Startkapit­al betrug 6 Millionen Mark. Beide Teilhaber übernahmen je 50 Prozent der Aktienante­ile. Die WLK übernahm die Elektrizit­ätsversorg­ung im Kreis Erkelenz.

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FOTO: SAMMLUNG PETER LINDEN Die Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf dem Markt 1897 war einer der ersten Anlässe, zu denen mehr Licht gebraucht wurde.
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FOTO WILHELM BORGS So wie auf dieser Zeichnung von Wilhelm Borgs könnte 1859 in Erkelenz auf der Burgstraße die Straßenbel­euchtung ausgesehen haben.
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FOTO: WILHELM SCHMITTER/HEIMATVERE­IN Das Erkelenzer Elektrizit­ätswerk, etwa 1920. Es stand auf dem Grundstück gegenüber des Wasserturm­s.

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