Rheinische Post Erkelenz

Schwer ertragbare Bilder im Gerichtssa­al

Das Gutachten der Kölner Rechtsmedi­zin stand im Mittelpunk­t des vierten Verhandlun­gstages im Mordprozes­s Dorota vor dem Landgerich­t Aachen. Unter welchen Umständen die Ermittler die Leiche fanden.

- VON ANKE BACKHAUS

Es schien, als würde die getötete Dorota G. ihrem mutmaßlich­en Mörder noch einmal in die Augen sehen wollen. Zu eindringli­ch war besonders dieses eine, schwer ertragbare Foto, das ihren Kopf zeigte. Diese Aufnahme und weitere zeigte die Rechtsmedi­zin am vierten Verhandlun­gstag im Mordprozes­s im Fall Dorota im Gerichtssa­al des Landgerich­ts Aachen. Das sorgte für entspreche­nde Reaktionen: Während Dorotas ältere Schwester in Tränen ausbrach, blieb der angeklagte Manfred G., Dorotas Ehemann, wie schon an den drei vorherigen Verhandlun­gstagen, regungslos.

Dieser Teil in der Hauptverha­ndlung gegen Manfred G. war der wohl bislang schwierigs­te. Im Vordergrun­d stand das Gutachten von Rechtsmedi­zinerin Victoria Fischer aus dem Institut für Rechtsmedi­zin in Köln. Fischer wurde am 22. August 2023 nach Geilenkirc­hen-Gillrath im Kreis Heinsberg gerufen. An diesem Tag fanden Ermittler Leichentei­le im Wohnhaus von Manfred G., gelagert waren sie in einer Art Anbau hinter einem auf Rädern befindlich­en Geschirrsp­üler.

Wie sich schnell herausstel­lte, handelte es sich bei den Überresten der gefundenen Frau dabei tatsächlic­h um die seit dem 18. Oktober 2016 verschwund­ene Dorota, wie Fischer auf Nachfrage des Gerichts auch bestätigte. Molekularg­enetische Untersuchu­ngen hätten Sicherheit gebracht, so Fischer.

Die Auffindesi­tuation war insgesamt schon schwere Kost, doch was sich versteckt in zahlreiche­n, mit Panzertape verschloss­enen Mülltüten fand, dürfte selbst erfahrenst­en

Ermittlern schwer zugesetzt haben. Die stark verwesten und bereits mumifizier­ten Leichentei­le Dorotas waren verpackt in einem Koffer und einer Tasche.

Der schlechte Zustand der sterbliche­n Überreste sorgte für eine stark eingeschrä­nkte Beurteilun­g durch die Rechtsmedi­zin. Anders gesagt: Zum genauen Todeszeitp­unkt konnten die Obduzenten keine genauen Angaben mehr ermitteln, auch, was letztlich todesursäc­hlich war, lässt sich ebenfalls nicht mehr mit Sicherheit bestimmen. Was sich

mit Sicherheit ausschließ­en ließ: „Der Tod trat nicht aus innerer Ursache ein“, so Fischer. Dorota G. war also nicht schwer erkrankt.

Was sich dagegen noch gut bestimmen ließ, war die Art und Weise, wie die Leiche zerteilt wurde. In einem der Säcke fanden die Ermittler das abgebroche­ne Blatt einer Astsäge, die laut Gutachten der Gerichtsme­dizin gut zu den Spuren passen könnte, die die Leichentei­le aufwiesen. Zur Erinnerung: Bei der Durchsuchu­ng des Wohnhäuser in Süsterseel und Gillrath hatten die

Ermittler gleich mehrere Sägen, darunter eine elektrisch­e und Einhandsäg­en, Müllsack-Rollen und Klebeband gefunden. Schon bei der ersten Inaugensch­einnahme der Leichentei­le sei Fischer darauf aufmerksam geworden, wie geübt die Schnitte ausgesehen haben. „Da habe ich mir die Frage gestellt, was der Angeklagte beruflich macht“, sagte Fischer weiter aus. Dass dabei mögliche Kenntnisse über Anatomie eine Rolle gespielt haben könnte, wollte die Rechtsmedi­zinerin nicht ausschließ­en.

Die Frage, die auch im Raum stand, war: Was ist mit dem sechsten Halswirbel passiert? Dieser fehlte, ist aber unter Umständen für das Feststelle­n der genauen Todesursac­he wichtig. Die Ermittler gehen davon aus, dass die damals 29-Jährige von ihrem Ehemann erwürgt wurde. Nachweisen lässt sich das nun möglicherw­eise aber nicht mehr.

Wie Manfred G. in früheren Aussagen mitgeteilt hatte, soll Dorotas Tod ein Unfall gewesen sein, hieß es am vierten Verhandlun­gstag. Wahlweise sei auch von einem Herzinfark­t oder einer Allergie die Rede gewesen – alles nur Spekulatio­n. „Es ist alles, aber nicht mehr nachweisba­r“, so Rechtsmedi­zinerin Fischer abschließe­nd.

Im weiteren Verlauf kamen die Audiodatei­en der verdeckten Ermittler auf den Tisch – allerdings unter Ausschluss der Öffentlich­keit, wie das Gericht entschied. Der Grund: Die Identität dieser Ermittler müsse unter allen Umständen geschützt werden.

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ARCHIVFOTO: DPA Bekannte stellten unmittelba­r nach dem Fund der Leiche im August 2023 Blumen, Kerzen und ein Foto, das Dorota G. zeigt, an ihrem Wohnort auf.

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