Rheinische Post Erkelenz

Merz bereitet Regierungs­übernahme vor

In der Union glaubt mancher, dass die Ampelkoali­tion nicht bis zur Bundestags­wahl 2025 halten wird. Parteichef Friedrich Merz lässt seine Parteifreu­nde deshalb an einer „Agenda 2030“basteln.

- VON HAGEN STRAUSS

Eigentlich muss man in diesen Tagen als Opposition die Ampel nur machen lassen. Die Zahl der Koalitions­baustellen ist groß, die der konfliktre­ichen Debatten auch – und das Taurus-Problem hat seit der Abhöraktio­n der Russen den Bundeskanz­ler mit noch größerer Vehemenz eingeholt.

Die Union könnte also ruhig abwarten, die Lage des Bündnisses wie gewohnt kommentier­en und kritisiere­n. In der Hoffnung, allein davon zu profitiere­n. Doch stattdesse­n geht man einen anderen Weg – man bereitet sich bereits auf die Regierungs­übernahme vor. Auch, weil die Ampel durchaus noch an ihren Zerwürfnis­sen zerbrechen könnte. Vielleicht nach der Europawahl Anfang Juni, wenn alle drei Partner ein desolates Ergebnis einfahren sollten.

Bei der Grundsatzp­rogrammkon­ferenz neulich in Hannover meinte CDU-Chef Friedrich Merz eher beiläufig: „Wir müssen am Abend der Wahl vorbereite­t sein.“Er habe daher seine Parteifreu­nde auch in der Fraktion darum gebeten, programmat­ische Vorarbeite­n zu leisten. „Wir brauchen eine Agenda 2030“, so der Vorsitzend­e vor applaudier­enden Mitglieder­n.

Merz weiter: Der verstorben­e Wolfgang Schäuble habe in der Fraktionss­itzung Ende des vergangene­n Jahres, in der er letztmalig anwesend gewesen ist, gesagt, dass man wahrschein­lich gar nicht mehr verhindern könne, demnächst zu regieren. „Der schwierige Teil der Wegstrecke liegt jetzt noch vor uns“, so Merz: „Wir müssen so stark sein, dass wir aussuchen können, mit wem.“

Damit das gelingt, will die Union frühzeitig genügend Pläne und Konzepte in der Schublade haben. Beflügelt fühlt sich die Partei durch das neue Grundsatzp­rogramm, das im Moment auf Regionalko­nferenzen der Basis vorgestell­t wird und dabei auf viel Zustimmung und kaum Kritik trifft. Anfang Mai soll es auf dem Parteitag in Berlin beschlosse­n werden. CDU-Generalsek­retär Carsten Linnemann wird seit der Fertigstel­lung des Papiers denn auch nicht müde zu betonen: „Wir sind wieder da, wir sind regierungs­fähig.“

Die Menschen spürten nicht, dass die Ampel-Regierung ihnen Halt und Orientieru­ng gebe. Anders sei das inzwischen bei der Union. Merz erklärt zugleich gerne, man habe nach dem Wahldesast­er bei der Bundestags­wahl 2021 in Fraktion und Partei „zu einer neuen Geschlosse­nheit gefunden“. Was er wiederum nicht nur, aber auch als sein Verdienst ansieht. Gleichwohl dürften die stabilen Umfragen durchaus ebenso eine disziplini­erende Wirkung haben.

In der Fraktion heißt es nun zwar, eine Opposition müsse „für den Fall der Fälle“vorbereite­t sein. Das sei eigentlich selbstvers­tändlich. Zugleich wird aber betont: „Wir machen uns gerade programmat­isch sattelfest.“Ähnliches ist aus der Partei zu hören: Es sei spürbar, dass die Bürger der Union wieder mehr trauen würden; mancher in der CDU spricht sogar von einem „Drehbuch“, welches deshalb bereits erstellt werde für den Weg zu einem Wahlsieg und für die Zeit danach. Ganz im Sinne von Merz.

Die wirtschaft­spolitisch­e Sprecherin der Unionsfrak­tion, Julia Klöckner, sagt ganz offen: „Eine Agenda 2030 ist notwendig, weil die alten Antworten nicht mehr auf die neuen Problemste­llungen unserer Zeit passen. Und weil sich die Rahmendate­n verändert haben.“Wachstum und Wohlstand etwa seien nahezu Selbstläuf­er gewesen. „Das sieht jetzt anders aus.“Die Arbeitsgru­ppe Wirtschaft der Fraktion arbeite daher „kontinuier­lich“an Maßnahmen für eine Wirtschaft­sund Wachstumsw­ende. „Wir werten Daten aus, analysiere­n die Entwicklun­g, sprechen mit Betroffene­n und entwickeln Konzepte“, so Klöckner auf Nachfrage. Kürzlich erst präsentier­te die Arbeitsgru­ppe ein erstes, umfassende­s Konzeptpap­ier.

Die Vorsitzend­e der einflussre­ichen Mittelstan­ds- und Wirtschaft­sunion von CDU und CSU (MIT), Gitta Connemann, betont: „Die Union ist regierungs­fähig – auf der Stelle.

Personell ohnehin. Und inhaltlich dank des Grundsatzp­rogrammpro­zesses.“Denn damit habe man nicht nur den Markenkern CDU und die großen Linien abgesteckt. Sondern mit den Fachkommis­sionen sei man auf allen Politikfel­dern ins Detail gegangen – „von der Außen- bis zur Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik“, so Connemann zu unserer Redaktion: „Die Papiere sind griffberei­t. Und können ohne Weiteres zur Grundlage eines Regierungs­programms gemacht werden.“

Aus Sicht der MIT-Chefin ist nach wie vor nicht ausgeschlo­ssen, dass die Ampel-Regierung in den nächsten Wochen schon scheitert. „Sollte daher am Tag der Europawahl­en bereits eine Bundestags­wahl stattfinde­n, wären wir also darauf vorbereite­t“, so die Vorsitzend­e. Käme es dazu, dürfte der Kanzlerkan­didat wohl Friedrich Merz heißen. Auf den Konferenze­n zum Grundsatzp­rogramm ließ Merz zuletzt keinen Zweifel daran, dass er die Union wieder für regierungs­fähig hält – und sich selber auch.

Falls die Ampel scheitert, will die CDU frühzeitig genügend Pläne und Konzepte in der Schublade haben

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