Rheinische Post Erkelenz

Schlüsse aus dem Abhörskand­al

Läuft bereits ein Informatio­nskrieg gegen Deutschlan­d? Die Bundeswehr erweist sich als schlecht vorbereite­t auf Spionageak­tionen wie aus Russland. Wie die Regierung nun vorgehen möchte.

- VON JAN DREBES

Die Debatte über eine mögliche Lieferung von Taurus-Marschflug­körpern an die Ukraine hat mit der russischen Abhöraktio­n an Brisanz zugenommen. Die Befürworte­r einer Lieferung rufen zu Geschlosse­nheit auf, Kanzler Olaf Scholz (SPD) erteilte den Forderunge­n hingegen eine weitere klare Absage. Zugleich wird darüber diskutiert, wie die Kommunikat­ion sicherer werden kann – und wie der Nutzen für die russische Propaganda zu begrenzen ist.

Scholz sagte am Montag bei einer Fragerunde an einem berufliche­n Schulzentr­um im baden-württember­gischen Sindelfing­en: „Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das.“Den innenpolit­ischen Streit über Taurus bezeichnet­e er als „merkwürdig­e Debatte über einzelne Waffensyst­eme“. Der Kanzler bekräftigt­e seine Argumentat­ion: „Es kann nicht sein, dass man ein Waffensyst­em liefert, das sehr weit reicht, und dann nicht darüber nachdenkt, wie die Kontrolle über das Waffensyst­em stattfinde­n kann. Und wenn man die Kontrolle haben will und es nur geht, wenn deutsche Soldaten beteiligt sind, ist das völlig ausgeschlo­ssen.“Zu dem abgehörten Gespräch von hochrangig­en Bundeswehr-Offizieren über Taurus äußerte Scholz sich nicht, er wurde aber auch nicht danach gefragt.

Am Freitag war zunächst in russischen Online-Netzwerken das Gespräch veröffentl­icht worden. Darin diskutiert­en die Teilnehmer unter anderem darüber, ob mit den Taurus-Flugkörper­n auch die Kertsch-Brücke getroffen werden könnte, welche die von Russland völkerrech­tswidrig annektiert­e Halbinsel Krim mit dem russischen Festland verbindet, und ob ukrainisch­e Streitkräf­te das Waffensyst­em eigenständ­ig bedienen könnten. Dabei widersprac­hen die Offiziere der von Kanzler Scholz vorgebrach­ten These, wonach für den TaurusEins­atz eine direkte Beteiligun­g deutscher Militärs notwendig sei. Einer der Teilnehmer war Luftwaffe-Chef Ingo Gerhartz. Inwiefern es zu personelle­n Konsequenz­en kommen wird nach dem Abhörskand­al, blieb zunächst weiter offen.

Unter Hochdruck wird im Militärisc­hen Abschirmdi­enst (MAD) an Schlüssen aus der für die Bundeswehr durchaus blamablen Panne gearbeitet. Auf dem Prüfstand sind die Kommunikat­ionstechni­k und das Verhalten der Beteiligte­n, um mögliche Lücken zu schließen, die den Angriff möglich gemacht haben. Vize-Regierungs­sprecher Wolfgang Büchner mahnte am Montag zu Besonnenhe­it. Zwar betonte er, die Aufklärung des Vorfalls werde weiter vorangetri­eben – man dürfe jedoch „nicht das Spiel Putins spielen“. Auch dürfe sich die Regierung nicht von Äußerungen aus dem Kreml einschücht­ern lassen, sagte ein Sprecher des Auswärtige­n Amts.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte zu dem abgehörten Gespräch: „Die Aufnahme besagt, dass innerhalb der Bundeswehr Pläne für Angriffe

auf russisches Territoriu­m inhaltlich und konkret diskutiert werden.“Ein Sprecher der Bundesregi­erung sprach dagegen von einer „absurden, infamen russischen Propaganda“. Die Führung in Moskau versuche den Westen und Deutschlan­d mit der Veröffentl­ichung des Mitschnitt­s zu spalten. Das Auswärtige Amt dementiert­e zudem, dass der deutsche Botschafte­r in Moskau vorgeladen worden sei. Das Gespräch von Botschafte­r Alexander Graf Lambsdorff im russischen Außenminis­terium sei länger geplant gewesen.

Unterdesse­n dringt die Union

weiterhin auf einen Untersuchu­ngsausschu­ss und eine Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses. Die SPD und die Grünen lehnen einen Untersuchu­ngsausschu­ss ab. Der Verteidigu­ngs- und Haushaltse­xperte der SPD-Bundestags­fraktion, Andreas Schwarz, ist einer der Befürworte­r einer Taurus-Lieferung. „Wir sollten den Vorgang schnell und gründlich aufarbeite­n und dringend an unserer Sicherheit­sarchitekt­ur, auch bei der Kommunikat­ion, arbeiten“, sagte Schwarz unserer Redaktion.

„Wir sollten dringend an unserer Sicherheit­sarchitekt­ur arbeiten“Andreas Schwarz Verteidigu­ngsexperte der SPD-Fraktion

 ?? FOTO: DPA ?? Den Taurus bezeichnet die Bundeswehr als einen der modernsten Flugkörper.
FOTO: DPA Den Taurus bezeichnet die Bundeswehr als einen der modernsten Flugkörper.

Newspapers in German

Newspapers from Germany