6000 Wegberger haben ein Handicap
20 Prozent der Wegberger gelten als anerkannt schwerbehindert, Tendenz steigend. Diese große Gruppe bringt bestimmte Anforderungen mit sich, die vielfach noch keine Erfüllung finden, warnt die Wegberger Behindertenbeauftragte Petra Siegers.
Biggi lebt in den Wegberger Höfen. „Ein Jahr lang nahm ich an, dass sie nicht sprechen könnte. Weit gefehlt – es brauchte Zeit, ihr Vertrauen zu gewinnen“, schreibt die ehrenamtlich Beauftragte für behinderte Menschen der Stadt Wegberg, Petra Siegers, in ihrem Jahresbericht, den sie jetzt dem Ausschuss für Bildung, Integration, Soziales, Kultur, Demographie und Sport vorlegte. „Biggi ist unternehmungslustig, ist allerdings auf Begleitung angewiesen. Mich überrascht sie mmer wieder mit ihrem mentalen Witz und ihrer Sprach- und Ausdrucksfähigkeit.“
Ebenso wie Ricarda und Daniel hatte Biggi eine Rolle in dem Film übernommen, der zeigen soll, wie schön es für die Bewohnerinnen und Bewohner der Wegberger Höfe ist, einfach mal einen Spaziergang zu Kaffee und Kuchen in die Ophover Mühle zu machen. „Sie lieben es auch, schwimmen zu gehen. Vielleicht ist dies auch bald in Wegberg möglich.“Damit meint Petra Siegers den Umstand, dass schwimmen derzeit nur in Hückelhoven möglich ist. „Das liegt sicher auch an besonderen Pflegeleistungen und speziellen Anforderungen. Das ist eine hochkomplexe Sache, bei der man ganz schnell in die Tiefe von Pflegeverträgen eintaucht“, erklärte
Petra Siegers. „Neben der Überwindung von baulichen Hürden, sind Fragen des Personalschlüssels entscheidend dafür, ob das Potenzial von behinderten Menschen erkannt und gefördert werden kann.“
Dass in den Wegberger Höfen viele Ansätze erfahrbar sind, wie der gesellschaftlichen Desintegration von behinderten Menschen entgegen gewirkt werden kann, davon machte sich auch der neue Bürgermeister Christian Pape während seines Wahlkampfes ein Bild. „Ich habe dort mit zahlreichen Bewohnern gesprochen und sehe es als meine Aufgabe als Bürgermeister, den Kontakt zu halten“, sagte er und erntete Applaus aus den Zuschauerreihen.
Blickt man auf die nackten Zahlen, stellt man schnell fest: Es gibt immer mehr behinderte Menschen in einer alternden Gesellschaft. So zeigt es auch die statistische Halbjahresbilanz des Kreises Heinsberg. „Erneut hat sich die Zahl der anerkannt schwerbehinderten Menschen in
Wegberg erhöht – und zwar um 193 Menschen. 2022 wurden 5790 anerkannt schwerbehinderte Menschen erfasst. 2023 sind es 5983“, sagt Petra Siegers. „Der höchste Zuwachs ist bei den Menschen über 65 Jahren zu verzeichnen. Dabei ist der Zuwachs mit 155 Menschen mehr als doppelt so hoch wie im Jahr davor.“Wie schon in den Vorjahren seien mehr als die Hälfte der anerkannt schwerbehinderten Bürgerinnen und Bürger über 65 Jahre alt.
Petra Siegers plädiert dafür, inklusive
Ansätze sichtbar zu machen und zu verstetigen. Nach ihrem Bericht über die vielfältigen Aktivitäten des Lokalen Teilhabekreises wies die Behindertenbeauftragte aber auf eines hin: „Da die Projektförderung für die Lokalen Teilhabekreise im Sommer 2024 ausläuft, gilt es, tragende Strukturen städtisch verankern. An Ideen dafür mangelt es nicht. Nun geht es um Verantwortungsübernahme, die über ehrenamtliches Engagement hinaus geht.“
Ein weiterer wichtiger Punkt in
dem Jahresbericht der Behindertenbeauftragten sind sicher die baulichen Bedingungen für Barrierefreiheit. Als Beispiel dient dabei der Arsbecker Dorfkern, der sich durch eine enge Straßenführung mit „viel zu schmalen Bürgersteigen und mitunter gefährlicher Oberflächenbeschaffenheit“auszeichnet. „Die behinderten Menschen der Einrichtung Fair Leben nutzen mit ihren Rollstühlen genauso wie ältere Menschen mit ihren Rollatoren und Schulkinder einen Schleichweg, um sicher in den Ortskern zu gelangen“, beschreibt Petra Siegers die Lage.
Mit Blick darauf, dass in Wegberg 20 Prozent der Bürgerinnen und Bürger anerkannt schwerbehindert sind, betonten auch Georg Schmitz (CDU) und Swantje Day (SPD) die Bedeutung der Position der ehrenamtlich Behindertenbeauftragten. „Es ist notwendig, für die Gesellschaft einen offenen Blick zu haben und darauf aufmerksam zu machen“, sagte Georg Schmitz.