Rheinische Post Erkelenz

„Ich trage jetzt Kleidung und keine Zelte mehr“

Gestern war Welt-Adipositas-Tag. Unsere Redaktion hat sich mit Jennifer Monschang getroffen, die unter Fettleibig­keit leidet. Wie die junge Frau es geschafft hat, in knapp einem Jahr 90 Kilogramm Körpergewi­cht zu verlieren.

- VON SUSANNE JORDANS

Bei 180 Kilogramm setzte ihre Waage aus. Anfang 2023 war das, Jennifer Monschang wog da 192,2 Kilogramm, wie sich beim Arzt herausstel­lte. Die 35-Jährige leidet an Adipositas, eine chronische Krankheit, bei der Körperfett über das Normalmaß hinausgehe­nd vermehrt wird.

Die junge Frau hat aufgrund ihres Gewichts Asthma und bereits zwei Bandscheib­envorfälle hinter sich, ihre Knie und Hüften schmerzen. Sie will endlich abnehmen, 2019 hatte sie deswegen schon eine einjährige Sporternäh­rungsthera­pie gemacht, dabei auch 46 Kilogramm verloren. Doch dann kam Corona, Sport treiben hatte sich erledigt, Monschang nahm wieder zu. „Ich hatte alle 46 Kilo und mehr wieder drauf“, erinnert sie sich. Sie hat kein Sättigungs­gefühl mehr, isst, bis ihr schlecht wird. „Das Ganze hatte sich verselbsts­tändigt“, sagt sie.

Dabei war sie die ersten 14 Jahre ihres Lebens ein ganz normales Kind. Dann hatte sie Beziehungs­probleme, aß die falschen Dinge, darunter viel Süßes, lag auf dem Sofa, statt Sport zu treiben. Innerhalb von vier Jahren nimmt Monschang 35 Kilogramm zu, wiegt mit 25 Jahren 160 Kilogramm, zwei Jahre später 180. Im Mai 2022 hört sie auf zu rauchen, legt noch einmal elf Kilogramm zu.

Als sie auf ihren kleinen Neffen Leo aufpassen soll, kann sie ihn weder tragen noch versorgen. Der Knackpunkt für Monschang. „Ich

will mit ihm spielen, hinter ihm herrennen können“, sagt sich die junge Frau. Sie sucht Hilfe, lässt sich im Adipositas- und Reflux-Zentrum des Krankenhau­ses Neuwerk beraten. Chefarzt Professor Frank Granderath stellt Monschang unter anderem die Möglichkei­t vor, ihr einen Magenbypas­s, eine Art Magenverkl­einerung, zu legen. Dabei erfolgt eine anatomisch­e Veränderun­g, der Magen wird herunterge­setzt und hat keine Funktion mehr. Oben an die

Magentasch­e wird der Dünndarm gelegt.

Der Eingriff sei „schlimmer als eine Schlauchma­gen-OP“, bei der etwa 90 Prozent des Magens entfernt werde, so Monschang, aber: „Ein Schlauchma­gen kann sich wieder dehnen und damit auch wieder mehr Nahrung aufnehmen.“Und das will die 35-Jährige auf keinen Fall erleben.

Am 27. März 2023 ist es so weit, Monschang wird operiert. Was dann

folgt, sind drei Monate voller gesundheit­licher Probleme und Zweifel. Monschang verbringt beinahe diese gesamte Zeit im Krankenhau­s, sie leidet unter Schwindel, an Herzrasen, Übelkeit, Durchfall, die Haare fallen ihr aus. „Alles das als Antwort auf die OP. Jeden Tag fragte ich mich, ob der Eingriff richtig war“, sagt sie. Sie will nicht mehr aus dem Bett aufstehen, merkt gar nicht, dass sie immer mehr an Gewicht verliert.

Ihr Partner, die Mutter und die

Schwester unterstütz­en sie, sind immer bei ihr. Erst als Monschang 50 Kilogramm abgenommen hat, nimmt sie ihre körperlich­e Veränderun­g selbst wahr. Es geht ihr besser, die negativen Gedanken verschwind­en. „Plötzlich sah ich den Eingriff positiv, das fand im Kopf statt“, sagt sie.

Heute treibt sie vier Mal in der Woche Sport, ernährt sich gesund, Kohlehydra­te und Zucker sind tabu, dafür isst sie möglichst eiweißreic­h,

also viel Gemüse, Fisch und Fleisch. 100 bis 150 Gramm pro Mahlzeit kann sie essen, drei Portionen und zwei Zwischenma­hlzeiten am Tag sind erlaubt, dazu trinkt sie drei Liter stilles Wasser täglich. Heißhunger auf Süßes habe sie jeden Tag, sagt sie.

90 Kilogramm hat Monschang seit ihrer OP abgenommen, bei einer Größe von 1,86 Meter fehlen ihr jetzt noch zwölf Kilogramm zu ihrem persönlich­en Wunschgewi­cht. Ihre Konfektion­sgröße hat sie von 60 auf 42 gedrückt. „Ich kann wieder Kleidung tragen und keine Zelte mehr“, sagt sie. Ihre Motivation gibt sie an die 80 Mitglieder mit Adipositas – darunter ein betroffene­r Mann – ihrer Whatsapp-Gruppe weiter. „Die Leute kommen aus ganz Deutschlan­d und bedanken sich täglich bei mir für den regen Austausch“, sagt Monschang.

Mit ihrem Neffen Leo spielen, ihm nachlaufen, all das geht heute wieder. Jennifer Monschang sagt, dass sie die Magenbypas­s-OP jederzeit wieder machen würde.

 ?? FOTO: MONSCHANG ?? Die heute 35-Jährige wog Anfang des Jahres 2023 noch exakt 192,2 Kilogramm – eine Folge von Adipositas.
FOTO: MONSCHANG Die heute 35-Jährige wog Anfang des Jahres 2023 noch exakt 192,2 Kilogramm – eine Folge von Adipositas.
 ?? FOTO: MARKUS RICK ?? Mit Magenbypas­s und eiserner Disziplin hat Jennifer Monschang in elf Monaten 90 Kilogramm abgenommen.
FOTO: MARKUS RICK Mit Magenbypas­s und eiserner Disziplin hat Jennifer Monschang in elf Monaten 90 Kilogramm abgenommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany