Wasserstoff für Erkelenzer Krankenhaus
40 Prozent der Energie des Hermann-Josef-Krankenhauses sollen künftig durch eine Brennstoffzelle gewonnen werden, bald auch klimaneutral. Für das bislang einmalige Projekt investiert der Bund knapp 24 Millionen Euro.
Es ist ein kleiner, unscheinbarer Raum in einem grauen Nebengebäude. Doch was in diesem Raum ab sofort passiert, ist bundesweit einmalig: Im Erkelenzer Hermann-Josef-Krankenhaus ist am Mittwoch ein Brennstoffzellensystem in Betrieb gegangen, das künftig einen wesentlichen Teil des Strombedarfs der Klinik abdecken soll. Mittelfristig soll das auch klimaneutral über sogenannten grünen Wasserstoff funktionieren. Es handelt sich um ein bundesweit bislang einmaliges Projekt.
Einen großen Teil der Finanzierung übernimmt dabei das Bundesforschungsministerium, das 23,6 Millionen Euro in Erkelenz investiert. Bosch hat die Brennstoffzelle gebaut, koordiniert wird das Projekt vom Helmholtz-Cluster Wasserstoff am Forschungszentrum Jülich.
Geplant ist, zunächst zehn, dann 20 und im kommenden Jahr 40 Prozent des Stroms, den das Krankenhaus verbraucht, durch Wasserstoff zu gewinnen. Perspektivisch ist auch ein deutlich größerer Anteil denkbar, der dann auch aus grünem Wasserstoff produziert wird. Somit wäre das Hermann-Josef-Krankenhaus auf einem guten Weg zur Klimaneutralität.
„Unser Energiebedarf entspricht dem von knapp 400 Haushalten. Weil unser Haus eine permanente Verbrauchslast hat, eignet es sich gut für dieses Projekt“, erklärt Krankenhausdirektor Jann Habbinga.
Die Bosch-Technik befindet sich in der Vorindustrialisierungsphase und wird in Erkelenz nun erstmals in den „Live-Betrieb“gehen. Zunächst wird das System noch mit Erdgas versorgt, das die Brennstoffzelle ebenfalls verarbeiten kann. Schon hier erwarten die Projektpartner eine deutlich verbesserte Klimabilanz im Vergleich zur bisherigen Stromversorgung mit einem Blockheizkraftwerk.
Im kommenden Jahr soll dann die neue LOHC-Technologie des Unternehmens Hydrogenious an den Start gehen. Statt Gasflaschen, wie nun zum Start, wird es unter dem Erkelenzer Krankenhaus dann Wasserstofftanks geben – ähnlich wie bei Kraftstoff an einer Tankstelle. Das Besondere an der LOHC-Technik ist, dass durch ein schwer entflammbares Thermalöl die Wasserstoff-Technik sicherer wird. „Der Wasserstoff muss dadurch nicht mehr unter Hochdruck oder bei minus 250 Grad gelagert werden“, erklärt Hydrogenious-Sprecher Frank Erik Walter.
Tomasz Königs, Technischer Leiter
des Hermann-Josef-Krankenhauses, sagt, dass die Gefahr dadurch deutlich niedriger wird: „Hier kann nichts in die Luft fliegen.“Das sei für das Krankenhaus ein ganz entscheidender Punkt gewesen, bekräftigt auch Jann Habbinga: „Wir sind uns der Verantwortung und auch der Lage des Krankenhauses bewusst. Wenn hier etwas passieren würde, dann wären sehr viele Menschen betroffen.“
In den vergangenen Jahren hatte das Krankenhaus ohnehin bereits große Fortschritte in seiner Energieversorgung gemacht, auch dank Fördermittel aus der Politik. „Das Krankenhaus steht auf mehreren Beinen“, erklärte Tomasz Königs. So können drei Kessel nicht mit Gas, sondern auch mit Öl betrieben werden.
20.000 Liter Öl lagern im Krankenhaus für den Notfall. Relativ neu ist auch die Photovoltaikanlage, mit 206 Kilowatt-Peak, die Notstromaggregate schaffen 800 Kilowatt. „Das bedeutet, dass wir auch bei einem Stromausfall für 104 Stunden im Regelbetrieb arbeiten könnten“, erklärt Königs – im Regelbetrieb wohlgemerkt, nicht im Notbetrieb.
Dass das Prestigeprojekt ausgerechnet nach Erkelenz kommt, hat allerdings primär nicht nur mit dem Hermann-Josef-Krankenhaus zu tun, sondern vor allem mit dem tagebaubedingten Strukturwandel. Der Dürener CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Rachel sagte: „In unserer Region gehen durch den Strukturwandel Tausende Arbeitsplätze verloren. Die Idee ist,
auch Neue zu schaffen.“So gäbe es das Helmholtz-Cluster beim Forschungszentrum Jülich ohne den Strukturwandel gar nicht.
Bürgermeister Stephan Muckel, auch Kuratoriumsvorsitzender der Hermann-Josef-Stiftung, sprach von einem „bedeutenden Meilenstein“für die Stiftung und für die Stadt und ein „Leuchtturmprojekt für Innovation und Transfer für das gesamte Rheinische Revier“. Erkelenz stehe vor der Herausforderung, den Strukturwandel „als Chance für Innovation und nachhaltige Entwicklung zu begreifen“. Mit dem Projekt komme man aus der Konzeptphase in die Anwendung.
Bildungsministerin Bettina StarkWatzinger (FDP), die nicht anwesend war, erklärte: „Das Projekt
Multi-SOFC macht das enorme Potenzial neuartiger Wasserstofftechnologien deutlich und zeigt konkret, wie Innovationen die Energiewende im Rheinischen Revier und weltweit vorantreiben.“Mit dem Projekt könne gezeigt werden, dass auch große Gebäudekomplexe mit Wasserstofftechnologien ausreichend versorgt werden können. Das könne weltweit als Vorlage dienen.
Peter Wasserscheid vom Forschungszentrum Jülich erwartet, dass die klimaneutrale Wasserstofftechnik ab 2030 einen spürbaren Einfluss auf die Wirtschaft haben wird. „Das wird die Privatperson vielleicht gar nicht so mitbekommen, aber es wird einen enormen Effekt auf die Klimafreundlichkeit der Wirtschaft haben.“