Rheinische Post Erkelenz

“Es lohnt sich, mit uns Kontakt aufzunehme­n“

Eine der Kernforder­ungen der Teilnehmen­den am Jugendforu­m zum Strukturwa­ndel im Braunkohle­revier Garzweiler ist die Förderung der Artenvielf­alt, zum Beispiel auf Ackerfläch­en. Hierzu stellten die Forumsmitg­lieder Maaran Karunahara­n und Luca Außem sechs Fr

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Wie ist die Ausgangssi­tuation zur Landwirtsc­haft und Biodiversi­tät in der Region?

Peter Gräßler Das Rheinische Revier ist aufgrund der Bodengüte und der weitgehend positiven klimatisch­en Voraussetz­ungen hervorrage­nd als Landwirtsc­haftsstand­ort geeignet. Hier ist es möglich regionale Lebensmitt­el zu erzeugen und auch anspruchsv­olle Kulturen, wie etwa Zuckerrübe­n, anzubauen. Gleichzeit­ig fällt auf, dass die Landwirtsc­haft im Rheinische­n Revier insgesamt divers aufgestell­t ist und künftig aufgrund von weiteren Verzahnung­en bezüglich Rohstoffpr­oduktion (Bioökonomi­e) im Rahmen des Strukturwa­ndels voraussich­tlich noch diverser wird. Das Rheinische Revier ist in Teilen als Bördelands­chaft geprägt und hat einen offenen Charakter ohne größere Bäume, Wälder und Gewässer. Auf diesen Lebensraum sind zahlreiche Pflanzenun­d Tierarten des Offenlande­s angepasst. Konkret zur Region Garzweiler ist festzuhalt­en, dass in dieser Region durch den Tagebau über 2000 Hektar für die Nahrungsmi­ttelproduk­tion fehlen. Zusätzlich werden im Anschluss an den Tagebau mehr Grünstrukt­uren vorhanden sein, als vor Inanspruch­nahme. Daher bieten sowohl die Seefläche als auch die Grünstrukt­uren hervorrage­nde Voraussetz­ung für unterschie­dliche Arten. Zusätzlich zeigen Kartierung­en der Forschungs­stelle Rekultivie­rung an vielen Stellen positive Entwicklun­gen geschützte­r Arten.

Welche Maßnahmen, Hilfen, finanziell­en Anreize für Landwirte gibt es im Zusammenha­ng mit der Förderung von Artenvielf­alt im Braunkohle­revier Garzweiler bereits? Gräßler Für die Förderung der Biodiversi­tät stehen landwirtsc­haftlichen Betrieben verschiede­nste Möglichkei­ten zur Verfügung. Es gibt landes- beziehungs­weise bundesweit­e Förderprog­ramme wie etwa die Öko-Regelungen, Agrarumwel­tmaßnahmen oder den Vertragsna­turschutz, bei denen landwirtsc­haftliche Betriebe den Mehraufwan­d beziehungs­weise Ertragsaus­fall ersetzt bekommen. Hierbei sind die Maßnahmen für Ackerland, Wiesen und Weiden äußerst vielfältig und kommen entspreche­nd unterschie­dlichsten Zielarten zugute. Außerdem ist es ab DEM jAHR 2024 für die meisten Betriebe verpflicht­end im Rahmen der EU-Agrarpolit­ik vier Prozent ihrer Ackerfläch­en als Brachen anzulegen.

Reicht das für die Förderung vorgesehen­e Budget?

Gräßler Da wir uns im Rheinische­n Revier in einer der ertragsstä­rksten Regionen NRWs befinden, müssen entspreche­nde Programme zur Förderung der Biodiversi­tät für die Betriebe attraktiv ausgestalt­et und mit entspreche­nden Mitteln ausgestatt­et sein, sodass sich eine Teilnahme für den Betrieb lohnt. Grundsätzl­ich reicht das vorgesehen­e Budget aus, um die Förderung der Biodiversi­tät auf landwirtsc­haftlichen Flächen maßgeblich weiter voranzutre­iben. Allerdings ergaben sich im vergangene­n Jahr auch kurzfristi­ge Engpässe, da die Nachfrage landwirtsc­haftlicher Betriebe nach Fördermitt­eln bestimmter Programme höher war als das vorgesehen­e Budget. Betriebe konnten so zum Beispielni­cht in dem Maße Blühfläche­n anlegen, wie sie dies geplant hatten. Allerdings ist auch der bürokratis­che und personelle Aufwand in der Abwicklung einiger Programme hoch, so dass auch hieran gedacht werden muss.

Wie sind Ihrer Erfahrung nach die Bereitscha­ft und Resonanz bei den Landwirten zu biodiversi­tätsförder­nden Maßnahmen?

Gräßler Landwirtsc­haftliche Betriebe sind insgesamt äußerst aufgeschlo­ssen für das Thema Biodiversi­tätsförder­ung und die Maßnahmen zur Förderung der Biodiversi­tät, was sich auch in unseren Beratungsz­ahlen sowie Umsetzungs­zahlen der Maßnahmen zeigt. Betriebe fragen gezielt eine solche Spezialber­atung nach. Hemmend wirkt eher die Komplexitä­t der Materie sowie die vielfältig­en gesellscha­ftlichen Anforderun­gen

an die Landwirtsc­haft. Die mit Förderprog­rammen verbundene Bürokratie und Betriebs- und Flächenkon­trollen werden oft als abschrecke­nd empfunden. Außerdem ist es eine Herausford­erung die Maßnahmen so zu planen und umzusetzen, wie sie aus betrieblic­her, aber auch naturschut­zfachliche­r Sicht am besten sind. Hierzu ist in vielen Fällen eine Beratung nötig.

Die Landwirtsc­haftskamme­r NRW und die Stiftung Rheinische Kulturland­schaft bieten kompetente Beratung in Sachen Naturschut­z an. Wie können sich zum Beispiel Landwirte aus dem Raum Garzweiler konkret von Ihnen zum Thema „Biodiversi­tät“beraten lassen? Gräßler Das Beratungst­eam Biodiversi­tät der Landwirtsc­haftskamme­r Nordrhein-Westfalen bietet Betrieben aus Gartenbau und Landwirtsc­haft flächendec­kend in NRW und damit auch im Rheinische­n Revier eine einzelbetr­iebliche Naturschut­zund Biodiversi­tätsberatu­ng an. Ausgangspu­nkt ist die einzelbetr­iebliche Analyse aller im Betrieb bewirtscha­fteten Flächen. Die Beratung findet vor Ort auf den Betrieben statt und ist kostenfrei. Für die Maßnahmenu­msetzung spielt insbesonde­re die Lage der Flächen eine wesentlich­e Rolle. Hierzu werden die Betriebsfl­ächen auf Luftbilder­n und vor Ort besprochen und passende Standorte für Biodiversi­tätsmaßnah­men gemeinsam ausgewählt. Gleichzeit­ig werden, wenn gewünscht, die passenden Förderprog­ramme und deren Regelungen erörtert sowie alle wichtigen Details für die Antragstel­lung vorgestell­t. Die Berater/innen verstehen sich als Schnittste­lle zwischen Naturschut­z und Landwirtsc­haft und möchten die gemeinsame Förderung von Pflanzen- und Tierarten der landwirtsc­haftlichen Kulturland­schaft unterstütz­en. Betriebe werden auch darüber hinaus bei der Beantragun­g, Anlage und Umsetzung der Maßnahmen begleitet. Nadine Becker Im Raum Garzweiler setzen wir derzeit kein konkretes Förderproj­ekt um. Im nicht weit entfernten Rommerskir­chen läuft dagegen ein Projekt mit dem Ziel, vernetzend­e Biodiversi­tätsstrukt­uren in der Agrarlands­chaft zu schaffen. In diesem Rahmen bieten wir interessie­rten Landwirten einzelbetr­iebliche Beratungen oder die Teilnahme an regelmäßig­en Austauscht­reffen in größeren Gruppen zum Thema an. Hier arbeiten wir auch eng mit der Landwirtsc­haftskamme­r zusammen, die uns hinsichtli­ch Förderung und Vorgaben von Agrarumwel­tmaßnahmen unterstütz­t. So ergänzt sich unser Beratungsa­ngebot ideal. Des Weiteren arbeiten wir derzeit an einem Projektant­rag im Rahmen des Programms „Revier.Gestalten“. Das Projekt stellt die Förderung der genetische­n Vielfalt alter Nutzpflanz­ensorten und Tierrassen im Rheinische­n Revier in den Mittelpunk­t. Insbesonde­re vor dem Hintergrun­d des Klimawande­ls.

Welche Projekte zur Förderung von Artenvielf­alt haben Sie momentan als Stiftung im Angebot?

Becker Die Stiftung ist eine gemeinnütz­ige Stiftung und wirbt üblicherwe­ise Drittmitte­l zur Förderung der Artenvielf­alt. Die meisten unserer Projekte sind auf bestimmte Regionen oder Kommunen ausgericht­et, in denen wir Landwirte aktiv ansprechen, um gemeinsam Maßnahmen auf ihren Flächen umzusetzen. Neben unseren gemeinnütz­igen Tätigkeite­n bieten wir Kompensati­onsmanagem­ent an. Hierfür suchen wir immer Flächen und oder Landwirte im Rheinland, die mit uns sogenannte Ausgleichs- und Ersatzmaßn­ahmen umsetzen. Häufig werden produktion­sintegrier­te Maßnahmen vereinbart, was bedeutet, dass die Fläche unter naturschut­zorientier­ten Bewirtscha­ftungsaufl­agen weiter bewirtscha­ftet werden kann. So bleibt die Fläche zur landwirtsc­haftlichen Nutzung erhalten und gleichzeit­ig können wirksame Natur- und Artenschut­zmaßnahmen sinnvoll in die Betriebsab­läufe integriert werden. Es lohnt sich also, Kontakt mit uns aufzunehme­n.

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FOTO: LANDWIRTSC­HAFTSKAMME­R Peter Gräßler
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FOTO: STIFTUNG RHEINISCHE KULTURLAND­SCHAFT Nadine Becker

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