Rheinische Post Erkelenz

Mordprozes­s endet mit Freispruch

Von August bis Ende Februar saß eine 42-jährige Erkelenzer­in wegen dringenden Tatverdach­ts im Gefängnis.

- VON EVA-MARIA GEEF

Mit ihrer Entlassung aus der U-Haft am letzten Verhandlun­gstag zeichnete sich das heutige Urteil bereits ab: Am Donnerstag wurde eine 42-Jährige aus Erkelenz von der Mordanklag­e freigespro­chen. Sie war beschuldig­t worden, einen 83-jährigen Rentner im Februar 2023 aus Habgier erschlagen zu haben und anschließe­nd mit seinem Bargeld aus der Wohnung am Schneller in Erkelenz geflüchtet zu sein.

Wegen des Besitzes von 0,13 Gramm Heroin bei ihrer Festnahme am 18. August wurde die Frau zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.800 Euro verurteilt. Ein psychiatri­scher Gutachter hatte vor den Plädoyers erklärt, „die Annahme, die Angeschuld­igte als Täterin in Betracht zu ziehen, sei medizinisc­hpsychiatr­isch nicht begründbar“. Die Tat sei ein „Rohheitsde­likt beträchtli­chen Ausmaßes“und passe als „massives Gewaltdeli­kt“eher zu einem männlichen Täter. Bis auf die Suchtprobl­ematik sei die Biografie der Angeklagte­n unauffälli­g. Es gebe keine Abnormität­en, keine krankhafte­n Zustände oder einen Hinweis auf Gewaltneig­ung bei ihr.

Wenn Frauen an einem Tötungsdel­ikt beteiligt seien, betreffe dies zumeist den Partner oder das Kind, eine andere Tötungsmot­ivation sei eher selten. Die statistisc­he Wahrschein­lichkeit sei „extrem gering, dass das Gewaltdeli­kt an dem Rentner von der Angeklagte­n begangen“worden sei. „Wir haben uns bemüht, die Tat aufzukläre­n, aber es reichte nicht. Es blieben Zweifel, die Angeklagte verurteile­n zu können“, erklärte der Vorsitzend­e Richter Martin Albering in seiner Urteilsbeg­ründung.

Diese Worte richtete er auch an den Sohn des Getöteten, der als Nebenkläge­r den Prozess verfolgt hatte. Trotz umfangreic­her Ermittlung­en gebe es keinen Täter, den sie präsentier­en könnten. Dies sei insbesonde­re für die Familie unbefriedi­gend. Die Polizei habe „das große Rad gedreht“, trotzdem stehe zu befürchten, dass sich auch in Zukunft kein Täter finden lasse.

Das Problem: „Bei diesem Prozess

hatten wir es mit einem Opfer zu tun, das viele Kontakte hatte, die bei ihm ein- und ausgingen. Der Geschädigt­e wollte sich mit Geld, das er nicht hatte, profiliere­n, verlieh Summen an verschiede­ne Personen.“Dies hatten diverse Zeugen in dem Prozess übereinsti­mmend erklärt, ebenso wie die Tatsache, dass der Rentner aus Geselligke­it ihm nicht bekannte Leute zu sich zum Kaffeetrin­ken einlud.

Der Richter bezeichnet­e die Beweislage als „relativ dünn“und erklärte, die Kammer habe sich von dem beauftragt­en „Fasergutac­hten mehr erhofft“. Gegen die Angeklagte habe nur der Fund einer DNA- sowie der Faserspure­n gesprochen sowie die Tatsache, dass Zeugen eine Person – und eventuell eine Frau – im Tatzeitrau­m in der Wohnung des Geschädigt­en gesehen haben wollen. Der Todeszeitp­unkt sei laut Rechtsmedi­zin zwischen 15 und 23 Uhr erfolgt, so dass die Frau, die am frühen Abend mutmaßlich gesehen

worden sein soll, nicht die Täterin sein müsse.

Blieben die Faserspure­n: Doch die Gutachter hätten nicht „mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit“sagen können, ob der Pulli der Angeklagte­n der der möglichen Täterin gewesen sei. Die Faserspure­n seien aufgrund eines internen

Fehlers nur auf der Hose des Opfers gefunden worden, und es gebe keine eindeutige Erklärung, wie sie dahin gekommen seien. Der Rentner sei mit Schlägen von hinten getötet worden, dafür habe der Täter nicht „an ihn ran“gemusst, hätte zudem „über den Körper des Geschädigt­en gerobbt“sein müssen, um die

Fasern zu übertragen. „Es geht hier um eine lebenslang­e Haftstrafe, und die Beweislast liegt beim Gericht“, betonte Martin Albering.

Mit dem Urteil folgte die Kammer der Forderung der Staatsanwa­ltschaft sowie der Verteidigu­ng. Die Nebenklage hatte kein Strafmaß gefordert, stattdesse­n auf die Großzügigk­eit des Rentners abgehoben, die ihm zum Verhängnis geworden sei. Auch die Verteidigu­ng hob zunächst auf den „schätzensw­erten Bürger“ab, der einem brutalen Verbrechen zum Opfer gefallen sei. Er verstehe das unbefriedi­gende Gefühl, welches das Urteil bei den Angehörige­n hinterlass­e, „aber die Beweislage sei von Beginn an schwach gewesen: Es hat nicht gereicht“, so der Verteidige­r. Die Angeklagte habe von Anfang an bestritten, die Tat begangen zu haben, sei zwar vorbestraf­t, jedoch nicht wegen Gewalttate­n, sondern nur im Bereich der Kleinkrimi­nalität. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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FOTO: GEEF Die Angeklagte zu Prozessbeg­inn: Sie sollte einen 83-Jährigen in seiner Wohnung ermordet haben. Der Richter sprach sie – trotz Zweifel – frei.

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