Ein Lehrstück gegen Rassismus
„Miss Daisy und ihr Chauffeur“– eine warmherzige Geschichte mit Doris Kunstmann und Ron Williams. Wie die Darsteller die Proben im Wegberger Forum erleben und worauf sich das Publikum freuen kann.
Wenn am Sonntagabend um 20 Uhr auf der Bühne des Wegberger Forums die Reifen quietschen, gefolgt von einem Aufprall, befinden sich die rund 350 Zuschauerinnen und Zuschauer in Atlanta, Georgia, zwischen 1948 und 1973. Diese Szene ist der Start des Schauspiels „Miss Daisy und ihr Chauffeur“, eine Wiederaufnahmepremiere, die Wegberg als Spielstätte adelt. Denn das Tournee-Theater Thespiskarren lässt Premieren ausschließlich an Orten stattfinden, an denen „die Bühne funktioniert und die Umgebung ansprechend ist“, wie Regisseur Frank Matthus abseits der Proben betont.
Und auch die Besetzung ist hochkarätig: Doris Kunstmann als Miss Daisy Werthan und Ron Williams als Hoke Coleburn harmonieren als Duo so fantastisch, als würden sie schon ihr ganzes Leben gemeinsam auf der Bühne stehen – dabei kennen sie sich erst seit drei Jahren persönlich, wie sie verraten. Ihr Spiel ist gefühlvoll und präzise. Ergänzt werden die beiden durch Benjamin Kernen, der Boolie Werthan spielt und sich dabei souverän zurücknimmt,
um das tragende Spiel der Hauptdarsteller zu ergänzen.
Bereits bei den Proben in der Mühlenstadt zeichnete sich ab, was die Zuschauer erwartet: Durch ihr hervorragendes Spiel erreichen es Doris Kunstmann und Ron Williams, die Zuschauer in die Geschichte zu involvieren – auch und vielleicht gerade weil Ron Williams die Rassentrennung in Georgia selbst Anfang
der 1960er-Jahre während seiner Ausbildung zum Militärpolizisten erleben musste. „Gerade deshalb finde ich, es ist ein tolles Stück – ein sehr wichtiges Stück und gerade aktueller denn je“, sagt der Darsteller. „Und ist so berührend, dass Hoke Coleburn als schlichter, aber lebenskluger Mann, der aber nicht lesen kann und als Schwarzer sein Leben lang Benachteiligung erfahren
musste, eine Beziehung zu der wohlhabenden und gebildeten jüdischen Südstaaten-Dame aufbauen konnte. Das ist wunderschön.“Und noch eine Besonderheit gibt es: Im Gegensatz zur Hollywood-Adaption mit Jessica Tandy und Morgan Freeman von 1989, der gefeierten Broadway-Aufführung und allen anderen Aufführungen, die es je gab, spielt hier die Musik eine wichtige
Rolle. Ron Williams singt, denn: „Das gibt der Figur Hole Coleburn Wurzeln, die sie im Film leider nicht bekommt“, sagt Ron Williams, der nicht nur Schauspieler und Synchronsprecher ist, sondern auch Musiker. „Und das ist wichtig. Man sagt, wir Schwarzen haben mit unserer Musik dem weißen Amerika eine Seele gegeben.“
Tiefgang ohne Pathos, Wärme ohne Kitsch, Witz ohne Albernheit, das ist es, was die Inszenierung von Frank Matthus ausmacht, der mit ebenso großer Leidenschaft, wie sie auch die beiden Darsteller aufbringen, an jeder Kleinigkeit feilt, um dem Publikum ein Spiel darzubieten, das sie abholt und fesselt. Doris Kunstmann gesteht: „Bei Tageslicht und mit Bühnenarbeiten im Hintergrund ist es nicht ganz so leicht, das Schauspiel erfordert eine unglaubliche Konzentration.“Schon bei Tageslicht ist die erstaunliche Bühnenpräsenz der Darstellerin zu spüren, die sich perfekt offenbart, wenn im Saal das Licht erlischt und alle Scheinwerfer auf die Bühne gerichtet sind. „Dann spüren die Schauspieler das Publikum nur noch, hören, ob es lacht, ob es weint oder applaudiert. Es ist dann wie ein großes Tier, das ihnen zu Füßen liegt“, fasst Matthus dieses Gefühl in Worte.
Voller Vorfreude ist auch Gerd Pint, Fachbereichsleiter Bildung und Soziales. „Dieses Stück ist auch für uns eine Wiederaufnahme – von unserem Theaterabo“, sagt er. Und gerade für ihn persönlich sei diese Inszenierung besonders: „Das erste Stück, das ich in Wegberg organisiert habe, es muss um 1995 gewesen sein, war ebenfalls mit Doris Kunstmann, der Biberpelz.“Schon damals habe ihn die Leistung der Schauspielerin tief beeindruckt.
Übrigens: Der Autor des Stücks, Alfred Uhry, stammt selbst aus Atlanta und arbeitete später vor allem als Musical-Texter für BroadwayProduktionen. Inspiriert zum Stück wurde Uhry von seiner Großmutter Lena Fox und ihrem langjährigen Chauffeur Will Coleman.